Protestaktion

Landwirte im Gespräch mit Besuchern des Wertheim Village

Landwirte kamen am Samstag vor dem Wertheim Village mit Besuchern ins Gespräch. Die Bauern erklärten, wie wichtig Subventionen und Steuerrückerstattungen wirklich sind - und was sich konkret ändern muss.

Von 
Birger-Daniel Grein
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Am Eingang zum Wertheim Village informierten Vertreter landwirtschaftlicher Betriebe Besucher des Shopping-Centers über ihre Situation und Forderungen. © Grein

Bettingen. Ein Traktor stand am Samstagnachmittag direkt vor dem Eingang des Wertheim Village. Auch im Umfeld waren weitere Traktoren und ein Lkw mit Protestschildern abgestellt, um auf den Protest der Bauern aufmerksam zu machen.

Etliche Vertreter aus verschiedenen Bereichen der Landwirtschaft suchten das Gespräch mit den Besuchern der Shopping-Meile. Zur Standortwahl erklärten die Landwirte, dass das FOC eine hochfrequentierte Stelle sei. Außerdem erreiche man dort auch Menschen, die aus den Ballungsgebieten angereist sind. Im ländlichen Raum sei meist bekannt, warum die Landwirte protestieren, in den Ballungszentren dagegen weniger.

Agrardiesel: „Keine Subvention, sondern Steuerrückerstattung“

Zu den Aktiven gehörten unter anderem Marius Bischof aus Dörlesberg, Michael Bundschuh aus Steinbach und Klaus Weimer aus Kembach. Sie berichteten von ihren Erfahrungen, dass nicht Viele wüssten, welche immense Bedeutung die Steuerrückerstattung für Agrardiesel habe. Bundschuh sagte: „Es ist aus meiner Sicht keine Subvention, sondern eine Steuerrückerstattung für die Menge Diesel mit der man ausschließlich auf den Feldern unterwegs ist.“ Dabei würde man keine öffentlichen Straßen abnutzen, für deren Erhalt die Steuer genutzt wird, sind sich die Vertreter aus der Landwirtschaft einig.

Bereits an der Zufahrt zum Wertheim Village informierten große Schilder und Banner an Fahrzeugen über die Forderungen. © Birger-Daniel Grein

Auch eine Wirkung auf den Klimaschutz durch Streichung der Erstattung sah man nicht. Der Diesel werde verbraucht, ob mit oder ohne Erstattung, denn es gebe keine andere Möglichkeit und bisher auch keine alternative Antriebstechnik. Die Landwirtschaft sei der einzige Wirtschaftszweig, der bisher die Klimaschutzziele erreicht habe.

Biobetriebe von Streichungen stärker betroffen

Weiter hieß es, die Streichung würde die Biobetriebe noch stärker treffen, da diese wegen der mechanischen Bodenbearbeitung mehr Wege mit ihren Fahrzeugen zurückzulegen haben. Für die Landwirtschaft sei die Rückerstattung eine ebenso wichtige Unterstützung wie die Pendlerpauschale im ländlichen Raum, wo ein Auto dringend nötig ist. Beides müsse man erhalten.

Marius Bischof verdeutlichte weiter, 80 Prozent des Diesels verfahre man auf den Äckern. Man zahle 42 Cent Steuer auf den Sprit und erhalte später 21 Cent erstattet. Klaus Weimer betonte: „Ich äußere meinen Unmut friedlich, wir verlangsamen nur den Verkehr, aber blockieren ihn nicht wie die Klimakleber.“

Rückblickend auf die bisherige Protestwoche stellte Michael Bundschuh am Samstagnachmittag fest: „Es waren positive, friedliche, aber funktionierende Proteste.“ Man habe viel Solidarität erfahren. Die Drei fassten zusammen, die Leute interessiere, warum die Landwirte demonstrieren und es auch „unter ihren Finger jucke“. Man habe den Eindruck, dass es im gesamten Mittelstand brodele.

Subventionen machen bis zu 45 Prozent des zu versteuernden Gewinns aus

Die Vertreter betonten weiter, dass in der konventionellen Landwirtschaft Subventionen durchschnittlich 35 bis 45 Prozent des zu versteuernden Gewinns ausmachen, in der Biolandwirtschaft seien es sogar 65 bis 75 Prozent. Auch auf diese zahle man Einkommenssteuer. Auch wurde in den Gesprächen auf die hohe Arbeitsbelastung in der Landwirtschaft verwiesen, die oft mit Geldsorgen verbunden seien. Burnout und sogar Selbstmorde seien nicht selten.

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Klaus Vogel aus Werbach ging am Beispiel seines Betriebs darauf ein, was die Vorsteuergewinne tatsächlich bedeuten. Er hat einen Milchviehbetrieb bei dem er, seine Frau, seine fast 80-jährigen Eltern und stundenweise auch der Sohn, der die zehnte Klasse besucht, mitarbeiten und dies 365 Tage im Jahr. Mit seinen etwa 100 000 Euro Vorsteuergewinn pro Jahr käme er auf einen Nettostundenlohn von circa 5,60 Euro, sagte er.

Bauernproteste: Bürokratie belastet Landwirte

Die Landwirte erklärten weiter, dass sie durch immer neue Auflagen und Bürokratie sehr belastet seien. Mit Blick auf die wirtschaftliche Zukunft der Branche haben sie deshalb mehrere Forderungen. Bischof forderte eine klare Herkunftsbezeichnung und gleiche Standards für Lebensmittel die importiert werden, wie für jene, die nach deutschem Recht produziert werden.

Weimer verlangte mehr Verlässlichkeit bei Vorgaben und Regeln über lange Zeit. Beispielhaft nannte er die Regeln für Ställe. Es könne nicht sein, dass sich Bauvorschriften alle vier bis fünf Jahre ändern. „Wir brauchen Planungssicherheit.“ Außerdem brauche man einen besseren Marktschutz gegen die Übermacht des Marktmonopols der großen Handelsketten. Einig waren sich die Landwirte darin, dass durch die angestrebten Änderungen bessere Marktchancen bestehen würden und dadurch deutlich weniger Subventionen nötig seien.

Mit der Aktion konnten die Landwirte sowohl Auswärtige als auch Einheimische erreichen. Besucher Bernhard Flegler aus Bettingen betonte, er finde es richtig, was die Bauern machen. „Es geht um alles.“ Ohne einheimische Bauern sei man noch abhängiger vom Ausland und damit erpressbar. Dies sehe man beim Gasimport. Von der Regierung erwarte er, dass sie auch kleine Unternehmen unterstützen und nicht nur der Großindustrie helfe.

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