Wertheim. Nicht zuletzt an TV-Sendungen wie „Bares für Rares“ oder „Kunst und Krempel“ lässt sich das breite Interesse an Antiquitäten oder familienhistorischen Gegenständen erkennen. Im Grafschaftsmuseum Wertheim bot sich am Sonntag die Möglichkeit, von einem Fachmann mehr über ein solches persönliches Lieblingsstück zu erfahren. Diplom-Restaurator Georg Pracher vom Würzburger Atelier AKR Pracher begutachtete die Kunstwerke. Neben Hintergrundinformationen gab der Experte auch Reparaturempfehlungen und eine Wertschätzung ab.
Vorsichtig beugt sich Georg Pracher über ein großformatiges Ölgemälde von Fritz Bach. Der Heimatkundige vermutet auf den ersten Blick, dass es Kreuzwertheim zeigt. Mitgebracht haben das Bild Mario und Nicolas Hecker aus Bischbrunn. Zuerst schaut sich der Experte die Rückseite an, die ihm bereits vieles über das Bild „erzählt“. Mit dem Zustand der Keile zeigt er sich zufrieden. Aufgrund der leeren Nagellöcher vermutet er, dass das Bild einmal abgespannt war.
Dass, wie bei vielen Gemälden an diesem Tag, die Rahmung mit Nägeln befestigt ist, gefällt dem Fachmann aber gar nicht. „Das Bild muss sich bewegen können“, erklärt er. Hauptgrund sei die wechselnde Raumfeuchtigkeit, etwa durch Heizen. Neben einem Austausch der Nägel durch Metallschlaufen empfiehlt Pracher aus konservatorischer Sicht auch eine Schließung der sogenannten Schmutztasche am unteren Rand. Der „wunderschöne“ Papieraufkleber auf der Rückseite dagegen erfreut das Herz des Restaurators besonders. Hierauf ist handschriftlich unter anderem der Titel notiert: „Blick nach Kreuzwertheim“.
Auch von der Vorderseite des Bach-Werks ist Pracher begeistert: „Das ist wirklich ein wunderschönes Gemälde.“ Mit einer UV-Lampe stellt er fest, dass einzig pünktchenweise Fliegenkotablagerungen vorhanden sind. Der Firnis, also der meist harzhaltige Schutzüberzug, ist dick und nicht oxidiert. Den Wert des Bildes schätzt Pracher vorsichtig auf 800 bis 1500 Euro. Er empfiehlt eine Grundkonservierung und Ausbesserung der Schadstellen im Rahmen sowie eine Reinigung der Schmutztasche und der Oberfläche, um noch mehr „Brillanz“ aus den Farben „herauszukitzeln“.
Insgesamt zwölf Interessierte aus der näheren Umgebung nutzten am Sonntag die Gelegenheit für eine Expertise. Die meisten hatten gleich mehrere Stücke dabei. Manche davon waren im ersten Eindruck äußerst opulent, andere eher weniger. Doch die Größe sagt nichts über die Qualität aus. Manch ein Gemälde identifizierte der Fachmann als schmückendes aber „eher einfaches“ Stück, wie die Rosengemälde aus der Bauernmalerei mit einem Wert von gut 50 Euro.
Die Spurensuche gleicht einer Detektivarbeit. Selbst für den Fachmann ist der Maler nicht immer eindeutig zu identifizieren. Daher empfahl der Experte, den Namen des Künstlers auf die Rückseite zu schreiben, wenn dieser dem Besitzer bekannt, aber auf dem Bild nicht erkennbar ist. Informationen dieser Art seien auch für die nachfolgenden Generationen vielleicht von Interesse. Und dennoch hinterfragt der Experte zunächst jede Information sehr kritisch: „Grundsätzlich ist alles, was auf der Rückseite steht, erst einmal fraglich zu sehen.“ Auch weil Rahmen möglicherweise verändert oder weiterverwendet worden sind.
Bei einigen Gemälden stellte Pracher fest, dass sie nicht vom originalen Zierrahmen umgeben waren. Nicht selten war er neueren Datums, das Gemälde gelegentlich daran angepasst. Von eigenen Änderungen rät Pracher dringend ab. Eine fehlerhafte Stelle am Rahmen selbst zu überpinseln oder ein Bild eigenhändig zu reinigen, gehe meistens schief. Bei einer selbst montierten Aufhängeschnur rät er, diese durch einen Draht zu ersetzen.
Bei einem anderen Bild stellt er eine missglückte Reinigung fest, die auf dem Gemälde gräuliche Spuren hinterlassen haben. „Krepierung“ nennt sich das Phänomen. Die Wassereinlagerungen in der Firnis könnten durch eine fachmännische Oberflächenreinigung aber gut behoben werden. Eines wird immer wieder deutlich: Selbst Hand anlegen tut dem Bild eigentlich nie gut. Hier ist ein Fachmann gefragt.
Wie fast alle Besucher war auch Andrea Kintzel aus Hasloch das erste Mal bei einer Begutachtung. Von ihrer Großmutter hatte sie ein Gemälde des Frankfurter Künstlers Gustav Grosch geerbt. „Ich weiß jetzt, dass es sich lohnt, es richten zu lassen“, freute sie sich. Ginge es nach dem Experten, sollten die Eigentümer ihren Besitz nicht vorschnell abgeben: „Ich bin immer erst mal für das Behalten und mit den Kunstwerken zu leben.“
Ein besonderes Mitbringsel hatten Regina Schenk und Peter Quadfasel aus Marktheidenfeld dabei. Die gusseiserne Hunde-Skulptur könnte ihr Großvater zur Hochzeit bekommen haben, vermutete Schenk. Vieles daran blieb aber auch für Fachmann Pracher unklar. Besonders zwei Fragen müssten geklärt werden: In welcher Gießerei wurde das Stück hergestellt und wie häufig gibt es diesen Hund? Ohne dieses Wissen sei eine Wertschätzung sehr schwierig. Anhand der Herstellungstechnik lasse sich jedoch ein ungefährer Betrag beziffern. Sich an ein Auktionshaus mit Erfahrung in Bronzeskulpturen zu wenden, könnte hier hilfreich sein.
Museumsleiterin Stefanie Arz wertete den Tag als vollen Erfolg. Wie im Vorjahr war die Expertise Prachers auch bei dessen zweiten Termin wieder sehr gut nachgefragt. Schon die Vorgänger-Sprechstunde „Kunst und Kuriosa“ von Constanze Neuendorf war auf große Resonanz gestoßen. Und so dürfte einer dritten Auflage im nächsten Herbst nichts im Wege stehen.
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