Wertheim. Die Lage ist ernst für die Rotkreuzklinik Wertheim. So ernst, dass das Aktionsbündnis „Rettet das Krankenhaus“ an diesem Samstag um 11 Uhr zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz aufruft. Im Pressegespräch erläuterten die Vertreter am Montagabend ihre Forderungen.
Vielfach wurde der Veranstaltungsflyer bereits über die sozialen Medien geteilt. Große Teile der Bevölkerung vereint demnach die Sorge, aber auch der Kampfgeist mit dem überparteilichen Bündnis, an dessen vorderster Front die Wertheimer Ärzteschaft und der Frauenverein stehen. Es kann sich auf eine breite Zustimmung aus Parteien und Bürgerschaft stützen.
Denn die Zeit drängt. Dies wurde am Montag immer wieder von allen Beteiligten betont. Daher hätten die Behörden auch auf die sonst erforderliche 48-Stunden-Frist zwischen Anmeldung und öffentlicher Bewerbung verzichtet. Beides erfolgte am Montag. Angemeldet sind 300 Teilnehmende.
Das Ruder noch herumreißen
Nach den bisherigen Aktionen zum Erhalt des Krankenhauses – von Unterschriftensammlung über Postkartenaktion bis zur Petition – soll die Demonstration den vorläufigen Höhepunkt des Protests bilden. „Wir müssen aktiv werden, um unser Krankenhaus zu retten“, gab sich Gemeinderätin Marlise Teicke kämpferisch. Das Bündnis hoffe, „das Ruder noch herumreißen zu können, bevor alles zu spät ist“. Mit im Boot seien bereits die Wertheimer Industrie und die Ortsvorsteher. Kirchen, Sozialstationen, Pflegedienste und Sportvereine sollten am Dienstag kontaktiert werden.
Von besonderem Interesse dürfte sein, welche Politiker am Samstag der Einladung nach Wertheim folgen werden. Eine solche sei am Montag unter anderem an Gesundheitsminister Manfred Lucha, Landrat Christoph Schauder, den Landtagsabgeordneten Wolfgang Reinhart sowie OB Herrera Torrez versandt worden. An Minister Lucha soll die Übergabe einer schriftlichen Einladung sogar noch zusätzlich persönlich erfolgen, um den Ernst der Situation zu dokumentieren. Sein Kommen erwarten die Organisatoren am Samstag unisono. „Diesem Ansinnen kann er sich eigentlich nicht verwehren“, stellte Betriebsmediziner Dr. Axel Schmid klar. Auch sämtliche Mitglieder des Kreis- und des Gemeinderates sollen eingeladen werden.
Denn mit der Kundgebung wolle man besonders „die gewählten Vertreter“ an ihren Auftrag der Daseinsvorsorge erinnern. „Dass jemand mal aufsteht und sich seiner Verantwortung erinnert, halten wir jetzt für zwingend notwendig“, so Schmid. Die Ärzteschaft erwarte zudem, dass die Stadt endlich ein eigenes Angebot macht. Das sei „die einzige Möglichkeit, wie man den Prozess noch aufhält.“ Die niedergelassenen Ärzte hatten bereits am Wochenende auf die knappe Zeitschiene hingewiesen (wir berichteten).
Die auch am Montag mehrfach geäußerte Befürchtung, dass schon bis diesen Freitag eine Entscheidung über die Schließung oder den Verkauf an die Oswald Fachklinik beschlossen sein könnte, wie es Insolvenzverwalter Mark Boddenberg früher angekündigt hatte, entschärfte dieser am Dienstag: „Die Tagung des Gemeinderats am 26. Februar, bei der die Zukunft der Rotkreuzklinik Wertheim Thema ist, werden wir selbstverständlich abwarten. Wichtig ist, dass die politischen Entscheidungsgremien die erforderliche Zeit bekommen, um sich zu beraten. Gleichzeitig bleibt der notwendige Handlungsdruck unvermindert hoch, worüber sich alle Beteiligten im Klaren sind“, erklärte Boddenbergs Sprecher.
Axel Schmid machte zudem deutlich, dass der Minister das Haus im Falle des Verkaufs an einen Investor umwidmen müsse: „Er muss sagen: Die Region braucht dieses Krankenhaus nicht als Versorger.“ Allerdings warf Schmid in diesem Zusammenhang das Wort eines möglichen „Organisationsversagens“ in den Raum.
Einigkeit in der Runde bestand auch darin, dass in diesem Falle eine flächendeckende Versorgung nicht mehr gegeben wäre. Bei einer Klinikschließung würde der nördliche Main-Tauber-Kreis zur mit am schlechtesten versorgten Region Deutschlands werden. Die Notarzteinsatzzeiten würden um ein Dreifaches übertroffen. Der langjährige Leitende Kreisverwaltungsdirektor Jochen Müssig erinnerte an ein Zitat des DRK-Kreisvorsitzenden, wonach man das Krankenhaus in Wertheim für die Erfüllung der Rettungszeiten unbedingt brauche. „Das Leben und die Menschlichkeit müssen oberste Priorität haben“, forderte Müssig.
Wie Axel Schmid sagte, habe er von einer „gut unterrichteten Quelle“ erfahren, dass die Schwesternschaft bereits im November möglichen Übernahmeinteressenten eine Summe angeboten habe, die „geeignet gewesen sei, das Krankenhaus zunächst für zwei bis drei Jahre schuldenfrei zu gestalten“. Im Raum stünden zehn bis 20 Millionen Euro. Ihm sei gesagt worden, dass „dieses Geld bei Herrn Boddenberg schon auf dem Konto liegt“. Damit könnte man Zeit für eine Restrukturierung und Suche nach einem neuen Käufer gewinnen. Deutlich widersprach Schmid damit den Aussagen des OB, wonach es sich dabei um bloße Gerüchte handele. Er forderte Transparenz: „Die Leute, die das wissen, müssen sich jetzt einfach outen.“
Die Ärzteschaft habe zudem ein tragfähiges Konzept für den Weiterbetrieb vorgelegt. Tarek Nasser verwies auf eine Aussage Boddenbergs, dass das Geld für die Gehälter bis Ende Juni vorhanden sei und die Kündigungen daher bis Ende März ausgesprochen werden müssten. Dass vieles im Unklaren liege, sei jedoch ein großes Problem. Die Umwandlung in eine Fachklinik sei bestenfalls eine „Lösung für einige Arbeitsplätze und Gläubiger, aber nicht für die Bevölkerung“.
Ein „Treppenwitz“
Das Gegenargument zu hoher Kosten sei laut Schmid ein „Treppenwitz“. Schließlich sei Wertheim ein wichtiger Industriestandort und größter Nettozahler im Landkreis. Dieser könnte der Stadt beispielsweise einen Teil der Kreisumlage erlassen. Alle müssten aber in die gleiche Richtung ziehen. Auch Jochen Müssig erklärte: „Wenn man sich die Haushaltsvolumina der Stadt Wertheim und des Landkreises ansieht, muss man beim Einsatz eines von der Ärzteschaft ausgearbeiteten Konzeptes in der Lage sein, den Mangelbetrag zu erwirtschaften.“ Einig waren sich alle Anwesenden, dass im Sinne einer richtigen Prioritätensetzung andere Vorhaben in den Hintergrund treten müssten. Nach wie vor bestehe für Schmid aber die Hoffnung, dass der Gemeinderat den OB noch überzeugen könne, „das zu tun, was jetzt Gebot der Stunde ist: Verantwortung zu übernehmen.“ Im Gemeinderat stünde eine Mehrheit hinter dem Krankenhaus. „Wenn der OB etwas riskieren will, riskieren die Wertheimer Bürger mit ihm“, versicherte Ilse Fürnkranz. Durch die Kundgebung wolle man ihm auch Rückenwind geben. Das gehe aber nur im gemeinsamen Gespräch.
„Wir wollen dem Gemeinderat und dem Kreistag das Signal vermitteln, Mut zu haben“, verdeutlichte Müssig. Denn diese beiden Gremien seien jetzt entscheidend. Ins gleiche Horn stieß CDU-Stadtverbands-Vorsitzender Jochen Wältz: „Es kommt auf den politischen Willen an.“ Er verwies auch auf die anstehende Reform der Krankenhausfinanzierung, durch die sich Häuser im ländlichen Raum vielleicht in einigen Jahren doch wieder tragen können: „Dann würden wir uns in Grund und Boden ärgern.“ Die Bürger erwarteten, dass die drei Ebenen zu einer Lösung kommen. Mit diesem Ziel hätten sich am Montagabend die Fraktionsvorsitzenden aus Gemeinde- und Kreisrat zu einem Gespräch in Distelhausen getroffen. Denn der kommunale Friede sei massiv gefährdet. Und es gelte, eine Spaltung des Landkreises zu verhindern, führte Wältz aus.
Vor einer Wertheimer Schließung würde man laut Schmid auch in Tauberbischofsheim „zittern“. Für eine Versorgung der zusätzlich gut 6000 Patienten müsste das Kreiskrankenhaus zunächst ertüchtigt werden. Das sei „wirtschaftlicher Unsinn“.
Die Forderung der Organisatoren an die Politik ist klar: „Nehmt endlich eure Verantwortung als gewählte Vertreter dieser Region wahr.“ Das gemeinsame Gespräch müsse nun endlich stattfinden. Es wäre daher nicht verwunderlich, wenn die angemeldete Teilnehmerzahl am Samstag deutlich übertroffen wird. Entsprechend appellierte auch Jochen Müssig: „Wertheim muss geeint dastehen.“
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