Ehrenamt

„Gießhelden“ in Bettingen: „Auf dem Dorf läuft es anders“

In  dem Wertheimer Dorf kümmern sich neben Margot und Peter Walenschka 24 weitere Familien und Personen um Blumenschmuck und Bäume

Von 
Heike Barowski
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Bettingen. In Bettingen gibt es seit einem Jahr die „Gießhelden“. So wie Margot und Peter Walenschka kümmern sich viele Ehrenamtliche in den Dörfern um die Pflege des Blumenschmucks und der Grünanlagen.

„Meine Blümchen haben Durst, hab’s gar wohl gesehen, hurtig, hurtig will ich drum, hin zum Brunnen gehen“ – das Kinderlied von Karl August Kern und Georg Christian Dieffenbach singen Margot und Peter Walenschka natürlich nicht. Aber hin zum Brunnen gehen beide jeden Tag, um die Blumen zu gießen, die den Brunnen schmücken.

Margot und Peter Walenschka sind sogenannte Bettinger „Gießhelden“. Die beiden stehen stellvertretend für zahlreiche Bürger in den Wertheimer Dörfern, die rührig und ehrenamtlich Blumenschmuck, Bäume und Grünflächen hegen und pflegen.

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„Das dürften jetzt fast zehn Jahre sein, dass wir uns um dem Blumenschmuck am Brunnen kümmern“, sagt Margot Walenschka. Die Aufgabe übernahmen sie von ihren Nachbarn Gerda und Rudi Weber, die altersbedingt aufgeben mussten. Hat Margot Walenschka sich früher allein um den Blumenschmuck gekümmert, so hilft Mann Peter, seit er Rentner ist, natürlich mit.

„Ich kümmere mich mehr um die technische Seite“, sagt er. Dazu gehört der Betrieb des Brunnens. „Wir sparen damit der Stadt gut Geld. Die Leute in der Stadt wissen ja nicht, wie viel Arbeit hier drin steckt. Dort macht es der Bauhof. Wir im Dorf haben aber eine ganz andere Gemeinschaft, und da läuft so etwas wie die Pflege der Grünanlagen und des Blumenschmucks ganz anders“, meint der rüstige Rentner. Zur Motivation der umfangreichen ehrenamtlichen Arbeit sagt Margot Walenschka: „Wir wohnen hier und gucken ja direkt auf den Brunnen und erfreuen uns am Blumenschmuck.“ Ihr Mann ergänzt: „Wenn es etwas Kulturelles auch im weitesten Sinn im Ort gibt, beteiligt man sich doch daran.“

Zu seinen Arbeiten zählen die Inbetriebnahme des Brunnens im Frühjahr, das Reinigen, Streichen, das Wasserablassen und im Herbst das Winterfestmachen. Mindestens sechs Stunden im Jahr investiert Peter Walenschka dafür.

Dazu kommen noch die Arbeiten rund um den Blumenschmuck am Brunnen. Walenschkas bringen die großen Blumenkästen zum Gärtner, der sie bepflanzt, holen sie von dort ab und gießen sie jeden Tag. Die Rechnung des Gärtners bezahlt Ortsvorsteher Ralf Tschöp aus dem Grünflächenbudget, das die Stadt in marginaler Form zur Verfügung stellt.

Bei den gerade herrschenden hohen Temperaturen heißt es für Margot und Peter Walenschka, täglich die Gießkanne zu befüllen. Pro Tag werden gut und gern 35 Liter Wasser benötigt. Es ist kein Wasser aus dem öffentlichen Netz. „Wir holen das Wasser aus dem Aalbach“, erklärt Peter Walenschka. Dafür fallen allerdings weitere Arbeiten an. So fährt er mit seinem eigenen Schlepper zur Zapfstelle, um dort seine Fässer zu befüllen. Natürlich wird auch mal Regenwasser aus der eigenen Tonne genutzt. Das munter plätschernde Wasser im Brunnen können Walenschkas allerdings nicht nehmen, denn das ist relativ stark gechlort – um die Bildung von Bakterien und Algen zu verhindern. Also fährt Peter Walenschka mehrfach mit seinem Schlepper, um das Gießwasser zu holen.

Jeden Tag zu tun

Jeden zweiten Tag zupft Margot Walenschka die Geranien wieder in Form. „Früher hatten wir nur Geranien gepflanzt. Jetzt ist es eine bienenfreundliche Mischung“, sagt sie. Zu den Geranien haben sich nun die „Schneeprinzessin“ (eine Lobularia-Züchtung) und die „Goldmarie (Ferula Zweizahn) gesellt. Im Herbst werden die Kästen geleert. „Im Winter fehlt halt was. Wir könnten die Kästen ja mit Erika bepflanzen, doch das ist halt wieder eine Kostenfrage“, sagt Margot. Dass zu Ostern das Schmücken des Brunnens gemeinsam mit Nachbarinnen übernommen wird, versteht sich für Margot Walenschka von selbst.

Die Bettinger sind natürlich stolz auf ihren Blumenschmuck. War die Bank unter der nahen Dorflinde früher ständig belegt, so sitzt heut kaum noch jemand Ort und genießt den Blick auf den plätschernden Brunnen und die Blumen. „Jetzt sitzen meist nur Fremde da“, sagt Peter Walenschka. „Oder wir – manchmal“, ergänzt Margot. Ihre Urlaubsvertretung haben die beiden natürlich auch geregelt. Dann springt eine Nachbarin ein.

An Ortseingängen, an dem Feuerwehrhaus, am Rathaus und am Brunnen – überall gibt es Blumenschmuck. Dazu kommen kleine Grünflächen und Bäume im Neubaugebiet, um die sich die Bettinger schon immer gekümmert haben. „Aus diesem Engagement heraus hat der Ortschaftsrat einen Aufruf gestartet, ob es nicht noch mehr Bettinger gibt, die sich an der Pflege der Pflanzen beteiligen wollen. Dadurch sind diese ’Gießhelden’ entstanden“, erklärt Tschöp. Als Dankeschön und äußeres Zeichen gibt es für jede Familie, die mitmacht, die blaue Kanne mit dem entsprechenden Aufdruck, dass hier ein „Gießheld“ am Werk ist. Inzwischen konnte Tschöp 25 solcher Kannen verteilen.

Eine recht kleine Anerkennung für eine umfangreiche Aufgabe. „Es wäre schön, wenn die Arbeit der Gießhelden honoriert werden würde. Seit ich Ortsvorsteher bin, kämpfe ich für eine Dorfbudgetierung, durch die eine Wertschätzung der Arbeit in den Orten stattfinden könnte“, so Tschöp.

Zu den Gießhelden kommen noch Helfer, die Arbeiten auf dem Friedhof ausführen: Ehrenamtliche die mit eigenem schweren Gerät beispielsweise gruben ausheben für die zu pflanzenden Bäume. „Ich könnte mit meinem Grünflächenbudget nicht einmal eine Weihnachtsfeier für diese Helfer ausrichten“, sagt Tschöp und hofft auf ein Einlenken der Stadt – nicht nur in Bettingen.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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