Kabarett

Gerhard Polt und die Well-Brüder halten Gesellschaft in Wertheim Spiegel vor

Von 
Matthias Ernst
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Wertheim. Ein außergewöhnlicher Abend in der Main-Tauber-Halle: Mit Gerhard Polt und den Well-Brüdern erlebten die Zuschauer Kabarett und Musik auf höchstem Niveau. Die Künstler vereinten traditionelle Volksmusik mit feinem Humor, tiefgründiger Gesellschaftskritik und einem Hauch Anarchie – ein Gesamtkunstwerk, welches das Publikum von der ersten Minute an fesselte.

„Schöne Grüße von den Rotkreuzschwestern“

Die Well-Brüder eröffneten den Abend auf ihre unnachahmliche Weise: Mit „Schönen Grüßen von den Rotkreuzschwestern aus München“, nahmen sie Bezug auf die kürzliche Schließung der Rotkreuzklinik in Wertheim. Schon da blieb manchem im Saal das Lachen im Halse stecken. Mit Gstanzln (bayrischer Spottgesang) voller Humor und Regionalbezug nahmen sie aktuelle Themen in Wertheim und der Region aufs Korn.

Die finanzielle Lage der Stadt sowie die kürzlich geschlossene Klinik wurden mit Witz und kleinen Spitzen in Mundart kommentiert: „Ja des Wertheim ist knapp bei Kasse, des gonze Geld werd in des Bürgerspital investiert, drum werd jetzt der Haushalt miad am mobilen Blitzer saniert.“ Auch Landrat Christoph Schauder kam nicht ungeschoren davon: „Wegen da Schließung von eiam Krankenhaus hots Demonstrationen gebn, und des derf halt mal auch gar ned sei. Und der Landrat Schauder hockt in Tauberbischofsheim und sogt bloß: Ja mei“.

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Die Well-Brüder (Karli, Stofferl und Michael) bewiesen einmal mehr, dass Gstanzln – jene humorvollen, oft improvisierten Spottverse – weit mehr als reine Volksmusik sind. Sie sind ein Werkzeug, um Missstände zu kritisieren, ohne dabei den Humor zu verlieren.

Gerhard Polt, der Altmeister des bayerischen Kabaretts, zeigte sich einmal mehr als grandioser Erzähler, dessen Geschichten scheinbar ins Absurde abdriften, dabei aber stets einen scharfen Blick auf die Gesellschaft werfen. Mit seiner typischen Mischung aus Lakonie und Witz parodierte er das Leben und die Sprache gleichermaßen. Polts Talent, sich verschiedene Idiome anzueignen, sorgte für Begeisterung: Er imitierte Italienisch und Japanisch in einer fiktiven Radioankündigung und ließ das Publikum über den englischen Singsang eines indischen Pfarrers lachen. Dieser Pfarrer, der in der bayerischen Diaspora mit Espressomaschinen die Frühmesse „erweckender“ gestalten wollte, wurde zur Parodie auf die Absurditäten kultureller Missverständnisse. Polt verstand es dabei meisterhaft, die Klangmelodie der Sprachen selbst zum humoristischen Element zu machen. Sein Sprachwitz reichte von lautmalerischen Nachahmungen bis hin zu tiefgründigen Fragen wie: „Muss ich studieren, um zu wissen, wer ein Depp ist?“

Zwischen Händel und Metallica

Ein weiterer Höhepunkt des Abends war die Barock-Persiflage der Well-Brüder, bei der sie ein fiktives Stück von Händel präsentierten. Händel, der angeblich auf dem Weg von Wien nach London durch „Hausen bei Rohrbach“ (Heimat der Familie Well) gereist sein soll, wurde zum Ausgangspunkt für musikalischen Nonsens und urkomische Satzbezeichnungen wie: „Die 40 Feuerwehrjungfrauen tanzen.“

Die Brüder spielten diese barocke Parodie auf höchstem musikalischen Niveau – bravourös auf einer Vielzahl von Instrumenten, darunter Tuba, Quetschn (Akkordeon), Geige, Harfe, Flöte und Kontrabass. Dabei bewiesen sie erneut, dass sie nicht nur hervorragende Musiker sind, sondern auch die befreiende und anarchische Kraft der Musik meisterhaft zu nutzen wissen.

Der mittlerweile 82-jährige Polt nutzte den Abend, um mit feinem Humor die bayerische und deutsche Gesellschaft zu analysieren. Ob die Liebe der Deutschen zu Autos oder die religiöse Frömmigkeit – Gerhard Polt hielt der Gesellschaft den Spiegel vor, ohne dabei belehrend zu wirken.

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