Projekt „Bürgerspital“

Genugtuung, aber auch Sorge um die Finanzen

Die Fraktionschefs nehmen Stellung zum geplanten Kauf des Krankenhauses und die künftige Nutzung

Von 
Gerd Weimer
Lesedauer: 
Beim Pressegespräch: Axel Wältz (CDU), Songrit Breuninger (Freie Bürger), Mirco Göbel (SPD), Jonathan Klüpfel (Bürgerliste) und Katharina Saur (Grüne). © Gerd Weimer

Wertheim. Mit Genugtuung kommentierten die Fraktionschefs des Wertheimer Gemeinderats die Entscheidung zum Kauf der Klinik. Doch sie haben Sorgen um die Finanzen der Stadt.

Die Sitzung am Montag sei „eine der wichtigsten Gemeinderatssitzung der letzten Jahrzehnte“ gewesen, sagte Axel Wältz von der CDU. Das Gremium habe „einen richtigen und wegweisenden Beschluss gefasst“ und „ein starkes Zeichen gesetzt“: Man sei dem „eindeutigen Bürgerwillen gefolgt“ und signalisiere: „Wir sind für die Menschen da.“

Schnelles Handeln sei erforderlich gewesen, „denn so, wie es gerade in Sachen Notfallversorgung ohne den Klinikstandort läuft, kann es nicht weitergehen, wie viele Praxisbeispiele belegen“. Der Krankenhausstandort Wertheim habe als Haus der Grund- und Regelversorgung inklusive Notfallversorgung wieder eine Perspektive.

Mehr zum Thema

Medizinische Versorgung

Wertheim soll „Bürgerspital“ bekommen

Veröffentlicht
Von
Gerd Weimer
Mehr erfahren
Projekt "Bürgerspital"

„Große Belastungsprobe“ für Finanzen der Stadt Wertheim

Veröffentlicht
Von
Gerd Weimer
Mehr erfahren

Wenn es gelinge, alles wie geplant umzusetzen, stünde den Bürgerinnen und Bürgern „sogar ein besseres Krankenhaus als vorher“ zur Verfügung. Es sei immer eine Stärke Wertheims gewesen,“ durch Innovation und mutige Entscheidungen den Standort zu stärken“. Diese Innovationskraft könne nun das Krankenhaus für die Bürgerschaft retten.

Die Position der CDU-Fraktion im Wertheimer Gemeinderat sei immer klar und eindeutig gewesen: Eine bedarfsgerechte Notfallversorgung funktioniere ausschließlich durch einen Grund- und Regelversorger im Hintergrund. Diese Position habe man auch gegen Widerstände gehalten. Für Wertheim als Wohn- und Wirtschaftsstandort Nr. 1 in der Region sei eine gute Gesundheitsversorgung unabdingbar.

Wältz lobte das Engagement des Geschäftsführers der Westfalenklinik-Gruppe: „Er lässt seine Heimatstadt nicht im Stich.“ Durch sein Engagement könne sich die Stadt beim Erhalt des Krankenhauses selbst helfen.

Er freue sich, dass das Konzept des „Bürgerspitals“ auch vom Sozialministerium in Stuttgart unterstützt werde und gehe davon aus, dass man auch aus der „kommunalen Familie im Main-Tauber-Kreis Unterstützung für das Projekt“ bekomme.

Finanziell bleibe das Projekt eine Herausforderung. Ohne Krankenhaus würde aber langfristig ein noch größerer Schaden für den Standort Wertheim und den nördlichen Main-Tauber-Kreis entstehen.

Songrit Breuninger von den Freien Bürgern bezog sich auf einen Besichtigungstermin des Gemeinderats vor der Sitzung am Montag und sagte: „Ich persönlich war sehr erstaunt über die tatsächliche Größe und die Räumlichkeiten des Gebäudes sowie über die Einrichtungen, Inventar, Betten, Gerätschaften, die noch vorhanden und optisch wohl auch in sehr gutem Zustand sind.“

Die Entscheidung zum Kauf des Hauses sei den Freien Bürgern „nicht leichtgefallen“. Sie verwies auf die „zahlreichen Beratungen und Diskussionen“, um alle Vor- und Nachteile abwägen zu können.

Das Konzept der Westfalenklinik habe überzeugt, weil eine Notfallversorgung integriert und die Grund- und Regelversorgung Innerer Medizin und Chirurgie sichergestellt werden sollen. „Wir denken, das entspricht dem Wunsch der gesamten Bevölkerung und der hiesigen Ärzteschaft“, so Breuninger. Dringende Notfälle in den vergangenen Wochen hätten bereits gezeigt, wie unerlässlich eine funktionierende Notfallversorgung vor Ort ist. Die Inbetriebnahme solle, sobald die Verträge unterschrieben sind, relativ rasch zeitnah erfolgen, zumal es auch um benötigte Fachkräfte geht, die derzeit noch zur Verfügung stehen. Dem Personal, das über Monate hinweg dem Haus die Treue gehalten habe, müsse eine berufliche Perspektive gezeigt werden, um es zu halten.

Der Erwerb des Hauses werde die Entwicklung der Stadt maßgeblich beeinflussen. Die Klinik sei ein wichtiger Standortfaktor. Der Kauf stelle aber auch einen finanziellen Kraftakt für den städtischen Haushalt „über Jahre hinweg“ dar.

Auf „diverse Investitionen“ müsse verzichtet werden. Es könne zu Einsparungen in verschiedensten Bereichen kommen, „die vermutlich wehtun“. Songrit Breuninger appellierte an die Bevölkerung, „die notwendigen Maßnahmen zu akzeptieren und mitzutragen“ und nicht nach eins bis zwei Jahren zu „vergessen, warum diese erforderlichen Schritte erforderlich sind“. Natürlich erhoffe man sich finanzielle Unterstützung von Landkreis und den umliegenden Kommunen.

Seine Fraktion habe sich unabhängig von einer zukünftigen Nutzung oder einer möglichen Konzeption in einem ersten Schritt klar für den Erwerb des Grundstücks und des Gebäudes der Rotkreuzklinik ausgesprochen, führte Mirco Göbel von der SPD aus. Damit behalte man die Kontrolle über die weitere Entwicklung des Areals und könne die Interessen der Stadt wahren. Der Kauf sei „eine vielleicht letzte Chance, langfristig die Weichen für die medizinische Versorgung der Bürgerinnen und Bürger zu stellen“.

Nach dieser grundsätzlichen Entscheidung habe sich die SPD-Fraktion dafür ausgesprochen, die Stadtverwaltung damit zu beauftragen, eine Vereinbarung mit der Westfalenklinikgruppe zur Sicherstellung der Basisnotfallversorgung und somit dem Betrieb des sogenannten Bürgerspitals Wertheim zu schließen.

Wegen der gebotenen Eile durch das Insolvenzverfahren und der erforderlichen Personalakquise gebe es keine Möglichkeit, die Angelegenheit weiter aufzuschieben – auch wenn damit die Stadt in Zukunft vor finanziellen Herausforderungen steht. Man könne auch nicht verantworten, die Möglichkeit, „unverhofft“ eine Notfall-, Grund- und Regelversorgung zu etablieren, verstreichen zu lassen.

Die Entscheidung der Fraktion fuße auf dem Willen der Bürgerschaft, „die ihre Meinung im Laufe des gesamten Insolvenzverfahrens in Kundgebungen, Petitionen, in zahlreichen Bürgerfragestunden, Leserbriefen, in den Diskussionsrunden der Ärzteschaft und vor allem in nahezu allen Veranstaltungen im Zuge der Gemeinderatswahl mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht hat“.

Jonathan Klüpfel von der Bürgerliste sagte in Vertretung von Stefan Kempf, es habe im Gemeinderat „aus fast allen Richtungen massive Bedenken“ gegeben. „Aufgrund der immensen und einschneidenden Investitionen sowie des dauerhaft defizitären Betriebes der Liegenschaft“ sei dies „mehr als gerechtfertigt“. Letztendlich habe aber auch die Bürgerliste einstimmig für den Kauf des Anwesens gestimmt.

Man begrüße die Entscheidung zum Kauf des Areals, „um zukünftig das Heft des Handelns selbst in der Hand zu haben“. Die Bürgerliste habe allerdings „deutlich auf die finanziellen Gefahren und drastischen Konsequenzen hingewiesen“ und hätte sich gewünscht, dass vorab die Mittelherkunft sowie die Unterstützungszahlungen sichergestellt würden.

Wie fast alle anderen Fraktionen auch, habe sich die Bürgerliste vor der Gemeinderatswahl klar „gegen mögliche Steuererhöhungen jeglicher Art positioniert“. Man werde dazu stehen und „gespannt beobachten“, wie sich die anderen Fraktionen verhalten.

Katharina Saur (Grüne) sagte, sowohl die Fraktion als auch der Ortsverband hätten sich seit Beginn des Insolvenzverfahrens für den Erhalt der Notfallversorgung eingesetzt. Den Leerstand eines fast neuen Gebäudes mit technisch hochwertiger Ausstattung sowie den Verlust der Arbeitskräfte habe man verhindern wollen.

Man begrüße die neue Möglichkeit, gestaltend aktiv werden zu können und mit den Partnern für die Wertheimer Bürgerschaft „wieder eine wohnortnahe Versorgung zu schaffen“. Ein wichtiger Schritt sei mit dem Beschluss zum Kauf der Immobilie erfolgt.

Bezüglich der Notfallversorgung gelte es nun, die letzten, durchaus vorhandenen Hürden zu bewältigen und dann die alten Strukturen mit neuem Leben zu füllen. Man zähle auf die Bürger- und Ärzteschaft, die sich „vielfach und mit hohem Engagement für den Standort einsetzten, damit das Konzept kurz-, mittel- und langfristig funktioniert“.

„Gemeinsam Lösungen finden“

Katharina Saur appellierte an die potenziellen Partner, das Regierungspräsidium, das Sozialministerium und die Versorgungsträger gemeinsam Lösungen zu finden.

„Uns ist sehr bewusst, welche Bedeutungen dies für den städtischen Haushalt hat und dass damit Einschnitte in anderen Bereichen erfolgen müssen“, räumte Katharina Saur ein. Welche dies genau betreffe und wie diese im Detail ausfallen, werde man im Gemeinderat bei den Haushaltsberatungen verhandeln müssen.

Redaktion Reporter Wertheim

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke