Wer auf die Wertheimer Burg will, muss gut zu Fuß sein – noch immer fährt die Gecko-Bahn nicht. Und eine Lösung ist weiterhin scheinbar nicht in Sicht.
Wertheim. „Ein Schrägaufzug zur Burg hoch, das wäre toll“, sagt die frühere Kreis- und Gemeinderätin Renate Gassert. Es ist ihre Antwort auf die Frage, was sie sich als neue Ehrenbürgerin für ihre Stadt wünsche. „Die Burg ist doch unser Wahrzeichen und das muss auf irgendeine Weise mit der Altstadt verbunden sein“, erklärt sie und erinnert an die Pläne, mit dem Aufzug, die verworfen wurden.
„Für den Aufzug existieren sogar Angebote einer renommierten Firma“, fügt der frühere Oberbürgermeister Stefan Gläser an. Er bezeichnet den derzeitigen Zustand als „nicht zielführend“. In Zeiten, in denen man von Teilhabe in allen Bereichen spricht, bei jeder Baumaßnahme Barrierefreiheit berücksichtigt, sei der fehlende Bahnbetrieb nicht zu verstehen. „Die Burg ist doch Allgemeineigentum und nicht nur das der sportlich Fitten“, so Gläser.
Enttäuschte Gäste
„Es ist schade, wenn es nur am Geld scheitert“, meint Jürgen Küchler, Vorsitzender des Seniorenbeirats. Er sieht den normalen Linienbetrieb des Burg-Bähnles zumindest als brauchbare Übergangslösung an.
„Für bestimmte Altersgruppen fällt der Besuch der Burg weg“, weiß Karl-Heinz Sommer, seines Zeichens Stadtführer. Er kann „ein Lied davon singen“, wie sehr enttäuscht die Teilnehmer seiner Führungen sind, wenn er ihnen die einzige Möglichkeit, die Burg zu erreichen, offeriert.
Weniger emotional war die Aussage eines Bus-Reiseunternehmens. Im Sommer trafen sich Vertreter der Branche auf der Wertheimer Burg und mussten dabei feststellen, dass der Shuttle-Service nicht mehr existiert. Wie zu hören war, gab es mehrfach die klare Ansage, dass sie Wertheim nicht mehr anfahren wollen, weil deren Klientel der Weg auf die Burg nicht zuzumuten sei.
Der Wertheimer Axel Diehm kann ganz Ähnliches berichten. Er war mit seinem Auto in Balderschwang im Urlaub und parkte neben einem Reisebus. Auf sein Autokennzeichen hin angesprochen, erklärte der Busfahrer, dass er Wertheim nicht mehr in der Route habe, weil er viele ältere Leute fahre.
„Maulkorb“ verpasst
Bei Christiane Förster nachgefragt, ob sich das Fehlen der Bahn bereits in Zahlen niederschlägt, erhielten die Fränkischen Nachrichten folgende Antwort: „Auf ausdrückliche Anweisung des Oberbürgermeisters darf ich in Sachen Gecko-Bahn der Presse gegenüber nichts mehr sagen“, formuliert sie sehr vorsichtig. Auch Burgmanager Christian Schlagers Antwort lautet ganz ähnlich. „Ich darf dazu nichts sagen“, so Schlager.
Oliver Wolters betreibt unter anderem in Heidelberg, Schwerin, Mühlhausen und Bad Kissingen und seit zehn Jahren auch in Wertheim eine Gecko-Bahn. Weil er den Wertheimer Betrieb seit Jahren quer finanzieren musste, bat er 2020 um finanzielle Unterstützung bei der Stadt in Höhe von rund 60 000 Euro pro Jahr.
Im August 2020 lehnte der Gemeinderat in einer nichtöffentlichen Sitzung die Unterstützung der Bahn ab. Als Begründung wurde ein fehlender Einblick in die Bücher moniert.
Wieso nichtöffentlich beraten?
„Wieso hat man das überhaupt in einer nichtöffentlichen Sitzung beschlossen? Dieses Problem tangiert doch ganz Wertheim“, gibt Karl-Heinz Sommer zu bedenken. Die Open-Book-Diskussion hält er für „an den Haaren herbeigezogen“ und regt an, dass sich Verwaltung und Gemeinderäte mit den Stadtführern unterhalten, damit ihnen das Ausmaß der Entscheidung bewusst wird.
Auch gibt er zu bedenken, dass man die Burg gekauft und mit viel Geld teuer saniert habe, um sie den Gästen zu präsentieren.
Wie angekündigt, stellte Wolters den Linienbetrieb auf die Burg und die Stadtrundfahrten mit der Gecko-Bahn im vergangenen Sommer ein (wir berichteten).
Weil noch längerfristige Verträge mit der Reederei Wiking bestehen, ist das Bähnle hin und wieder in Wertheim trotzdem noch zu sehen.
Inzwischen hat die Zahl der Gäste in Wertheim wieder deutlich zugenommen. Und sehr viele von ihnen wollen der Burg einen Besuch abstatten, müssen aber gut zu Fuß sein.
Dass der Stadtverwaltung und den Gemeinderäten dieses Dilemma bekannt ist, davon ist auszugehen. Konkret nachgefragt, unter welchen Umständen man bereit wäre, erneut über eine Subventionierung der Gecko-Bahn nachzudenken, sind nicht alle bereit, darauf zu antworten. Begründung der Gemeinderatsfraktionen: Es habe sich nichts getan. Allerdings formulierte Patrick Schönig für die SPD-Fraktion: „Der Gemeinderat hat über viele Jahre das Burg-Bähnle unterstützt. Sei es direkt finanziell oder auch durch den Ausbau der Burgzufahrt. Leider war das Wagenmaterial oder auch die Zuverlässigkeit des Fahrplans nicht immer optimal.“
Und weiter führte er an: „Ob nach der Corona-Pandemie das Burg-Bähnle einen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaften kann, ist schwer zu beurteilen, da wir als Gemeinderäte ja keinen Einblick in die Kostenrechnung des Betreibers haben. Wichtig ist nun vielmehr, dass wir uns im Gemeinderat über Alternativen zum Burg-Bähnle unterhalten. Da darf es keine Tabus geben.“ Die Ablehnung der Subvention habe er bislang nicht bedauert.
Seriöse Prüfung nötig
„Die Burg ist ein wichtiger Anziehungspunkt der Stadt und zudem ein herausragendes Kulturgut. Um seriös prüfen zu können, ob ein öffentlicher Zuschuss für ein privates Unternehmen angemessen ist, müssen alle Zahlen auf den Tisch der Gremien. Wir denken, dass Transparenz eine wichtige Grundlage für eine öffentlich-private Partnerschaft ist“, so Axel Wältz, Vorsitzender der CDU-Fraktion. Und weiter: „Klar ist auch, dass das wirtschaftliche Risiko auch vom privaten Betreiber getragen werden sollte und ein öffentlicher Zuschuss nur als unterstützende Maßnahme sinnvoll ist. Wir als CDU-Fraktion sind gesprächsbereit. Der Herbst muss genutzt werden, um für alle eine tragbare Lösung zu erarbeiten.“
Wertheims Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez ergänzte: „Der Gemeinderat hat Mitte letzten Jahres, als er über den Nachtragshaushalt 2020 beraten hat, eine Blanko-Bezuschussung der Gecko-Bahn abgelehnt. Diese Entscheidung ist nachvollziehbar, denn es stand eine pauschale Subventionierung des privaten Bahnbetreibers von 60 000 Euro pro Jahr im Raum. Eine tiefergehende Darstellung des privatwirtschaftlichen Betriebs lag und liegt bis heute dem Gemeinderat nicht zur Entscheidung vor.“
Über die Gründe der Ablehnung sagte der Rathaus-Chef außerdem: „Wenn ein gewinnorientierter Privatbetrieb sich nicht rechnet, kann nicht automatisch die öffentliche Hand einstehen. Vielmehr muss das Unternehmen zunächst sein Konzept und seine Kostenstruktur auf den Prüfstand stellen. Für die Stadt als potenziellen Zuschussgeber muss diese Prüfung auch nachvollziehbar sein.“
Herrera Torrez führt weiter an, dass man um die Wichtigkeit der Anbindung wisse. „Ich habe deshalb meine Verwaltung beauftragt, Vorschläge über alternative Betriebsmodelle zu erarbeiten. Die Ergebnisse werde ich dem Gemeinderat zur Beratung vorlegen. Die Stadt wird sich einer Unterstützung nicht generell verschließen, wenn eine intelligente und nachhaltige Lösung gefunden wird.“ Allerdings sei das alles Zukunftsmusik.
Bei Betreiber Oliver Wolters nachgefragt, signalisiert er nach wie vor Gesprächsbereitschaft. „Ich habe diesen Standort immer mit Herzblut betrieben und ich bin der Letzte, der aufgibt“, sagt er.
Dass nun scheinbar doch Überlegungen laufen, um eine Lösung zu finden, hält er grundsätzlich für positiv. „Ob ich dann aber mit dabei bin, vermag ich nicht einzuschätzen“, so Wolters. Auch würde er keinen Groll gegen die Stadt und ihre Entscheider hegen, sollte es eine Lösung ohne ihn geben. Nichtsdestotrotz hofft er auf eine Annäherung.
Nicht nur er. Auch Karl-Heinz Sommer hofft auf eine Fortsetzung. „Die Fahrt mit dem Bähnle war für unsere Gäste immer ein Erlebnis. Es wäre schön, wenn wir sie recht bald wieder anbieten könnten.“
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