Wertheim/Main-Tauber-Kreis. Nach den ersten fast sommerlichen Tagen kam ein Temperatursturz, der die Wein- und Obstbauern mal wieder „eiskalt“ erwischte. Schon im vergangenen Jahr und 2020 mussten die Erzeuger aufgrund von Nachtfrösten um ihre Ernte fürchten. Noch gut in Erinnerung ist der Totalausfall beim Wein im Jahr 2011, als die Mai-Fröste viele Blüten erfrieren ließen.
Wein nicht betroffen
Derzeit scheinen die Weinbauern der Region noch gut davon gekommen zu sein. „Wir haben aktuell keine Schäden zu verzeichnen“, sagt Richard Klüpfel. Er ist Betriebsleiter im elterlichen Betrieb, dem Weingut Oesterlein in Dertingen. Auf rund elf Hektar Fläche baut das Unternehmen 17 verschiedene Rebsorten an, darunter Riesling, Silvaner, Dornfelder und Spätburgunder. „Wir sind deshalb nicht betroffen, weil die Weinrebe erst später austreibt. In zwei Wochen würde das aber schon ganz anders aussehen“, erklärt Klüpfel. Er geht nicht davon aus, dass der Frost den Reben zugesetzt hat. Allerdings können einzelne Augen durchaus durch die Nachtfröste Schaden genommen haben. „Noch sind wir aber nicht durch. Denn wir wissen ja nicht, was die Eisheiligen uns noch bringen werden“, sagt er. „Tritt Frost während des Austriebs auf, sind alle Rebsorten gleichermaßen gefährdet“ so Klüpfel. Maßnahmen, wie beispielsweise eine Frostberegnung, werde man im Weingut Oesterlein unter anderem aus Kostengründen allerdings nicht ergreifen.
Schaden und Maßnahmen
Je nach Obstart, Sorte und Entwicklungsstadium können Frostschäden schon bei 0 Grad Celsius auftreten. Ausschlaggebend für die Größe des Schadens kann neben dem Standort auch die Feuchtigkeit im Boden sein.
Mögliche Maßnahmen sind das Abdecken mit Vlies, Frostberegnung, das Aufstellen von Nachtkerzen oder eine Luftumwälzung mittels Gebläse.
Bei der Frostberegnung werden die Triebe mit Wasser beregnet. Das Wasser gibt seine Wärme an die Knospen ab und bildet eine Eisschicht.
Nachtkerzen: In einem Eimer befindet sich Paraffin, dass bei kritischer Temperatur angezündet wird und Wärme erzeugt. Pro Hektar werden etwa 350 Kerzen benötigt. hei
Entwarnung auch von der Winzergenossenschaft Beckstein, informiert Geschäftsführer Michael Braun. „Die Schönwetterperiode im Februar und März hat dafür gesorgt, dass die Rebstöcke bereits aus ihrem Winterschlaf erwacht sind. Neben den warmen und sonnigen Tagen waren die Nächte sehr kühl und haben verhindert, dass die Knospen ausgetrieben sind. Somit war der Wetterumschwung vom Wochenende mit Schnee und frostigen Temperaturen kein Problem für die Weinberge in unserer Region.“
Knospen mit Schaden
Probleme mit den Nachtfrösten zeigen sich vor allem an Obstbäumen, wie Zwetschge oder Kirsche und auch Apfel, die bereits Knospen angesetzt haben. Auf fast sieben Hektar hat „Obst Baumann“ in Sonderriet neben 6,4 Hektar Apfelbäumen auch Birnen-, Zwetschgen- und Kirschbäume stehen. „Glücklicherweise sind die Äpfel nicht betroffen“, sagt die Inhaberin des Unternehmens, Simone Flicker. Die von ihr begutachteten Knospen sehen passabel aus. Doch Spätschäden an den Früchten sind derzeit noch nicht absehbar, betont sie im Gespräch. Ganz ohne Schaden bei den Äpfeln wird es wahrscheinlich in diesem Jahr nicht abgehen, vermutet Flicker. „Die Zell-Schäden, die durch den Frost an den Blüten entstanden sind, werden wir erst bei der Ernte sehen“, sagt sie. Gemeint sind Fruchtschäden wie berostete Stellen oder ein krummer Wuchs.
Eine „Frostberegnung“ sei als Maßnahme zwar das einzig sinnvolle, gibt die Fachfrau zu. Das ist in ihrem Betrieb jedoch nicht möglich, weil kein Wasser nahe der Anbaufläche vorhanden ist. „Wir müssten einen Brunnen bohren. Aber macht das dann Sinn?“ fragt sie.
Noch vor wenigen Jahren war der Betrieb bei Frostschäden allein auf sich gestellt. Seit ein paar Jahren können die Obstbauern eine Versicherung abschließen, die bei Ernteausfall durch Frostschäden einspringt. „Diese Versicherung hilft wirklich und sie beruhigt auch ein wenig. Früher standen wir dem Problem völlig machtlos gegenüber“, sagt Simone Flicker. Bei den Birnen sind bereits jetzt erste Anzeichen der Schädigung zu sehen. Schwarze Teile im Innern der Knospe lassen nichts Gutes erahnen. „Weil wir nur wenig Birnen haben, ist das verkraftbar“, sagt Simone Flicker.
Verlust noch nicht abschätzbar
Auch Obstbauer Karl Köhler in Reicholzheim rechnet mit deutlichen Frostschäden – vor allem bei Birnen. Die von ihm inspizierten Blüten der Bäume nahe des Firmensitzes waren im Inneren bereits angegriffen. „Ein paar kaputte Blüten sind kein Problem“, meint Köhler. Auch er kann den Schaden momentan noch nicht abschätzen. Obwohl die Bäume im Sommer voll mit Früchten hängen, kann es trotzdem einen Ausfall geben. „Ein mit Narben behafteter Apfel ist keine marktfähige Ware“, erklärt Köhler. Oft bedeutet es sogar mehr Arbeit, weil jeder Apfel begutachtet werden muss.
Markus Behringer vom Obsthof Behringer in Bobstadt blickt zuversichtlich auf die Frostnacht am Wochenende zurück. „Es gibt wohl nur ganz vereinzelt braune Blüten an den Apfelbäumen.“ Erst bei der Fruchtentwicklung im Mai werde sich zeigen, ob sich Frostnasen oder Frostringe bilden als Ergebnis des Winterrückfalls. Noch standen die Bäume nicht in ihre Blüte. Sie befinden sich im Mauser-Stadium, wie Behringer sagt, und kurz vor der grünen Knospe. „In dem Stadium halten sie noch tiefere Temperaturen aus.“ Teilweise ging das Thermometer auf seinen Lagen auf Minus 6 Grad. „Wenn das bei der Blüte passiert, wäre es eine Katastrophe“, sagt der Bobstadter, der zusammen mit seinem Bruder Thomas den Familienbetrieb führt. Zwölf Hektar haben die Behringers allein mit Apfelbäumen bestückt.
Auch die Zwetschgen haben wohl keinen Schaden genommen. Anders sieht es bei den Birnen aus, befürchtet der Obstbauer. Die Frostkontrolle steht hier noch aus, um zu sehen, wie sich die Minus-Grade ausgewirkt haben.
Noch keine Entwarnung
„Die Frostnächte sind noch nicht vorbei“, verweist Behringer auf die Eisheiligen Mitte Mai. Das Zittern kann also noch weitergehen. Schnee sei nicht schlimm, wohl aber die Temperaturen unter Null. Deshalb sei es wichtig, Methoden zu haben, um den „Frost ins Tal abfließen zu lassen“. Das Gras unter den Bäumen kurz halten, ist nur ein „Trick“. Und Behringers überlegen sich, ein Gerät anzuschaffen, um die Anlage von untern her zu benebeln. Auch das würde helfen, sagt der Fachmann.
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