Reicholzheim. Einstimmig stimmte der Reicholzheimer Ortschaftsrat am Donnerstag für einen Aufstellungsbeschluss eines Bebauungsplans für eine Freiflächen-Photovoltaikanlage (PV) auf dem „Klettenacker“ Bronnbach. Die Entscheidung zur Einleitung des Verfahrens liegt nun beim Gemeinderat.
Die Fläche ist im Eigentum des Fürstenhaus Wertheim-Rosenberg. Projektierer für die Maßnahme ist die Firma „wpd think energy“. Dessen Projektmanager Philipp Gantenbein stellte das Vorhaben in der Sitzung ausführlich vor. Das Unternehmen hat sich auf Windkraft- und Fotovoltaikprojekte spezialisiert. Es bietet alle Bereiche von Standortwahl über Begleitung Genehmigungsphase und Finanzierungsplanung bis Umsetzung und Betrieb der Anlagen.
Auf der Fläche „Klettenacker“ in der Nähe des Kloster Bronnbachs sollen auf 18 Hektar Freiflächen-PV-Module installiert werden. Die Fläche ist insgesamt 22 Hektar groß, die Bebauung ergibt sich unter anderem aus dem nötigen Abstand zum Wald. Die Leistung soll bei circa 22 MWp (Megawatt-Peak) liegen, der Stromertrag bei 24 MWh pro Jahr. Damit ließen sich, so Gantenbein, etwa 20 000 Haushalte versorgen. Der Standort zeichne sich durch eine gute Sonneneinstrahlung, die Südlage und die gute Lage und Topografie aus. Er liegt abgelegen vom Wohngebiet und hinter einem Hügel und sei somit kaum einsehbar.
Benachteiligte Fläche
Es handelt sich um eine landwirtschaftlich vollständig benachteiligte Fläche. Dies ermöglicht, so der Vertreter des Projektierers eine Vergütung nach EEG-Gesetz. Zudem gibt es in 3,5 Kilometern Entfernung eine geeignete Hochspannungsleitung für die Einspeisung. An einem Mast dieser Leitung will man dazu ein Umspannwerk errichten. Die Stadt Wertheim profitiere nicht nur bei der Energiebilanz. 90 Prozent der Gewerbesteuer würden nach Wertheim fließen, hinzu komme die freiwillig geleistete Kommunalabgabe von 0,2 Cent/kWh, was rund 48 000 Euro pro Jahr entspricht. 90 Prozent der Anlage werden sich im Eigentum von wpd befinden, zehn Prozent sollen die Stadtwerke Wertheim halten. Es sei eine finanzielle Bürgerbeteiligung vorgesehen. Bürger Wertheims sollen ohne unternehmerisches Risiko in die Anlage investieren können. Vorgesehen ist laut Gantenbein eine festverzinsliche Anlage über fünf bis zehn Jahre mit vier bis fünf Prozent Zinsen jährlich. Auf Nachfrage von Patenstadtrat Bernd Hartmannsgruber erklärte er, der Rahmen für mögliche private Investitionen werde sich etwa zwischen 500 und 20 000 Euro bewegen. Das Bebauungsplanverfahren wird laut Einschätzung des Projektierers etwa eins bis eineinhalb Jahre dauern. Parallel will man weitere Schritte vorbereiten.
Baubeginn für den PV-Park könnte Ende 2025 sein, die Bauzeit betrage drei bis sechs Monate. Zum Einsatz kommen sollen Rammfundamente, die sich wieder entfernen lassen ohne negative Auswirkung auf die Fläche. Bei der gesamten Anlage wolle man, so Gantenbein, auf möglichst recyclebare Materialien setzen. Gantenbein verwies auf die Erholung des Bodens nach Wegfall der landwirtschaftlichen Nutzung. Durch die Nutzung für den PV-Park entstünden auch neue Lebensräume und die Fläche sei naturschutzrechtlich höherwertig als zuvor.
Zusammenarbeit mit Nabu
Man plane die Projekte auch in Zusammenarbeit mit dem Nabu, betonte er. Neben dem PV-Park könnte die Fläche zum Beispiel für die Beweidung mit Schafen oder Gänsen und für Bienenstöcke genutzt werden. Auf Wunsch entwickle wpd auch touristische Elemente unter Einbeziehung der Anlage. Als Ideen nannte er beispielsweise Informationsschilder oder einen Energielehrpfad. Man sei dabei für Ideen aus der Region offen.
Ortsvorsteher Sebastian Sturm berichtete, dass sich das aktuelle Projekt in vielen Punkten von jenem unterscheide, dass der Ortschaftsrat zuvor abgelehnt hatte. Ein Hauptunterschied sei der Standort. Erbprinzessin Dr. Stephanie zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg betonte, dem Fürstenhaus sei wichtig, dass es sich um eine Fläche handelt, die landwirtschaftlich nicht gut nutzbar ist. Man könne auf der Fläche Weidemöglichkeiten bieten. Für diese gebe es eine Nachfrage. Auf Bitte des Ortschaftsrats wurde die Sichtbarkeit der Anlage von verschiedenen zentralen Punkten aus überprüft. Vom Gemeindeverbindungsweg Reicholzheim-Dörlesberg aus soll sie nur leicht sichtbar sein, vom Aussichtpunkt in Uissigheim aus sehe man die in die Waldlandschaft eingebetteten Module und von der Halle des Weinguts Schlör in Reicholzheim sei sie nicht einsehbar, so das Ergebnis.
Ortschaftrat Philipp Trabold sah in der aktuellen Planung einen guten Kompromiss. Ortsvorsteher Sebastian Sturm erklärte, es sei schön, dass die Stadtwerke als heimischer Energieversorger mit an Bord sind und eine Bürgerbeteiligung angedacht ist. Neben der finanziellen Beteiligungsmöglichkeit soll es laut Projektierer Informationsveranstaltungen für die Bürger geben.
Der Reicholzheimer Winzer Konrad Schlör erklärte, die Fläche für die Anlage sei vom Reicholzheimer First aus nicht zu sehen, sie sei von der Lage her perfekt für den PV-Park vor allem wegen der Sonneneinstrahlung. „Mir blutet aber das Herz Ackerfläche dafür aufzugeben.“ Man opfere Natur für die Energiewende. Zuerst müsste man Dächer und Parkplätze mit PV-Anlagen versehen, sagte er.
Beweidungsmöglichkeit
Stefan Beyer, Betriebsleiter des Fürstenhauses Wertheim-Rosenberg berichtete, man habe vor der Flächenfestlegung auch „Südzucker“ befragt, was für sie die landwirtschaftlich schlechteste Fläche im Bereich sei. Man könne nicht widerlegen, dass man Flächen für Lebensmittel für die Stromerzeugung entzieht, räumte er ein. Erbprinzessin Dr. Stephanie zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, als Mitglied der Besitzerfamilie der Fläche, verwies auf die Beweidungsmöglichkeit unter den Anlagen. So könnte zum Beispiel Lammfleisch produziert werden. Weiter sagte sie, vielleicht diene die Verschattung und Beweidung auch zum Schutz des Bodens bei zunehmender Klimaerwärmung.
Ortschaftsrat Markus Hüblein lobte, dass der Projektierer alle Hinweise und Fragen des Ortschaftsrats ernstgenommen habe. Patenstadtrat Bernd Hartmannsgruber erklärte, dem Wertheimer Gemeinderat sei eine Bürgerbeteiligung auch finanzieller Art an der Anlage wichtig.
Bei den Nachfragen aus der Bürgerschaft ging es auch um die Sicherstellung des Rückbaus bei Insolvenz des Betreibers. Beyer erklärte, der Betreiber müsse eine Rückbaubürgschaft ersten Rangs für den Rückbau im Insolvenzfall hinterlegen. Stadtbaumeister Armin Dattler erklärte, man werde die Rückbauverpflichtung mit entsprechender Bürgschaft in den städtebaulichen Vertrag zum Projekt aufnehmen. Auf eine weitere Bürgerfrage wurde erklärt, die Laufzeit des Parks soll bei voraussichtlich 30 Jahren liegen. Dattler sagte, es sei eine zeitliche Befristung des Bebauungsplans rechtlich möglich.
Von Seiten einiger Bürger wurde auch eine generelle Diskussion zu Freiflächen-PV angestoßen. Stadtwerke Geschäftsführer Thomas Beier erklärte, die gleiche Fläche von PV-Paneelen auf Dächern sei wirtschaftlich nicht mit einer Freiflächen-PV-Anlage identisch unter anderem wegen des größeren Installationsaufwands. Er und Dattler betonten zudem, man prüfe bei den bestehenden kommunalen Gebäuden die technische und wirtschaftliche Realisierbarkeit von PV-Anlagen. Bei Neubauten seien sie Standard.
Bei der Überbauung mit Parkplätzen seien die Inhaber gefragt. Beier sagte, solche Flächen anzumieten und PV-Anlagen darauf zu bauen, sei für die Stadtwerke wirtschaftlich nicht möglich.
Neue Poststelle
Auch andere Themen standen auf der Tagesordnung. Mit Schließung des Lebensmittelmarkts in Reicholzheim, fiel auch die dortige Poststelle weg. Als neuen Standort fand man ehemalige Büroräume „Im Ecke 1“. Der Ortschaftsrat stimmte der Nutzungsänderung zu. Die Poststelle kann öffnen, wenn auch die Stadtverwaltung die Nutzungsänderung genehmigt, so Ortsvorsteher Sebastian Sturm. Die Poststelle soll jedoch nur zwei Stunden pro Tag geöffnet haben. Die Deutsche Post sei weiter auf der Suche nach einer Person, die den Betrieb eines Poststelle übernehmen würden, damit längere Öffnungszeiten möglich sind.
Sturm dankte dem VfB und dem RNC Reicholzheim für den Einsatz bei der Aktion saubere Halle und dem Angelverein für die Aktion sauberes Tauberufer. bdg
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