Wertheim. Die Wertheimer Rotkreuzklinik wird in absehbarer Zeit nicht als Haus der Grund- und Regelversorgung für die Bevölkerung des nördlichen Main-Tauber-Kreises und der Umgebung zur Verfügung stehen. Damit laufen sämtliche Bemühungen der Stadt Wertheim ins Leere, die sich in den vergangenen Wochen und Monaten für den Erhalt der Klinik in einer wenn auch abgespeckten Form eingesetzt hatte und grundsätzlich bereit war, das Haus zu übernehmen.
Der Insolvenzverwalter Mark Boddenberg informierte am Donnerstag die Belegschaft in einer Betriebsversammlung darüber, dass das in finanzielle Schwierigkeiten geratene Krankenhaus an den Fachklinikbetreiber Josef Oswald veräußert werden soll. "Es liegt ein bindendes Angebot von Josef Oswald vor", sagte Boddenberg auf Anfrage der Fränkischen Nachrichten. Oswald führt im niederbayerischen Osterhofen eine Fachklinik für Amputationsnachsorge und Schmerztherapie.
Diese Lösung war bereits Ende Januar im Gespräch. Oswald hatte sein Angebot dann jedoch wegen der seiner Ansicht nach negativen Resonanz aus der Belegschaft zurückgezogen. Nun kommt er offenbar doch zum Zuge.
Herrera Torrez: "Frustriert und enttäuscht"
„Ich bin natürlich absolut frustriert und enttäuscht“, sagte Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez über die aktuelle Entwicklung. Die Stadt habe sich Ende November bereiterklärt, das Haus zu übernehmen und die Rahmenbedingungen dafür klargemacht. Die Schwesternschaft München habe lange nicht darauf reagiert und erst im Februar signalisiert, dass sie mit den Rahmenbedingungen einverstanden sei, so der Oberbürgermeister im FN-Gespräch.
Auf dieser Grundlage habe man dann Druck auf die Landesregierung und den Landkreis ausgeübt, die auch Unterstützung für eine städtische Lösung zusagten. In den letzten Wochen sei es zu „sehr konstruktiven Gesprächen“ mit dem Landkreis über die logistische Unterstützung für den angepeilten städtischen Betrieb des Hauses gegeben.
Dass in diesem Stadium die Schwesternschaft nun die Gespräche abbläst, sei für alle, die sich in dem Prozess eingebracht haben „maximal frustrierend“, so Herrera Torrez. Über die genauen Beweggründe für die Hinhaltetaktik der Münchner Organisation ließe sich nur spekulieren.
Am vergangenen Freitag habe es ein Gespräch zwischen Stadtverwaltung, dem Insolvenzverwalter Boddenberg und der Schwesternschaft-Generaloberin Edith Dürr zur Übernahme der Klinik gegeben. Die Stadt habe das konkretisierte Angebot erneut unterbreitet und dabei eine verbindliche Antwort eingefordert. „Generaloberin Edith Dürr hat dieses Angebot nicht angenommen und stattdessen mitgeteilt, dass sie gegenwärtig keine Möglichkeit sieht, dieses Angebot in absehbarer Zeit rechtlich zu bewerten und zu verhandeln“, so der OB.
Kuriose Aussage der Schwesternschaft: Weiter verhandlungsbereit
Die Schwesternschaft stellt den Vorgang anders dar. Man „möchte seit Beginn des Verfahrens und ist bis heute bereit, weiter zu verhandeln“, so ein Sprecher. Für weitere Verhandlungen mit der Stadt seien „nicht alle Voraussetzungen für eine Entscheidungsgrundlage“ geschaffen worden. Um das Krankenhaus durch einen neuen Träger betreiben zu lassen, sei eine Vielzahl an Details zu berücksichtigen. Die von der Stadt abgegebene Absichtserklärung weise zwar zahlreiche Eckpunkte auf, mit denen die Schwesternschaft „dem Grunde nach einverstanden“ sei.
„Allerdings fehlt es an entscheidenden Stellen an Detailtiefe, die für eine ausgereifte Entscheidung erforderlich ist“, so der Sprecher. „Aus diesem Grund benötigt die Schwesternschaft noch mehr Zeit, um Bedingungen zu verhandeln, die eine Gesundheitsversorgung in der Region nachhaltig sicherstellen und umfassend geeignet sind, den Betrieb eines Krankenhauses zu führen“, heißt es aus München. Diese Verhandlungsbereitschaft erscheint allerdings vor dem Hintergrund der Aussagen des Insolvenzverwalters bedeutungslos.
Insolvenzerwalter: Zeit läuft davon
Ein Sprecher Mark Boddenbergs verweist auf die zahlreichen Gespräche der Akteure über die Zukunft der Rotkreuzklinik. „Der Generalhandlungsbevollmächtigte hat vor dem Hintergrund der zeitkritischen Entwicklung festgestellt, dass die Stadt Wertheim und die Schwesternschaft München in der verbleibenden Zeit nicht zu einer Einigung kommen können und damit eine Übernahme der Rotkreuzklinik Wertheim in kommunale Trägerschaft durch die Stadt Wertheim nicht möglich ist“, heißt es. Zwischenzeitlich habe Josef Oswald ein bindendes Angebot für die Übernahme der Klinik unterbreitet.
Im Sinne des Insolvenzrechts sei Boddenberg gesetzlich verpflichtet, die wirtschaftlich beste Lösung für die Gläubiger der Klinik-Gesellschaft umzusetzen. „Dies bedeutet, dass er zum Schutz der Gesamtgläubigerschaft die Entscheidung für den privaten Träger getroffen und damit die Übernahmegespräche mit der öffentlichen Hand abgeschlossen hat“, so der Sprecher. „Die Modalitäten für die künftige Ausgestaltung der Rotkreuzklinik Wertheim als Fachklinik und integrierter Notanlaufstelle werden nun in der kommenden Zeit erörtert und vorbereitet“, so der Sprecher.
Ab Ende Juni Übergangsphase
Die signalisierte Bereitschaft der Schwesternschaft für weitere Gespräche mit der Stadt zu einer Übernahme ergeben in der Summe also kaum einen Sinn. Der Insolvenzverwalter wird das Haus verkaufen. Nach Informationen der Fränkischen Nachrichten soll es eine Übergangszeit geben, die Ende Juni beginnt.
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