Wertheim-Bestenheid. „Nala, hier“, relativ leise spricht Lara Kleinschmidt ihre Hündin an und macht eine kurze Geste. Nala ist ein elfjähriger Border Collie, den Lara aus Island vor einigen Jahren mitbrachte. Gespannt sitzt die Hündin da und hat im Moment nur Augen für ihr Frauchen. „Würfel“, sagt Lara Kleinschmidt und Nala stupst den Würfel mit der Pfote an, so dass dieser sich ordentlich dreht – für die kluge Nala eine der leichtesten Übungen. Sie wurde gezielt dafür ausgebildet, im Kinderheim, im Unterricht in der Schule oder im Kindergarten „als pädagogisches Hilfsmittel“ eingesetzt zu werden. „Dogik“ nennt sich die Schule, die diese Ausbildung anbietet. Das Wort setzt sich aus dem englischen Dog (Hund) und dem deutschen Wort Pädagogik zusammen. Seit 2020 bietet die Wertheimerin Lara Kleinschmidt diese Ausbildung in Kooperation mit Sabine Lederle (Inhaberin) für Hund und Herrchen an.
Angefangen hat Lara Kleinschmidt vor 16 Jahren auf dem Hundeplatz des SV OG Wertheim. Nach der eigenen Ausbildung war sie als ehrenamtliche Übungsleiterin tätig, genauso wie Mutter Michaela und Schwester Nora. Weil viele Situationen in der Trainingseinheit nicht aufgearbeitet werden konnten, bot Lara Kleinschmidt Einzelstunden bei den Hundebesitzern zuhause an Dafür legte sie die Prüfung als Hundetrainerin 2018 ab.
Ausbildung mit Anforderung
Die Wertheimerin ist im Kinderheim in Neubrunn als Sozialpädagogin eingestellt. Ihre beiden Pädagogikbegleithunde dürfen sie regelmäßig dorthin begleiten. Vor drei Jahren machte sie dann die Ausbildung zur Fachkraft für hundegestützte Intervention in Berlin. „Ich wollte als Sozialpädagogin arbeiten, aber ich wollte auch mit meinen Hunden arbeiten“, erklärt sie. „Die praktische Ausbildung dafür habe ich bei ‘Dogik’ in Babenhausen mit meinen Mädels gemacht.“ Mit Mädels meint sie natürlich ihre Hunde Nala und Pixel. „So kam ich zum ersten Mal mit dem Ausbildungsunternehmen in Berührung“, erzählt sie.
„Pixel, Decke“, korrigiert die Ausbilderin die kleine Chihuahua-Hündin ganz ruhig. Ein sanftes und liebevolles „Gut“ folgt als Belohnung für die fünfjährige Hündin. „Konsequenz ist alles“, sagt Lara Kleinschmidt beinahe entschuldigend, weil sie das Gespräch kurz unterbrechen musste. Nun sitzt die kleine Pixel auf der Decke und verfolgt sehr aufmerksam jede Regung ihres Frauchens, während Nala entspannt daneben liegt. Seit Jahren ist Kleinschmidt mit ihren Hunden ein „Pädagogik-Team“. Als Dozentin bei „Dogik“ bildet sie gemeinsam mit Sabine Lederle, der Inhaberin des Unternehmens, Pädagogen wie Lehrer, Erzieher, Sozial- und Sonderpädagogen oder Physiotherapeuten mit ihren Hunden aus, damit diese innerhalb ihrer jeweiligen Tätigkeit mit ihren Hunden arbeiten können.
Die theoretische Ausbildung findet seit diesem Jahr in einem Seminarraum in Hasloch und die Praxis in einer angemieteten Halle in Bestenheid statt. Ziel ist es, im Raum Wertheim ein richtiges Ausbildungszentrum zu eröffnen, in dem sowohl Lara Kleinschmidts Hundeschule, als auch die tiergestützte Ausbildung in Theorie und Praxis abgehalten werden können.
Etwa 50 pädagogische Kräfte und ihre Hunde hat Lara inzwischen gemeinsam mit Sabine Lederle für den Einsatz fit gemacht. Die Auszubildenden kamen dabei unter anderem aus Aschaffenburg, Frankfurt, Wertheim, Miltenberg, und Würzburg. Eine der ersten, die diese Dogik-Ausbildung durchlaufen hat, ist Susanne Keupp, Lehrerin an der Werkrealschule Urphar-Lindelbach. Gemeinsam mit ihren Mischlingshunden Kaya und Kimo bringt sie den Kindern unter anderem das flüssige Lesen bei.
Inzwischen wird an mehreren Wertheimer Schulen oder in Kindergärten tiergestützte Pädagogik angewandt.
Gezahlt werden muss der Kurs aus eigener Tasche. Doch wie Lara Kleinschmidt erklärt, ist es durchaus nicht ungewöhnlich, dass Arbeitgeber oder der Förderverein der Einrichtung sich beteiligen.
„Wir therapieren nicht, sondern nutzen die Hunde tatsächlich für pädagogische Einsätze“, erklärt Lara Kleinschmidt den Unterschied. Es geht also nicht nur darum, dass die Kinder durch die Nähe des Tieres Freude empfinden, motivierter sind und ihr Verhalten anpassen, was ein toller Nebeneffekt ist – sondern auch, dass der Hund aktiver Teil des Unterrichts ist, beispielsweise bei der Aufgabenstellung hilft. Würfelt der Hund eine Drei, wird Aufgabe Nummer Drei gelöst, oder Vokabel Nummer drei übersetzt und angewendet.
Eine Becherreihe steht umgestülpt auf einem Tisch. Unter jedem Becher befinden sich Zettel, auf denen ein Kommando für den Hund steht und eine Vokabel, die es zu lernen gilt. Unter einem Becher wird ein Leckerli versteckt. Hat der Hund diesen Becher gefunden, darf das Kind mit dem Hund das Kommando ausführen, beispielsweise „Pfote geben“, danach lernt das Kind seine Vokabel.
Mit einem Glücksrad, an dem der Hund dreht, lässt sich das Alphabet lernen, und mit dem Würfel das Einmaleins. Der Hund würfelt die Zahlen und die Kinder multiplizieren sie dann. „Hier bestimmt der Hund, welche Aufgaben zu lösen sind“, erklärt die Dogik-Expertin.
Der Ablauf
Um seinen Hund im Unterricht auf diese Art einsetzen zu können, müssen Hund und Besitzer erst einmal ein vierstündiges Orientierungsseminar bestehen. „Da schauen wir dann, ob jemand überhaupt für diese Ausbildung geeignet ist“, so Kleinschmidt.
Im Anschluss belegt Herrchen oder Frauchen einen einjährigen Kompaktkurs, der neun Seminartage mit Theorie und Praxis umfasst und an dessen Ende natürlich eine Prüfung besteht. Den größten Teil macht in dieser Zeit jedoch die eigene Arbeit in der Praxis aus, die filmisch festgehalten werden muss. Die Filme werden von den Ausbilderinnen ausführlich analysiert, um Fehlerquellen zu beheben. Geachtet wird vor allem auf pädagogische Inhalte, aber auch auf die Körpersprache des Menschen und des Hundes und darauf, wie der Hund eingesetzt wird, ob der Vierbeiner Spaß an der Sache hat. Die Ausbildung endet mit einem Zertifikat.
Auch wenn jede pädagogische Fachkraft die tiergestützte Pädagogik anwenden kann, so eignet sich doch nicht jeder Hund dafür. „Aus diesem Grund führen wir das Orientierungsseminar durch, um klar zu unterscheiden, wer sich gut eignet und wer nicht. Hunde, die vor allem Angst haben oder sich sehr aggressiv verhalten, eigenen sich beispielsweise gar nicht“, erklärt die Ausbilderin. Ansonsten sei vom Chihuahua bis zum Mix alles dabei.
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