300-jährige Tradition endet

Die Backöfen bleiben künftig kalt

Vom „Linnebeck“ in Reicholzheim heißt es, endgültig Abschied zu nehmen

Von 
Birger-Daniel Grein
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Mit der Schließung der Bäckerei Oetzel (umgangssprachlich „Linnebeck“ genannt) geht eine lange Familientradition zu Ende. Nicht nur die Reicholzheimer werden die Backwaren und das Miteinander vermissen. © Grein

Reicholzheim. Für die Dorfbewohner und die weiteren Freunde des Reicholzheimer „Linnebeck“ heißt es Abschied nehmen. Die Bäckerei Oetzel in der Richolfstraße schließt endgültig. „Nach über 300 Jahren Backtradition beim Linnebeck bleibt der Ofen wohl künftig kalt“, heißt im Infokanal der Reicholzheimer. „Von unserer Seite bleibt auf jeden Fall ein ,herzliches Danke’ für die vielen leckeren Backwaren und vor allem allerbeste Genesungswünsche“, heißt es im Facebookbeitrag der Ortschaft. An der Tür der Bäckerei hängt ein Zettel mit dem Hinweis, man könne aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr öffnen. „Wir bedanken uns bei Ihnen für ihre langjährige Treue und wünschen Ihnen weiterhin alles Gute“, heißt es in der Nachricht die mit „Ihre Bäckerei Oetzel“ unterschrieben ist.

Ortsvorsteher Sebastian Sturm erklärte im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten, bereits seit Herbst habe die Bäckerei wegen Erkrankung des Inhabers, der auch selbst backt, vorläufig geschlossen. Nun sei klar, Georg Oetzel schaffe es aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zu öffnen. Er sei der einzige gelernte Bäcker im Betrieb gewesen. Einen Nachfolger gebe es nicht. Zwar sei Oetzels Sohn auch Bäckermeister, er arbeite aber als Angestellter und möchte den Betrieb nicht übernehmen, so Sturm.

Für viele ein Einschnitt ins dörfliche Leben

Die Schließung der Bäckerei nach 300 Jahren Familientradition sei ein Einschnitt für das Dorf. Es gebe bei Tante M zwar eine Alternative mit regionalen Backwaren der Bäckerei Göpfert, Oetzel sei aber auch ein einheimischer Bäcker gewesen.

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Mit der Schließung der Bäckerei gebe es in der Richolfstraße des Dorfs jetzt einen weiteren Leerstand. Sie war die alte Hauptstraße des Dorfs und so etwas wie dessen Lebensader. „Früher gab es dort Volksbank und Sparkasse, zwei Bäcker, einen Lebensmittelladen, zwei Metzger und zwei Gaststätten.“ Heute seien es nur noch ein Metzger und eine Gaststätte. „Die Richolfstraße blutet aus“, bedauerte Sturm. Schade findet er die Schließung zudem, weil damit eine Familientradition über zahlreiche Generationen zu Ende gehe.

Auch für Waldenhausen war der „Linnebeck“ sehr wichtig. Ortsvorsteher Gerrit Lang erklärte, dessen Schließung treffe das Dorf ziemlich eiskalt. Mehr als die Hälfte der Waldenhäuser hätten seine Backwaren schon ihr ganzes Leben genossen. Er gehöre seit Generationen dazu. Früher sei ein Vorfahre von Oetzel mit der Pferdekutsche nach Waldenhausen gekommen und habe dort seine Backwaren verkauft.

Georg Oetzels Onkel sei dann über Jahrzehnte als fahrender Bäcker jeden Mittwoch und Samstag nach Waldenhausen gekommen. Selbst die Bewohner mittleren Alters, zu denen Lang gehört, seien mit dem „Linnebeck“ groß geworden. Nachdem er nicht mehr ins Dorf kam, habe man die Brötchen fürs Dorf bei der Bäckerei in Reicholzheim abgeholt.

Jene, die noch mobil waren, hätten es sich aber nicht nehmen lassen, selbst jeden Samstag sich beim „Linnebeck“ in die Schlange zu stellen und ihre Backwaren zu holen. „Es war Nostalgie und Brauchtum“, betonte er.

Gerne erinnert sich Lang auch an Krapfenaktionen, die man gemeinsam mit der Bäckerei am Faschingsdienstag machte. Zum Schluss habe man dabei bis zu 1500 Krapfen mit Oetzel gebacken. Dieses Miteinander und seine Backwaren würden dem Dorf sehr schmerzlich fehlen, betonte Lang. Ergänzend berichtete er: „Der Name ,Linnebeck’ steht für Bäcker unter den Linden.“ Früher standen gegenüber der Bäckerei Lindenbäume, die ihr den Namen gaben.“

Georg Oetzel selbst war trotz mehrerer Versuche bis zur Fertigstellung des Artikels für ein Statement nicht zu erreichen.

Freier Autor

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