Natur

Deshalb wird in Wertheim Jagd auf Kormorane gemacht

Der Kormoran sorgt am Bodensee immer wieder für Diskussionen. In der Region Odenwald-Tauber war es um den Wasservogel zuletzt ruhig. Für die hiesigen Angler ist der Appetit des Vogels jedoch nach wie vor ein Problem.

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Katharina Buchholz
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Vis a vis zur Wertheimer Burg machen zwei Kormorane auf den Ästen eines absterbenden Baums Rast. Einer der beiden Vögel trocknet sein Gefieder. © Buchholz

Wertheim/Kreuzwertheim. Seit mehr als einer Stunde sitzt Claudia Leimeister an der Uferböschung des Mains unweit der Kreuzwertheimer Kläranlage. Dicht neben ihr ragt der Stamm einer alten Erle empor. Die Äste des Baums geben der Jägerin Deckung. Das Braun ihres Parkas verschmilzt mit der Farbe des dörren Grases. Ihr Gesicht verbirgt sie hinter einer Sturmmaske in Tarnfarben. Sie versucht, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Jedes Zucken könnte die Jägerin verraten. Konzentriert schaut sie auf den Main hinaus. Am Wertheimer Ufer zetern zwei Nilgänse. Die großen schwarzen Vögel, auf die Leimeister mit ihrem Gewehr wartet, sind nicht zu sehen.

„Die Jagd auf den Kormoran ist eine sehr mühsame und anspruchsvolle. Der Kormoran ist ein sehr intelligentes Tier, er sieht uns Jäger oft früher als wir ihn. Außerdem müssen wir hier sehr auf unsere Umgebung achten, um Spaziergänger oder Radfahrer nicht zu gefährden“, erklärt Steven Gerstenberger flüsternd. Der 55-Jährige Jagdpächter beobachtet die Szenerie aus einem Gebüsch in einigen Metern Entfernung. Sieben Jäger haben auf seine Einladung hin an einem Sonntagmorgen Anfang März entlang des Mains zwischen Haslocher und der alten Mainbrücke in Kreuzwertheim Position bezogen. Ihr Ziel: Kormorane erlegen.

Mit der Jagd auf die Wasservögel unterstützen die Jäger aus Kreuzwertheim die Angler der Wertheimer Fischer- und Schiffergenossenschaft. Letzteren ist der große Appetit der Vögel auf Fisch ein Dorn im Auge. „Die Kormorane sind wegen ihrer Anzahl für uns ein echtes Problem. Durch die Jagd können wir sie auf einem Stand halten“, begründet Heinrich Kreßmann, Vorsitzender der Fischer- und Schiffergenossenschaft, die Notwendigkeit der Jagd.

„Der Kormoran sorgt für immense Schäden. Ein Vogel frisst pro Tag zwischen 400 und 600 Gramm Fisch. Zudem verletzt er bei der Jagd Fische, die später verenden, so dass man von 500 Gramm Fisch pro Tag und Vogel ausgehen kann. Ein Kormoran, der nur über den Winter bei uns ist, verbraucht während 150 Tagen Aufenthalt also rund 75 Kilogramm Fisch“, rechnet Eduard Michel vor. Der Angler und Jäger aus dem bayerischen Triefenstein beschäftigt sich seit Jahren mit dem Vogel. Er koordiniert die Jagd auf den Kormoran, die in den Wintermonaten am Main zwischen Rothenfels bei Marktheidenfeld und Wertheim an einheitlichen Terminen und zu abgesprochenen Uhrzeiten stattfindet. Die jeweiligen Jagdpächter geben die festgelegten Termine an befreundete Jäger weiter. „Ich melde die Jagd in meinem Revier jeweils bei der Polizei in Wertheim und Marktheidenfeld an, um Missverständnisse zu vermeiden“, beschreibt Jagdpächter Gerstenberger das weitere Vorgehen.

Untere Naturschutzbehörde

Anzahl der Wintergäste variiert von Jahr zu Jahr

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kabu
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Die Jagd selbst läuft immer ähnlich ab: Während sich die Jäger auf ihren Posten entlang des Mains – teilweise bis auf Höhe des Campingplatzes in Urphar – verteilen, fährt ein Boot der Fischzunft auf den Main hinaus. Dieses erfüllt zwei Aufgaben: Die Männer im Boot bergen abgeschossene Vögel, wenn diese von den Apportierhunden nicht erreicht werden können. Außerdem sorgt das Boot im Wasser für Unruhe, so dass die Kormorane auffliegen und sich schließlich in den Bäumen niederlassen. „Im Wasser und auch im Flug sind die Kormorane schwer zu schießen. Am zuverlässigsten ist der Schuss von unten auf einen Vogel, der im Baum sitzt und sein Gefieder trocknet“, beschreibt Gerstenberger die Taktik der Jäger.

Hunderte Vögel im Baum

Die Kormoran-Saison am Main bei Wertheim beginnt meist Anfang Oktober. „Plötzlich sind sie da“, beschreibt Heinrich Kreßmann das alljährliche Schauspiel am Main. Teilweise zu Hunderten säßen die Vögel dann in ihren Schlafbäumen – beispielsweise am Ufer gegenüber der Bestenheider Schrebergärten. Die Schlafbäume der Kormorane sind deutlich zu erkennen, da der Kot der Vögel die Rinde weiß färbt. Eine Hochrechnung des Bayerischen Landesamtes für Umwelt anhand von Schlafplätzen der Kormorane beziffert den Durchschnittsbestand der Vögel in ganz Unterfranken in der Wintersaison 2020/21 (Oktober bis März) auf knapp unter 1500 Tiere. Dabei wurde auch ein Schlafplatz bei Urphar/Bettingen mit durchschnittlich 127 Vögeln berücksichtigt.

Neben den Wintergästen, die ankommen, kurz nachdem die Gewässer in den skandinavischen Habitaten zufrieren, beobachten die Fischer Kormorane, die hierzulande heimisch geworden sind. „Das wollten wir eigentlich verhindern, aber es ist nicht gelungen“, bedauert Kreßmann. „Ursprünglich war der Kormoran am Main nicht anzutreffen. Das zeigt eine 200 Jahre alte Aufzeichnung zu fischfressenden Tieren, die dem Fischereiverband Unterfranken vorliegt“, betont Michel. Dass der Kormoran generell als heimische Art geführt werde, könne er deshalb nicht nachvollziehen.

Claudia Leimeister sitzt dicht am Stamm einer Erle. Dort haben die intelligenten Kormorane es schwerer, die Jägerin zu entdecken. © Katharina Buchholz

Den ersten Kormoran in freier Wildbahn beobachtete Michel in den 1980er Jahren auf dem Trennfelder Baggersee. „Ich habe mich gefreut. Es hat Spaß gemacht, dem Tier zu zusehen. Der Kormoran ist ein geschickter Jäger“, erinnert sich Michel. Sehr lange hielt die Freude über den Gast jedoch nicht an: Die Bestände nahmen stark zu. Ganze Fischjahrgänge seien vernichtet worden, sagt der Angler. Handhabe gegen den Vogel hatten die Fischer zunächst keine. Die Jagd war verboten, da der Kormoran als bedrohte Tierart galt. In den folgenden Jahrzehnten wechselte der Schutzstatus und die Jagd wurde unter Auflagen gestattet. Heute dürfen erwachsene Kormorane in Baden-Württemberg von 16. August bis 15. März und in Bayern zwischen 1. September und 1. April gejagt werden.

„Die Saison ist eigentlich vorbei. Die Vögel, die jetzt noch da sind, leben hier. Die Zugvögel sind weg“, weiß Michel. Insgesamt können die Fischer auf eine ruhige Kormoransaison zurückblicken. Aufgrund des milden Winters, so schätzt Michel, kamen weniger Zugvögel an den Main. Die Wertheimer Fischer freuten sich zudem über das tagelange Hochwasser. „Da das Wasser trübe war, konnten die Kormorane nicht fischen und zogen sich auf andere Gewässer zurück“, sagt Kreßmann.

Die Kormorane kommen oft aus skandinavischen Ländern, wie die Beringungen belegen. © Katharina Buchholz

Nach zwei Stunden am Mainufer packt Claudia Leihmeister ihre Sachen zusammen. Die Nilgänse zetern weiterhin und Kormorane ließen sich bis auf drei Überflieger nicht blicken. Die sechste und letzte Kormoranjagd der Saison ist beendet. „Heute war es sehr ruhig. Das Boot der Fischerzunft konnte nicht starten, weil der Tank gestohlen wurde. Außerdem war nur ein Schiff unterwegs“, beschreibt Gerstenberger die Situation. Dass in diesem Winter weniger Vögel am Main waren, macht sich in der Bilanz der Jäger bemerkbar. „Wir haben weniger geschossen als in anderen Jahren Aber: Wir sind zufrieden und ich denke, die Fischer sind das mit uns auch.“

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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