Bettingen. Ralf Tschöp kommt quer über den Sportplatz zur „Alten Schule“ gelaufen. Seine Kleidung ist etwas staubig. Er muss erst dicke Arbeitshandschuhe ausziehen, bevor er die Tür aufschließen kann. Der Ortsvorsteher und ein paar Freiwillige sind immer noch dabei, kleine und größere „Schätzchen“ aus den vielen Gebäuden und Kellern der Schweizer Stuben zu bergen.
Nach mehrfachem Eigentümerwechsel und immer wieder neuen Plänen für dieses Areal kaufte die Stadt Wertheim das 3,6 Hektar große Gelände. „Das war auch gut so. Denn nun hat die Stadt die Planungshoheit und kann darüber bestimmen, was damit wird“, sagt Tschöp.
Bis März dieses Jahres hatten die Vorbesitzer nun Zeit, die Objekte besenrein für die Übergabe an die Stadt herzurichten. „Bei einer ersten Besichtigung wurde schnell klar, hier gibt es noch viele kleine und größere Schätzchen zu bergen“, erzählt der Ortsvorsteher. Mit der Bitte, genau dies tun zu dürfen, sei man dann an die Stadt herangetreten.
„Viele Bettinger haben nach der Schließung oft den Wunsch nach einem Souvenir aus dem renommierten Haus geäußert“, erinnert sich Tschöp. Weil der Erlös aus dem Flohmarkt der Allgemeinheit zugutekommen soll, stimmte die Verwaltung diesem Vorhaben zu.
Seit einigen Wochen sind nun Mitglieder des Ortschaftsrats und der Vereine dabei, aus den Gebäuden alles heraus zu räumen, was sich auf einem Flohmarkt verkaufen lässt. Coronakonform in kleine Gruppen eingeteilt, nahm sich jeder Trupp einen zugewiesenen Bereich vor. „Wir gucken in jede Ecke, jeden Winkel, krabbeln mit Stirnlampen in jedem Keller rum, um zusammenzusuchen, was verwertbar ist“, so Tschöp. Natürlich habe man „Fachleute“, also erprobte Flohmarktgänger dabei, die genau wissen, was sich noch gut verkaufen lässt.
Schier unendlich viele Messinglampen, Geschirr, Gläser, Vasen, Eierbecher von einem Designer kreiert, Tische, 70-er-Jahre-Stühle, alte Holzkisten, Sessel mit Volants, große Spiegel mit dicken Eichenrahmen, 60er-Jahre-Deckenlampen und sogar ein kleiner Koch als Dekofigur mit Schriftzug „Schweizer Stuben“ finden sich in den inzwischen vollgestopften Räumen der „Alten Schule“ wieder. „Das ist noch längst nicht alles“, lacht Tschöp. Allein an diesem Mittwochnachmittag haben die Helfer in kurzer Zeit wieder einen großen Hänger mit vielen Fundstücken gefüllt.
Neben einem knallroten Teppichkehrer, einer Kiste voller weißer Alfi-Thermoskannen, Hinweisschildern, weißen Tischdecken und Weihnachtsdeko wurde aus den „Katakomben“ unter den Schweizer Stuben beispielsweise ein alter Schrank mit Bierlasur zutage gefördert. Der riesige Kronleuchter stammt aus dem Landhaus 2 und die daneben stehende mechanische Personenwaage hatte früher im Saunabereich ihren Stammplatz.
Die Suche nach dem Schlüssel
Auch ein kleiner Tresor wurde geborgen. Damit dieser genauso wie alle anderen Gegenstände verkauft werden kann, musste erst einmal der passende Schlüssel aus einem Eimer voller Schlüssel gefunden werden. „Die Jungs saßen wirklich ein paar Stunden vor dem Tresor, bis sie den richtigen hatten“, erinnert sich Ralf Tschöp.
Ob nagelneue Bilderlampen, Osterdekoration oder Biergläser, jedes nur erdenkliche Fundstück soll am Samstag auf dem Flohmarkt rund um die Mainwiesenhalle verkauft werden.
Der Erlös, so der Ortsvorsteher soll dann der Gründung der Naturkindergruppe zugutekommen. Kommt diese wegen mangelnden Interesses nicht zustande, fließt das Geld in den Kindergarten, versichert der Ortsvorsteher.
Dabei klopft er sich mit den Handschuhen den Staub aus der Hose, richtet seine Mütze, schaut sich noch einmal in den vollgestopften Räumen um, schließt zufrieden die Tür und geht dann wieder über den Sportplatz Richtung Schweizer Stuben. Noch bis Samstagmorgen wollen die Bettinger die „Schätzchen“ dort bergen.
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