Die Stadt nutzt ihr Vorkaufsrecht, um das Gelände der ehemaligen „Schweizer Stuben“ zu erwerben. Manch einer vermutet, der Eigentümer wolle die Stadt übers Ohr hauen.
Wertheim. Die Stadt will sich das Gelände der ehemaligen „Schweizer Stuben“ sichern und zu einem Baugebiet entwickeln. Ein im vergangenen Jahr geschlossenes Vorkaufsrecht (wir berichteten) macht dies möglich, weil mittelweile der Eigentümer den Verkauf notariell vollzogen hat. Die Stadt kann in das Geschäft hineingrätschen.
Allerdings herrschte am Montag bei der Debatte nicht die – sonst übliche – Einigkeit. Thomas Wettengel (Bürgereliste), bezweifelte, dass Wertheim das Grundstück benötige. Er vermute, dass „uns jemand auf den Arm nimmt“. Einer wolle das Grundstück „unbedingt loswerden“, einer oder zwei andere wollen es „angeblich“ kaufen, mutmaßte Wettengel. Momentan dürfe auf dem Areal nur ein Hotel betrieben werden, was die neuen Eigentümer in Wahrheit nie und nimmer umsetzen würden.
„Wir lassen uns veräppeln“
„Für mich ist das ein Scheingeschäft, zumal der Eigentümer einen Streifen behalten wolle. „Wir kaufen das Gelände, machen aus dem Sondergebiet ein Wohngebiet, und dann darf der Verkäufer auf seiner restlichen Fläche auch Wohnungen bauen. So kommt es mir vor“, warnte Wettengel nachdrücklich und ergänzte: „Das ganze hat für mich mehr als ein Geschmäckle.“ Wettengel riet, mit dem Kauf zu warten, weil der Preis zu einem späteren Zeitpunkt „wesentlich günstiger“ sein würde. In die gleiche Kerbe schlug sein Fraktionskollege Stefan Kempf: „Wir lassen uns veräppeln.“ Nie und nimmer würde der neue Eigentümer ein Hotel betreiben, auch weil einen „Steinwurf entfernt (auf dem Almosenberg) gerade ein neues Hotel gebaut würde. Das Grundstück wäre unter normalen Umständen der Stadt nur die Hälfte wert.
Egon Schäfer, CDU-Stadtrat und Ortsvorsteher von Lindelbach, bemängelte ebenfalls den hohen Kaufpreis (siehe Info-Kasten). 40 bis 45 Euro würde das Areal pro Quadratmeter kosten. Üblicherweise zahle die Stadt lediglich etwa 20 Euro für Bauerwartungsland auf den Ortschaften.
Schäfer ist besorgt, die Preise für Bauland in den anderen Ortschaften könnten steigen. „Die dummen Bäuerle werden nicht sagen: ,Wir geben Euch die Fläche für 18 Euro’. Die wollen dann auch 40 Euro.“ Er habe die Befürchtung, die umliegenden Ortschaften in den nächsten Jahren kein Baugebiet mehr bekommen.
Neben den Bauplatzpreisen würden in der Folge auch die Mieten steigen. Die Grundstückspreise könnten seiner Einschätzung nach auf 250 Euro hochschnellen. Die hohen Mieten würden schließlich dazu führen, dass die Stadt in den sozialen Wohnungsbau einsteigen müsse.
Keine Signalwirkung
Patrick Schönig (SPD) dagegen sprach von einer „Entwicklungschance, die man trotz des hohen Preises nicht liegenlassen“ könne.
Das Baugebiet werde, was den Preis angeht, eine Sonderstellung einnehmen. Das dürfe keine Signalwirkung haben und zum Maßstab werden.
Innenentwicklung
Für das Baugebiet spreche, so Richard Diehm (Grüne), dass es sich um eine „echte Innenentwicklung“ handele, bei der keine neuen Flächen verbraucht würden. Zudem habe das Regierungspräsidium der Außenfinanzierung zugestimmt. Das Risiko sei überschaubar, weil die Grundstücke wegen des hohen Bedarfs schnell Käufer finden würden.
Auch Michael Althaus (CDU) ging davon aus, dass die Parzellen trotz des zu erwartenden hohen Quadratmeterpreises rasch verkauft werden können. Die gute Anbindung an die Autobahn sei ein Alleinstellungsmerkmal. Allerdings müsste die Infrastruktur des Ortes, zum Beispiel Kita-Kapazitäten, angepasst werden.
„Logische Konsequenz“
Songrit Breuninger (Freie Bürger) bezeichnete es als „logische Konsequenz, die Option zu ziehen“. Man müsse das „Heft des Handelns in die Hand zu nehmen“. Bettingen habe an anderer Stelle kaum Möglichkeiten zu wachsen. Der Zuzug von Unternehmen wie Warema schaffe zusätzlichen Bedarf. Sie befürchtet keine negativen Folgen für die umliegenden Ortschaften, wenn die Erschließung in Etappen realisiert werde.
Drei Gegenstimmen
Stadtbaumeister Armin Dattler geht ebenso von einer anhaltenden Nachfrage aus: „Es gibt einen Druck aus Würzburg. Dort kann man die Preise für Bauland kaum mehr bezahlen.“ In Richtung Wettengel und Kempf sagte Dattler: „Es könne durchaus sein, dass es sich bei dem jetzt vorliegenden Kaufvertrag um ein inszeniertes Geschäft handele“.
Wenn man jetzt nicht handele, könne der jetzige Zustand viele Jahre andauern. „Dann hat man kein Risiko, aber auch keine Entscheidungsmöglichkeiten“.
Gegen die Stimmen von Egon Schäfer, Stefan Kempf und Thomas Wettengel beschloss der Gemeinderat schließlich, das Vorkaufsrecht zu nutzen.
Hintergrund: Kauf des Geländes der „Schweizer Stuben“
Das Gelände der früheren „Schweizer Stuben“ umfasst 36 100 Quadratmeter (entspricht knapp fünf Fußballfeldern).
Die Bauten auf dem Gelände (Hotel- und Restaurantgebäude, Sporthalle) müssen dafür abgerissen werden.
Der Kaufpreis für das Gelände liegt bei 1,7 Millionen Euro. Dazu kommen die Kosten für den Abriss der bestehenden Gebäude.
OB Markus Herrera Torrez rechnet damit, dass hier 200 Menschen eine neue Heimat finden könnten.
Das Bauland werde etwa 183 pro Quadratmeter kosten.
Es sollen nach und nach Reihenhäuser und mehrgeschossige Wohnungsbauten entstehen.
Der Kauf soll über eine Außenfinanzierung vollzogen werden. Der Haushalt würde somit im besten Fall nicht zusätzlich belastet. wei
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