Wertheim/Mosbach. Im Zivilprozess um Baupfusch an einem Haus im Hofgarten fand vor dem Mosbacher Landgericht am Donnerstag eine weitere Verhandlung statt.
Zur Erinnerung: Jens Müller, der einen Pflegedienst samt Tagespflege betreibt, wollte ein größeres Gebäude im Wertheimer Stadtteil umbauen, um dort mehrere Einheiten für betreutes Wohnen und Beatmungspatienten einzurichten, zusätzlich zu einer privaten Wohnung. Nach einem Wasserschaden im November 2018, verursacht durch unzulängliche Arbeiten am Dach, steht die Baustelle still. Müller verklagte das ausführende Unternehmen und seinen Architekten auf Schadensersatz.
Insgesamt geht es um fast eine Million Euro – Tendenz steigend, da sich die wirtschaftlichen Verluste immer weiter aufsummieren und Verzugszinsen hinzukommen (wir berichteten). Das Landgericht setzte am Donnerstag die Beweisaufnahme fort. Als Zeuge erschien Diplom-Ingenieur Peter Müller, der für eine der Versicherungen der Beklagten die von einem Schimmelexperten festgestellten Schäden überprüfen sollte. Müller: „Die von dem Sachverständigen festgestellten Schäden konnten plausibilisiert werden“, sagte Müller nun vor Gericht.
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Zwei Notabdichtungen auf der errichteten Holzkonstruktion für das Dach hätten versagt. Bei der Prüfung sei auch ein Handwerker der Dachdeckerfirma dabei gewesen und habe bestätigt, dass die fehlerhafte Abdichtung zu dem Schaden im gesamten Haus geführt hat. Möglicherweise sei die Temperatur bei der Verklebung der Folien zu niedrig gewesen, so dass sie nicht dicht war und an mehreren Stellen das Niederschlagswasser nicht aufhalten konnte. „Hätte man sofort mit der Trocknung begonnen“, so der Zeuge, „wäre das Gebäude zu retten gewesen.“ Er habe allen Beteiligten klargemacht, dass schnelles Handeln erforderlich sei. Dies ist bekanntlich nicht erfolgt. Dafür sei der Architekt verantwortlich gewesen.
„Entscheidungsreif“
Bernhard Gurges, Anwalt des Dachdeckers, brachte ins Spiel, dass die Feuchtigkeit an den Wänden möglicherweise wegen der fehlenden Fenster verursacht worden sei. „Das kann nicht sein“, widersprach der Zeuge. Richterin Susanne Wunderlich stellte nach der Aussage klar, dass für sie die Angelegenheit „eigentlich entscheidungsreif“ sei und zog damit die Daumenschrauben für die Beklagtenseite etwas fester an, um sie zu einem Vergleich zu bewegen. Weitere Gutachten seien nicht notwendig.
Die Herausforderung: Wenn sie eine Entscheidung fälle, umfasse das Urteil nur einen Teilbereich des Schadens, nämlich die eingeklagte Vorschussleistung. Eine endgültiger Schlussstrich hingegen hätte den Vorteil, dass Jens Müller sein Haus sanieren könne. Der wirtschaftliche Schaden vergrößere sich mit der Zeit immer mehr: „Jeder Tag kostet Geld!“
Nun kam es wie schon in der vorherigen Sitzung im April zu einer Basar-Situation. Die Klägerseite machte durchaus Zugeständnisse, ob der eindeutigen Beweislage aber nicht all zu viele. Richterin Wunderlich riet Jens Müller davon ab, seine Position allzu emotional vorzutragen. Das helfe bei Vergleichsverhandlungen nicht unbedingt.
Der Anwalt des Architekten zierte sich arg. Die Forderungen seien für seinen Mandanten „wirtschaftlich nicht darstellbar“. Dessen Versicherungssumme sei begrenzt, sagte Markus Bermanseder. Man sei bereit, eine Summe bis zu dieser Begrenzung einzubringen, benötige dafür aber eine „deutlich höhere Beteiligung“ der Assekuranz des Dachdeckerunternehmens. Übersetzt: Der Architekt müsste mit seinem privaten Vermögen haften. Das wollen er und sein Anwalt vermeiden.
Bei der vorgesehenen Haftungsaufteilung (ein Viertel trägt die Dachdeckerfirma, drei Viertel die Architekten beziehungsweise deren Versicherungen) müsse sich etwas ändern. „Das Geld haben wir nicht“, erklärte Bermanseder und drohte: „Da nehme ich im Zweifel lieber eine Verurteilung in Kauf und führe den Prozess weiter.“
Jens Müller entgegnete, es könne nicht sein, dass er wegen wirtschaftlicher Probleme des Architekten selbst in eine solche gerate. Bernd Kober, Anwalt des Klägers, ergänzte: „Der Bauherr kann nichts für die Begrenzung der Haftpflichtsumme“.
Richterin Wunderlich ließ an der Hauptschuld des Architekten keinen Zweifel. Der habe veranlasst, dass trotz Feuchtigkeit weitergebaut wurde – mit der Schimmelbildung als Folge, trug sie vehement vor.
Vergleich oder Urteil
Der Architekt warf noch in den Raum, dass der Kläger als Kompensation ihm bei einer Sanierung „die Rechnungen geben“ oder, wie Bermanseder formulierte, „Auftraggeber von Leistungen“ sein könnte. An dieser Stelle wollte der Architekt wohl von der Vorsteuerabzugsfähigkeit profitieren. „Daran wollen wir uns nicht beteiligen“, sagte Anwalt Kober und Jens Müller frage ironisch: „Soll der Staat das finanzieren?“ Die Parteien haben nun vier Woche Zeit, um sich zu einigen. Sollte das nicht geschehen, wird die Richterin einen Termin für die Verkündung ihrer Entscheidung bekanntgeben.
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