Ehemalige Synagoge Wenkheim

Verschiedenste Lebens-Facetten beleuchtet

Ann-Kathrin Schneider las aus Lebenserfahrungen von Rose Ausländer

Von 
rei
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Die Rezitatorin Ann-Kathrin Schneider begeisterte zusammen mit der Musikpädagogin Stephanie Mittnacht bei der musikalischen Rose-Ausländer-Vorlesung in der ehemaligen Synagoge in Wenkheim. © Klaus Reinhart

Wenkheim. Nach Eröffnung der christlich orientierten Ausstellung „Phönix“ mit Bildern des Künstlers Björn Hauschild, mit der der Verein „die schul“ Gedenkstätte Synagoge Wenkheim, sich in das Spannungsfeld Judentum-Christentum gewagt hatte, kehrte der Verein „die schul“ in Zusammenarbeit mit der evangelischen Erwachsenenbildung bei der musikalischen Lesung über die deutschsprachige jüdische Lyrikerin Rose Ausländer wieder in das dem historischen Gebäude angepasste jüdische Gefilde zurück.

Im hervorragenden Ambiente der noch laufenden Ausstellung „Phönix“, Gemälden des Künstlers Björn Hauschild, stand das Leben und Werk von Rose Ausländer, geborene Scherzer, einer der bedeutendsten deutschen Lyrikerinnen im Mittelpunkt. Sie wurde 1901 in Czernowitz, damals zu Österreich-Ungarn gehörig, geboren. 1916 floh sie mit ihrer Familie vor der zweiten russischen Besetzung nach Budapest. Von dort zog sie später nach Wien, wo sie zur Kaufmännin ausgebildet wurde. 1920 kehrte sie in das inzwischen rumänisch gewordene Czernowitz zurück. Dort studierte sie unter anderem Literatur und Philosophie, brach das Studium ab und ging 1921 in die USA. Hier begann ihre schriftstellerische Tätigkeit, 1927 erschienen ihre ersten Gedichte. Es sollten in ihrem gesamten Leben mehr als 5000 werden. Öfters wechselte sie von den USA nach Europa. Infolge der politischen Umgestaltungen in Europa wurde sie 1940 sowjetische Staatsbürgerin und vom NKWD als angebliche amerikanische Spionin verhaftet. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion wurde Rose Ausländer ins Ghetto von Czernowitz gesperrt, überlebte wie durch ein Wunder und wurde 1944 von der Roten Armee befreit. Von 1946 bis 1964 lebte sie erneut in den USA, kehrte aber wieder nach Europa zurück. Sie lebte kurz in Wien und bis zu ihrem Tod 1988 in Düsseldorf.

Dieses bewegte Leben spiegelte sich in der gesamten Vorlesung wieder. Die Rezitatorin Ann-Kathrin Schneider, ausgebildete Theaterpädagogin an der Akademie für darstellende Kunst in Ulm, verstand es, aufschlussreich sowie unterhaltsam verschiedenste Facetten des Lebens von Rose Ausländer zu beleuchten. Dabei überzeugte sie mit einer erfrischenden und glasklaren Sprechtechnik, wie man sie nur selten zu hören bekommt und rezitierte aus Gedichten, welche die Gefühlswelt von Rose Ausländer mit all ihren positiven und negativen Lebenserfahrungen und Hoffnungen in den zahlreichen Lebensabschnitten (Studium, Verfolgung, Flucht, Heimkehr, dichterisches Schaffen, Seniorenheim, Blick auf den Tod) wiedergaben. Die Zuhörer konnten erfahren, dass sie trotz vieler widriger Umstände, dem Leben viel Positives abgewinnen konnte. Es half ihr, dass sie sich an Kleinigkeiten in der Natur, in der Gesellschaft und dem Zusammenleben der Menschen erfreute. Bis zu ihrem Tod veröffentliche sie zahlreiche Gedichtbände, die hohe Auflagen erreichten. Ann-Kathrin Schneider zog das Publikum in ihren Bann. „Man hätte eine Stecknadel fallen hören.“

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Für einen weiteren Höhepunkt sorgte Musikpädagogin Stephanie Mittnacht, eine leidenschaftliche Blockflötistin, ausgebildet an der Universität Würzburg. Mit ihrem vielseitigen Repertoire, das sie mit Musikstücken zwischen den Vorlesungsblöcken passend zu den vorgetragenen Themen darbot, begeisterte sie ebenso das Publikum. Im Vorlesungsteil „Die kostbare Zeit -Das Reifen des Alters“ trug sie die bekannte Weise von Sholom Secunda: „Bei mir bistu schein“ (Ich finde dich hübsch) vor. Das Original wurde 1932 für ein jiddisches Musical geschrieben.

Im Ausblick „Die Ewigkeit der Vergänglichkeit“ spielte sie ein Stück des bekannten holländischen Blockflötenvirtuose Jacob van Eyck (1590-1657): „Engels Nachtegaeltje“. Am Ende der musikalischen Rose- Ausländer -Vorlesung gab es tosenden Beifall und eine weitere, virtuos vorgetragene Zugabe. rei

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