Werbach. Während seine Frau Karen und seine Mitarbeiterinnen an diesem Mittag die letzten Kunden vor der verdienten Mittagspause bedienen, sitzt Metzgermeister Jürgen Sendelbach nebenan in der Küche. In der Hand hält er ein zwei Seiten langes Schreiben für seine Kunden, dass den Entschluss, die Metzgerei Sendelbach zu schließen, erklärt.
Es sei nicht ein besonderer, sondern gleich mehrere Gründe, die zu dieser Entscheidung geführt haben, sagt Sendelbach. Und so steht es auch in dem Schreiben.
An erster Stelle würden die gesundheitlichen Aspekte stehen, gefolgt von einem Personal- und Fachkräftemangel. Von seinen sechs Angestellten sind eigentlich schon ein paar Damen in Rente oder würden im kommenden Jahr in Rente gehen, erklärt der Metzgermeister. Eine weitere Mitarbeiterin habe sich für einen neuen Berufsweg entschieden. Und so müsste man mindestens drei Verkäuferinnen innerhalb kürzester Zeit ersetzen, was eine echte Herausforderung in dieser Zeit wäre. Den Ausfall selbst abfangen, obwohl bereits jetzt schon kräftig mit zufassen, das könne und wolle man auch nicht mehr.
Auch ein fehlender Nachfolger führte zu dem Entschluss. Auf die Frage, ob nicht ein anderer Metzger das Ruder in die Hand nehmen könne, sagt der Geschäftsinhaber: „Alle, die die Probleme im Handwerk miterleben, also wissen, worauf sie sich einlassen würden, sind nicht mehr gewillt, diese Verantwortung und die immensen Aufgaben zu übernehmen.“
Kosten extrem gestiegen
Zu der bereits angespannten Situation kamen inzwischen die deutlich gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe. Diese würden ein wirtschaftliches Handeln schwierig machen. „Mit Beginn des Ukraine-Kriegs starteten für uns die zwei schwersten Jahre“, sagt Jürgen Sendelbach. Seine Frau nickt zustimmend. „Wir haben durch die Bank bis zu 40 Prozent höhere Einkaufspreise über das gesamte Sortiment, vom Fleisch bis zu den Gewürzen.“ Allein für 30 Kilogramm Gewürze müsse die Metzgerei inzwischen rund eintausend Euro bezahlen. „Alle Kostensteigerungen kann ich nicht umlegen. Die Kunden haben doch die gleichen Probleme. Und wenn dann zusätzlich die großen Discounter mit ihren günstigen Preisen am Markt sind, haben wir einfach keine Chance mehr“, sagt Jürgen Sendelbach. Resignation ist ihm dabei nicht anzumerken. Dafür hat er sich schon zu lange mit dem Thema auseinandergesetzt. „Nichts ist beständiger als der Wandel“, sagt er auf die Frage, ob ihm diese grundsätzliche Entwicklung Sorge bereite. „Es wird niemand verhungern. „Die Industrie fängt das ab“, sagt er ohne Wehklagen.
Das schwindende Ansehen des Handwerks dagegen macht ihn nachdenklich. Sendelbach spricht sogar von einer Entwertung, wenn der Wunsch eines Jugendlichen beispielsweise nach einer Metzgerlehre mit dem Satz „Lern lieber etwas Gescheites, geh studieren“ abgewehrt wird. „Das Wissen um das Handwerk geht verloren“, sagt er. „Ich habe 18 Jahre darum gekämpft, aber es ist kein Ergebnis da.“
Die Wertschätzung gegenüber der Metzgerzunft und dem Handwerk sei in der Gesellschaft deutlich gesunken, konstatiert er. Bis in die 80er Jahre erfüllte jeder Bäcker und Metzger im Ort seinen Teil als wichtiger und regionaler Versorger. Doch immer mehr große Discounter drängen auf den Markt. In Sendelbachs Augen gehen dadurch diese wichtigen ländlichen Strukturen verloren.
Auch die ständige Kritik am Fleischmarkt und die sich aktuell stark verändernden Essgewohnheiten gibt Sendelbach als Herausforderung an. „Fleisch ist uncool geworden“, sagt er. Dies würde sich am Ende auch auf die Bereitschaft auswirken, das Fleischerhandwerk zu erlernen.
Von 2003 bis 2021 war Jürgen Sendelbach Obermeister der Fleischerinnung im Main-Tauber-Kreis. Besonders in dieser Funktion habe er jahrelang mit all seinen Kräften versucht, gegen diesen Trend zu steuern, hat Kooperationen mit der ähnlich leidvoll geplagtem Bäckerinnung zustande gebracht, um das Handwerk im Kreis zu halten. „Wir waren so viele und jetzt sind wir nur noch eine Handvoll“, resümiert er und zuckt fast hilflos mit den Schultern.
Überbordende Bürokratie
Als weiteren Punkt, der den Metzgerbetrieb auf eine harte Probe stellt, führt der 55-jährige Metzgermeister die inzwischen überbordende Bürokratie an. „Außerdem müssten wir sanieren“, zählt er als letztes Argument auf. Seiner Frau Karen ist die Emotion anzumerken. „Mir bricht das Herz“ gibt sie zu. Dass der Schritt den beiden Sendelbachs nicht leichtfiel, liegt auf der Hand. Immerhin führte Jürgen Sendelbach mit sehr großem Erfolg und enormem Kundenzuspruch in dritter Generation – nach Großvater Emil und Vater Fritz – das Unternehmen in Werbach.
Zur Eröffnung der Metzgerei 1937 war der Handel von Mangel geprägt. Etwa drei Schweine pro Jahr wurden damals geschlachtet. „Zu Spitzenzeiten haben wir, als wir noch selbst schlachteten, bis zu zehn Schweine pro Woche geschlachtet“, erinnert sich der Handwerksmeister. Die zu verarbeitende Fleischmenge ist trotz der Aufgabe der eigenen Schlachterei bis jetzt gleichgeblieben.
Sehr genau habe man sich auch den Zeitpunkt der Schließung überlegt. Für das arbeitsintensive Weihnachtsgeschäft würde einfach das Personal fehlen.
„Man schließt nicht einfach zu!“, sagt Jürgen Sendelbach am Ende doch ein wenig emotional, und meint damit nicht nur die umfängliche Abwicklung des Geschäfts.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/werbach_artikel,-werbach-metzgerei-sendelbach-in-werbach-schliesst-nach-88-jahren-fuer-immer-_arid,2234857.html