Weikersheim. Auf sympathische Weise wurde deutlich, dass sich die Werte, für die der musikalische Jugendverband steht, nicht an der Anzahl der Musizierenden oder der Virtuosität eines sinfonischen Programms bemisst, und auch in kleiner Besetzung spürbar klingt. Zugleich ließ die Preisverleihung aufscheinen, dass die Aktivitäten der Jeunesses Musicales Deutschland, die mit der Musikakademie in Weikersheim ihr Wirkungszentrum hat, mit ihren deutschlandweit beheimateten Mitgliedern weiter reichen als es in Weikersheim sichtbar wird.
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Erst drei Tage zuvor hatten sich die jugendlichen Musiker und Musikerinnen kennengelernt, kamen sie doch als Botschafter ihrer heimatlichen Orchester aus ganz Deutschland zum „Finale“ zusammen. In der kurzer Zeit hatten sie mit Dirigent Martin Lentz ein musikalisches Programm erarbeitet, das sie selbst und die Zuhörer im Saal emotional berührte: Den Auftakt machte eine vom Ensemble mit Martin Lentz selbst entwickeltes Konzeptkomposition „Bereavement“ die die bedrückende Gefühlslage angesichts der weltpolitischen Lage auf beklemmende Weise zum Ausdruck brachte. Durchaus traurig auch das ukrainische Volkslied „Zeit zur Heimkehr“ und die Titelmusik zum Film „La Califfa“ von Ennio Morricone. Doch stand dem zum Abschluss auch die beschwingte der Shumka Nr. 1 von Vasily Prisovsky gegenüber. Denn trotz allem sollten an diesem Morgen die Jugendlichen und ihre Orchester für ihr Engagement gefeiert werden.
Jugendorchester aus dem Bundesgebiet hatten sich um den Deutschen Jugendorchesterpreis der JMD beworben. Von diesen waren insgesamt 13 Ensembles aus Neustrelitz, Filderstadt, Sasbach, Erfurt, Stuttgart, Bremen, Mannheim, Hamburg, dem Hochsauerlandkreis, Nürtingen, Bruchsal und Schwerin nominiert worden. In der Tauberphilharmonie mit dem ersten Preis und 3000 Euro ausgezeichnet wurde das Jugendsinfonieorchester Mannheim. Zwei zweite Preise in Höhe von je 2000 Euro gingen an das Jugendsinfonieorchester Schwerin und das Jugendsinfonieorchester Stuttgart.
Aktiv beteiligt
Die JMD vergibt ihre Auszeichnung neben der musikalischen Qualität und kreativen Umsetzung eines Programms auch dafür, dass Jugendliche aktiv an der Umsetzung des Konzertprojekts beteiligt sind. So hatten sich die Orchestermitglieder des Jugendsinfonieorchesters Mannheim in einer beispielhaften Teamwork-Leistung mit unterschiedlichen „Facetten der Macht“ auseinandergesetzt und ein dramaturgisch wie musikalisch überzeugendes Multimedia-Konzert auf die Beine gestellt. Die Jugendlichen des JSO Stuttgart warfen die Frage auf, ob die digitalen Kontaktmöglichkeiten in Corona-Lockdown-Zeiten soziale Nähe ermöglichen oder doch nur simulieren. Ein erfundener Whatsapp-Gruppenchat bildete die Rahmenhandlung für ihr Konzert, in dem sie unter anderem ein symphonisches „TikTok Medley“ spielten. Das Jugendsinfonieorchester Schwerin hatte ein mit Videobeiträgen begleitetes Programm mit Werken ausschließlich Schweriner Komponisten gespielt, der älteste 1550 geboren und die jüngste ein 17-jähriges Mitglied des Orchesters. Die Kurzpräsentationen aller nominierten Konzertprojekte durch die Jugendlichen zeichneten ein Bild unterschiedlichster Ideen und kreativer Umsetzungen.In seiner Würdigung wandte sich JMD-Präsident Johannes Freyer direkt an die Jugendlichen: „Sich einsetzen für’s Orchester – gerade in der schwierigen Zeiten der letzten beiden Jahre habt ihr in beeindruckender Weise gezeigt, welch unverzichtbarer Mehr-Wert es ist, als Ensemble gemeinsam mit anderen Musik zu machen.“ Tatsächlich hatten die Corona-Situation Orchesterleiter und -Mitgliedern enormes Durchhaltevermögen, Flexibilität abverlangt, und trotz des enormen organisatorischen Mehraufwands konnten vier der geplanten Projekte letztlich doch nicht verwirklicht werden. Beim den Wettbewerb abschließenden JOP-Camp und der Preisverleihung führte die aktuelle Krankheitswelle erneut zu zahlreichen Absagen und dazu, dass nur die erwähnte „kleine Besetzung“ zusammen gekommen war.
Unterstützung wichtig
Dies schmälerte nicht den Wert des Projekts. In den Statements und ihrem gemeinsamen Auftritt war spürbar, wie wichtig es für die Jugendlichen war, dass die JMD an der Durchführung des Deutschen Jugendorchesterpreises festgehalten und die Teams darüber hinaus außerdem während ihrer Vorbereitungen mit umfassenden Materialien, Coachings per Video oder, wo möglich, auch vor Ort unterstützt hatte. Der eingeräumte Spielraum und die um ein halbes Jahr verlängerte Wertungsphase setzte bei den Jugendlichen Kreativität frei und den Mut, neue Proben- und Konzertformen zu finden. Im Falle des Gewinnerorchesters sogar ein völlig neues Format: Die JSO Mannheim spielte sein Konzert live, das zahlreiche Publikum aber war ausschließlich per Live-Stream zugeschaltet.
Für diese Wirkung eines starken Empowerments junger Menschen wird der Wettbewerb der JMD seit vielen Jahren durch das Bundesjugendministerium, die Deutsche Bank Stiftung und die Deutsche Orchestervereinigung gefördert und durch die Partnerverbänden in Bereich der musikalischen Jugendbildung kommunikativ begleitet. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg betonte Freyer, umso bewusster bleibe es das Ziel seiner Organisation, durch Projekte mit und für junge Musiker aktiv zu einer Haltung beizutragen, mit der Menschen friedlich zusammen leben und freundschaftlich verbunden sind – in Deutschland, in der Ukraine, in Russland und überall auf dieser Welt. Auch das Publikum der Preisverleihung das am Sonntagmorgen zwar nicht allzu zahlreich war, brachte seine Anerkennung, für das Projekt und das Engagement der Jugendlichen mit seinem umso größeren langanhaltenden Applaus zum Ausdruck.
In einem aktuell veröffentlichen Statement, das auch dem Programm der Preisverleihung beigelegt war, verurteilt die JMD, selbst unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg als Teil einer internationale Jugendbewegung mit dem Ziel der friedlichen Verständigung gegründet, den kriegerischen Überfall Russlands auf die Ukraine auf schärfte. Darin ruft sie junge Musiker und ihre 300 Jugendorchester dazu auf, für die Menschen in der Ukraine und die von dort Geflüchteten Solidarität und Hilfsbereitschaft in jeder Form zu üben. Und die Jugendorchester zeigen Herz und Courage: Bereits Anfang März hatten etwa die beiden für den JOP nominierten JMD-Mitgliedsorchester in Bremen an einem großen Benefizkonzert mitgewirkt und über 25 000 Euro Spendengelder gesammelt. Auch das Bundesjugendorchester hat eine große Hilfsaktion für sein ukrainisches Partnerorchester ins Leben gerufen, bei der bereits über 100 000 Euro zusammen gekommen sind. JMD
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