Weikersheim/Bad Mergentheim. Schon vor der Verhandlung wurde klar: Hier ist etwas Ungewöhnliches angesetzt. Denn vor dem Verhandlungssaal des Amtsgerichts Bad Mergentheim, wo normalerweise höchstens ein paar Zuschauer oder Zeugen warten, standen mehrere bewaffnete Justizbeamte.
Der Blick auf den Aushang lässt den Grund vermuten: Ein „Verstoß gegen das Waffengesetz“ sollte verhandelt werden, offenbar sah Amtsgerichtsdirektorin Susanne Friedl in diesem Zusammenhang Bedarf an erhöhten Sicherheitsvorkehrungen.
Im Saal dann die Angeklagte B. Sie wirkte entschlossen, wie sie da allein zwischen dicken Ordnern voller Unterlagen saß. Einen Anwalt hatte sie nicht, dieser ist bei Vorwürfen mit einer Straferwartung unter einem Jahr am Amtsgericht auch nicht zwingend erforderlich.
Die Staatsanwaltschaft Ellwangen warf der Frau vorsätzlichen unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Waffe, weiterer Schusswaffen, einer Armbrust sowie tausenden Schuss Munition vor. Sie soll diese an ihrem Wohnsitz im Weikersheimer Gemeindegebiet auch dann noch aufbewahrt haben, als ihr seitens des Landratsamtes die Berechtigungen dazu rechtskräftig entzogen wurden.
Probleme mit der Angeklagten begannen nach Konflikt mit Schornsteinfeger
Seit 2014 war die 51-Jährige im Besitz einer Waffenbesitzkarte, besaß zudem eine Jagderlaubnis. Probleme gab es erst Jahre später, entzogen wurde ihr die Waffenerlaubnis 2022. Nach Rechtsstreitigkeiten stellten Polizei und SEK im Rahmen einer großangelegten Razzia samt Drohneneinsatz im Dezember 2023 die Waffen sicher.
Doch wie kam es dazu? „Es ging los mit einem Betrug durch den Bezirksschornsteinfeger“, begann die Angeklagte zu erklären. Vermeintlich zu häufig durchgeführte Kontrollen störten die Angeklagte, die Situation eskalierte schließlich. Im Mai 2021 beantragte sie schließlich einen großen Waffenschein, da sie sich vom Bezirksschornsteinfeger bedroht fühlte.
Ein Waffenschein wegen Bedrohung durch einen Schornsteinfeger? Da wurde Richterin Friedl stutzig. Doch B. beharrte auf der Darstellung, die Lage habe sich „aufgeschaukelt“, daher wollte sie den großen Waffenschein. Diese Darstellung schien jedoch auch der zuständigen Waffenbehörde nicht wirklich schlüssig, sie forderte die Frau dazu auf, ihre geistige Eignung prüfen zu lassen. Auch, um weiterhin die Waffenbesitzkarte sowie den kleinen Waffenschein führen zu dürfen.
Angeklagte beharrte durchgehend auf einem Amtsarzt
Genau an diesem Punkt wurde es nun strittig. Denn die Begutachtung muss laut Gesetz durch einen entsprechend qualifizierten Amts- oder Facharzt, wahlweise auch durch einen Psychiater, erfolgen. Der Waffenbesitzer muss dann gegenüber der Waffenbehörde den Gutachter benennen und später das Gutachten vorlegen.
Die Angeklagte bestand jedoch stur auf einem Amtsarzt. Das Problem: Das Landratsamt des Main-Tauber-Kreises hat(te) keinen fachlich qualifizierten Mediziner, der ein solches psychiatrisches Gutachten hätte anfertigen können. Dies teilte man der Frau auch mehrfach mit. Statt sich daraufhin jedoch einen anderen Arzt zu suchen, verlangte sie, dass das Gesundheitsamt ihr einen Termin bei einem geeigneten Arzt „koordinierend“ vermittelt. Bis heute unternahm sie demnach nichts, wenngleich sie zur Begutachtung bereit sei.
„Keinen Anspruch auf jede staatliche Leistung“
Vor Gericht gab es hierzu langatmige Diskussionen zwischen Richterin Friedl und der 51-Jährigen. Letztere beharrte darauf, dass man ihr den Amtsarzt nicht verweigern könne, wenn er sogar an erster Stelle im Gesetz stehe. Friedl dazu: „Man hat keinen Anspruch auf jede staatliche Leistung. Das Gesundheitsamt hat einfach keinen Facharzt für Psychiatrie, wir können selbst als Gericht keine entsprechenden Aufträge dorthin schicken.“
Friedl verglich die Problematik mit Kitaplätzen. Selbst wenn es einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz gäbe, so seien manchmal schlichtweg keine Plätze in einer Kommune verfügbar. „Dann müssen Eltern eben selbst tätig werden und anderweitig einen Platz finden“, verglich Friedl. Ob bewusst gewählt oder nicht: Je länger die kreisförmigen Diskussionen mit der Angeklagten andauerten, umso passender erschien der Vergleich mit Kindergärten...
Streit ging bis vor den Verwaltungsgerichtshof
Zumal diese müßige Diskussion bereits rechtlich abschließend beurteilt wurde. Klagen der B. vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) wurden abgewiesen, die Einziehung der Waffen als solche war rechtmäßig. Die etwas seltsame Argumentation der Angeklagten dazu: Da sie trotz Gesetzesverweis auf einen Amtsarzt keinen bekommen könne, seien auch andere Gesetze oder Urteile – wie das des VGH – in Frage zu ziehen. „Wer sagt mir denn, dass dieses Gesetz stimmt? Einmal wird ein Gesetz wortwörtlich ausgelegt und einmal nicht, das geht nicht. Ein Gesetz muss doch stimmen, sonst stimmt alles nicht“, rief sie hörbar erregt.
Phasenweise war die Weikersheimerin kaum zu bremsen. „Sie legen die Gesetze nur dann wortwörtlich aus, wenn es Ihnen passt“, warf sie Friedl vor. Und weiter: „Hier ist eine Clique von Verfassungsfeinden am Werk, vom Schornsteinfeger bis zum Verwaltungsgericht“. Das ganze Vorgehen des Amtes sei „falsch und unverschämt“, sie habe nicht gegen das Waffengesetz verstoßen.
Das sah die Staatsanwaltschaft anders. Insgesamt sah sie eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, für eine größere Zahl an Waffen und Munition für angebracht.
Friedl folgte in ihrem Urteil der Staatsanwaltschaft: Zehn Monate Haft, ausgesetzt zur Bewährung, sowie eine Geldauflage von 1000 Euro wegen unerlaubten Besitzes von Waffen und Munition. „Es gibt zurecht hohe Ansprüche an Waffenträger. Gerade mit einer halbautomatischen Waffe kann man sehr viel anrichten“, begründete sie ihr Urteil. Der Verurteilten fehle es an „geistiger Flexibilität“, auch in der Verhandlung beharre sie weiter auf dem Amtsarzt. Sie lasse eine gewisse Unzuverlässigkeit erkennen.
„Sie machen sich die Welt, wie sie sich gefällt und wenn sie Ihnen mal nicht gefällt, gehen Sie in eine Verweigerungshaltung. Sie müssen aber, wie jeder Mensch, auch mal etwas akzeptieren, was Ihnen nicht gefällt.“ Der Besitz von Waffen sei illegal gewesen und die Angeklagte habe das gewusst. Zugleich empfahl sie ihr einen Besuch beim Psychologen, da sie psychische Probleme sah.
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