Bad Mergentheim/Ellwangen. Im Prozess um die Messerattacke auf dem Bad Mergentheimer Würth-Areal gibt es nun ein Urteil. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Ellwangen, eigentlich zuständig für versuchte und erfolgte Tötungsdelikte, verurteilte einen Bad Mergentheimer lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung.
Wie kam es dazu? Hier hilft ein Blick in die Vorgeschichte des Falls. Die Tat ereignete sich Mitte Mai 2024 auf dem Würth-Areal. Der Haftbefehl wurde wegen versuchten Totschlags ausgestellt, die spätere Anklage der Staatsanwaltschaft Ellwangen lautete jedoch ’nur’ auf gefährliche Körperverletzung.
Sie klagte die Tat auch nicht am Landgericht Ellwangen, sondern vor dem Bad Mergentheimer Schöffengericht an. Dieses ist für Taten mit einer Straferwartung zwischen zwei und vier Jahren Freiheitsstrafe zuständig und damit noch unterhalb der Strafkammer des Landgerichts angesiedelt.
Dort wurde das Verfahren auch eröffnet. Das Schöffengericht um Amtsgerichtspräsidentin Susanne Friedl kam jedoch nach Anhörung einiger Zeugen zu der Ansicht, dass ein „bedingter Tötungsvorsatz“ bei der Tat des Angeklagten D. vorlag. Somit ein Sachverhalt für die Schwurgerichtskammer in Ellwangen, dorthin verwies das Schöffengericht den Fall dann auch.
In Ellwangen begann der Prozessnun letztlich aufs Neue. Oberstaatsanwalt Jörg Böhmer beschuldigte den Angeklagten auch weiterhin der gefährlichen Körperverletzung, nachdem dieser seinem Arbeitskollegen einen längeren Schnitt am Hals durch ein Cuttermesser beibrachte.
Warum nimmt der Angeklagte nach erster Attacke den Hammer?
„Vom Anblick der Wunde her könnte man den Eindruck gewinnen, Sie wollten dem Geschädigten die Kehle durchschneiden“, schilderte Richter Martin Honold seinen Eindruck. Auch der Vorsitzende Richter Bernhard Fritsch sah Ungereimtheiten: „Was war denn das Ziel der Handlung, wenn Sie ihn nicht töten wollten?“ Auch in Ellwangen bestritt der Angeklagte eine Tötungsabsicht. Das Messer sei „ein Hilfsmittel“, weil er Angst vor dem körperlich überlegenen Arbeitskollegen gehabt habe. Die Wunde sei durch eine Abwehrbewegung mit dem Messer entstanden, einen gezielten Halsschnitt verneint der Angeklagte.
„Wenn Sie Angst vor Ihrem Kollegen hatten, wieso nehmen Sie dann einen Hammer und wollen nochmal auf ihn los? Das passt nicht“, ließ Fritsch nicht locker. „Das ist nur aus Wut geschehen“, erklärte der Angeklagte.
Inwiefern Äußerungen wie „Ich bringe dich um“ oder „Du musst sterben“ während der Tat fielen, ließ sich in Ellwangen nicht eindeutig klären. Während der Angeklagte einen solchen Satz beim späteren Greifen des Hammers einräumt, will er ihn bei der Messerattacke nicht gesagt haben.
Gericht sieht Geschädigten als mitverantwortlich
Oberstaatsanwalt Böhmer sah seine anfängliche Meinung bestätigt. „Es war eine Auseinandersetzung am Arbeitsplatz, die in eine körperliche Auseinandersetzung überging“, beschrieb er den Vorgang mit Blick auf die Schilderungen des Angeklagten und dessen Vorgesetzten, die beide von wiederholten Konflikten zwischen Angeklagtem und Geschädigtem berichteten.
Eine Tötungsabsicht sei „nicht erkennbar“, zumal die Verletzung „letztlich ein Kratzer am Hals ist“. Die spätere Bedrohung mit dem Hammer sei aufgrund großen Abstands zwischen D. und Geschädigtem ebenfalls bloß als Drohung zu werten. Zwei Jahre Haft, ausgesetzt zur Bewährung, hielt er angesichts des „Ausreißers“ für angemessen. Dem schloss sich Verteidiger Frank Gangl an, er verwies zudem darauf, dass sein Mandant für den „bitteren Fehler“ bereits mit sechs Monaten Untersuchungshaft gebüßt habe.
Dem schloss sich das Schwurgericht an. „Der Angeklagte hatte sich nach der Provokation durch den Geschädigten nicht ausreichend unter Kontrolle. Man hat sich gegenseitig genervt, wobei der Geschädigte die Hauptschuld trägt“, so Richter Fritsch. Nach dem Vorwurf der Lüge durch den Geschädigten habe der Angeklagte, sonst ein „ruhiger und guter Arbeiter“, den Kopf verloren. Für die Ansicht des Schöffengerichts, in der Tat einen Tötungsvorsatz zu erkennen, hatte er kein Verständnis. Weder in der Art der Tat noch in den Verletzungen könne man einen Tötungsvorsatz erkennen. „Auch entsprechende Äußerungen sind hierfür nicht ausreichend, andernfalls wären versuchte Tötungsdelikte ein Massendelikt, da so etwas oft gesagt wird“, begründete Fritsch das Urteil weiter.
Aufgrund einer positiven Prognose, vorbildlicher Integration und „weil der Angeklagte mit der U-Haft die Folgen seines Versagens schon gespürt hat“, hielt das Gericht die Aussetzung der zweijährigen Haftstrafe zur Bewährung ohne weitere Auflagen ebenfalls für angemessen. Das Urteil wurde durch Verzicht auf Rechtsmittel rechtskräftig.
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Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar Die Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung ist völlig unverständlich