Weikersheim. Akustisch top und energetisch nachhaltig ist die Tauberphilharmonie schon. Jetzt soll sie noch barrierefreier und klimaneutraler werden. Das Veranstaltungshaus plant einen Kulturwald.
Bei dem Neubau am Tauberufer haben die Planer bereits auf eine nachhaltige Bauweise und eine Energieversorgung durch Geothermie gesetzt. Doch da geht noch mehr im Sinne der Nutzer – nämlich vor allem der Weikersheimer Einwohner und der Bürger im Landkreis, findet Intendant Johannes Mnich. Zwei auf den ersten Blick ungewöhnliche Förderanträge hat er gestellt. Und die wurden auch bewilligt. Das gab Mnich vor kurzem vor dem Gemeinderat bekannt. Doch was verbirgt sich hinter den Geldern für Barrierefreiheit und Klimaschutz? Die FN-Redaktion hat den Komplex im Gespräch vertieft.
Wer an Barrierefreiheit denkt, dem kommen vor allem Rollstuhlfahrer in den Sinn. Doch das Thema ist weitaus umfassender – und es dient letztlich der Teilhabe von ganz verschiedenen Besuchergruppen am Konzert- und Veranstaltungshaus. „Wo kommt unser Publikum her?“, diese Frage beschäftigt Mnich stetig. Dass ein „Haus für alle“ auch technisch für alle betretbar sein muss, das versteht sich. Doch es gibt auch noch andere Einschränkungs-Felder und Handicaps.
Information in „Leichter Sprache“
Ganz basal soll die öffentliche Präsenz der Tauberphilharmonie (z.B. die Webseite) barrierefrei werden. Manche Menschen, auch solche aus anderen Nationen, tun sich schwer mit dem Lesen von Informationen, weil sie zu „schwer“ formuliert sind. „Leichte Sprache“ist in diesem Zusammenhang eine speziell geregelte einfache Sprache. Dabei zielt die Ausdrucksweise auf die besonders leichte Verständlichkeit.
Seit 2006 gibt es für die Leichte Sprache auch ein offizielles Regelwerk. Für eine Zertifizierung werden Texte durch Menschen mit Lernschwierigkeiten gelesen, redigiert und freigegeben. Hier plant die Tauberphilharmonie eine Anpassung bzw. Erweiterung seiner analogen und digitalen Kanäle.
Speziell für Höreingeschränkte ist eine Richtfunkanlage vorgesehen. „Die ist hörgerätekompatibel“, erklärt Mnich. Mit einem vor Ort entleihbaren Gerät können Konzertbesucher unbeschwert einen optimalen Klang im Ohr genießen.
Auch zum Kreisbehindertenbeauftragten hat Johannes Mnich Kontakt. Eine rollstuhl- und rollatortaugliche Rampe gibt es an der Westfront bereits. Doch der Blick eines Nicht-Eingeschränkten reicht für die Beurteilung nicht aus. Es sei vom Architekten an jede Menge Details gedacht worden, aber der Behindertenbeauftragte habe trotzdem noch Verbesserungsmöglichkeiten gefunden. Markierungen an der Rampe helfen künftig etwa Seheingeschränkten.
Diese Analysen und Maßnahmen kosten Geld, deshalb ist man für Zuschüsse dankbar. Doch das „Sich-Öffnen für alle Menschen“ versteht Johannes Mnich als eine Art Dauerprogramm des Veranstaltungshauses. Deshalb ist er immer auf der Suche nach Optimierung und geht gezielt auf Bevölkerungsgruppen zu. Ein Chorprogramm wie das mit „Singer pur“ am 3. Dezember? Mnich plant so etwas nicht einfach und wartet ab, sondern er offeriert seine Ideen potenziellen Besuchern, in diesem Fall Gesangvereinen. Wer einmal kommt, der ist wahrscheinlich am Ende eines mitreißenden Konzerts ein guter Multiplikator. Und das gehört auch zur Barrierefreiheit – der Blick auf solche Menschen, die vielleicht eine gewisse Scheu vor dem Betreten des markanten Baus haben. Die müssen niederschwellig abgeholt werden. Mit einem Seniorencafé, einem Kinderkonzert oder einer Kleiderbörse.
Auch beim Klima „aktiv gestalten“
In Konkurrenz mit anderen Kulturmachern sieht sich Johannes Mnich dabei übrigens nicht: „Ich sage Besuchern immer: Gehen Sie auch zu Veranstaltungen bei sich vor Ort hin.“ Kultur, das sei etwas, das sich erweitert schlicht „in der Gesellschaft“ abspiele. In Weikersheim speziell, da soll sie „Teil der Stadtgesellschaft“ sein, hält Mnich fest. Und weil sich eben die Bürger im Programm wiederfinden sollen, dürfe die Philharmonie nie ein „schwarzes Ufo“ am Stadteingang sein, sondern für alle ein „Ort des Mehrwerts“.
Reagieren auf die Klimakrise: Für viele Menschen ist das Phänomen weit weg, man fühlt sich ausgeliefert. Dabei kann und muss jeder etwas tun. Stadt und Veranstaltungshaus wollen Vorbild sein, Stichwort „Kulturwald“. Vor dem Projekt liegt aber eine Analyse-Strecke: Wie nachhaltig ist die Philharmonie – trotz Geothermie – wirklich? Eines ist nämlich auch klar: Veranstaltungen fressen Strom, Anreisende verbrauchen Kraftstoff. „Wir brauchen eine Klimabilanz“, sagt Mnich.
Bäume auf Stadt-Flurstücke
In enger Abstimmung mit der Stadt, die zahlreiche kaum genutzte Flurstücke besitzt, sollen als Ausgleichsmaßnahme Bäume gepflanzt werden. Verursachte Treibhausgase sollen sich über die Pflanzungen kompensiert. „Ich kann doch nicht einfach sagen, dass wir hier tolle Veranstaltungssäle haben und der Rest drumherum ist mir egal“, wird Mnich deutlich. „Wir sind aktiver Gestalter der Stadt“ und deshalb müsse man sich auch in Sachen Klimaschutz klar positionieren.
Obstbäume, Haselnusshecken, Tier-Refugien – da stecken auch eine mögliche Bürgerbeteiligung und das Schaffen von Themenfeldern drin. Da muss man gar nicht gleich an Robert Schumanns „Waldszenen“ oder Franz Liszts „Wilde Jagd“ denken – Musik und Natur sind seit jeher geistige Geschwister.
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