Weikersheim. Das Thema Windkraftanlagen ist auch emotional besetzt: Vor allem Bürger rund um Nassau befürchten eine „Einzäunung“ – Dr. Andreas Schumm vom Regionalverband Heilbronn-Franken musste sich Kritik anhören.
Die harten Fakten vor dem Gemeinderat: Der Regionalverband Heilbronn-Franken hat laut Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) des Bundes in Verbindung mit dem Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz (KlimaG BW) des Landes die Aufgabe, bis 30. September 2025 mindestens 1,8 Prozent der Regionsfläche für den Ausbau von Windenergie auszuweisen – im Regionalplan sind das „Vorranggebiete für regional bedeutsame Windkraftanlagen“. Konkret bedeutet dies, dass auf den Gebieten des Stadtkreises Heilbronn und der Landkreise Heilbronn, Hohenlohe, Schwäbisch Hall und Main-Tauber insgesamt mindestens 8577 Hektar für den Ausbau von Windkraftanlagen durch den Regionalverband festgelegt werden müssen.
In Weikersheim hatte man sich schon lange vor dem jetzigen Termin mit Verbandsdirektor Andreas Schumm (Er-) Klärungen zu den Plänen erbeten. Die waren immer gescheitert; wegen eines Krankheitsfalls. Jetzt legt der Regionalverband den Entwurf der neuen Vorranggebiete für Windkraftanlagen vor; die Zahl der kritischen privaten Einwendungen und Stellungnahmen liege bei rund 4500 im Verbandsgebiet, so Schumm auf die Frage von Nassaus Ortsvorsteher Kurt Kröttinger. 36 Vorranggebiete sind es kreisweit – und Nassau bildet dabei wohl einen der Schwerpunkte.
Vorreiter sollen mehr schultern
Der Planungsvorgang sei transparent und kriterienorientiert, so Schumm. Dennoch fühlt sich Weikersheim durch die Pläne düpiert, weil man durchaus Vorreiterin mit einer Vielzahl an Windanlagen ist. Jetzt sollen noch mehr kommen – und das, weil es eben im Vergleich zum Heilbronner Tiefland viel Wind gibt und (unter einem ablehnenden Blickwinkel) nicht genügend Ausschlusskriterien. Den allgemeinen Stromhunger sollen ländliche Gebiete befriedigen, das findet man grundsätzlich ungerecht.
Ähnlich wie früher schon (Stichwort „Konzentrationszonen“) müsse der Regionalverband auf die Prozentflächen kommen, sonst droht die quasi wilde Projektierungsmöglichkeit ohne räumlich Steuerung, so der Verbandsdirektor. Dort zähle dann nur der Faktor Rendite. Umkehrschluss: Wer Planhoheiten erhalten will, muss ausweisen.
Manche Kommunen können nur null Prozent Fläche bringen, so Schumm auf die Nachfrage von Stadtrat Peter Rösch. Abwägungen des Verbands (also das eventuelle Kappen von Gebieten) müssten „planerische Relevanz“ haben.
Auf die Nachfrage von Anja Lotz hin bestätigte Schumm, dass es auch eine weitere „Fortschreibung“ des aktuellen Plans geben könne. Die Auswirkungen von erzeugtem Infraschall auf die Bevölkerung etwa spiele keine Rolle bei der jetzigen Planung – erst beim Baurecht bzw. konkreten Genehmigungsverfahren könne man sich dagegen wehren.
Kritik auch von Stadtrat Waldemar Hein: Im Katalog (Konfliktkriterien) würde FFH-Gebieten eine höhere Bedeutung im Vergleich zu Wohnplätzen eingeräumt. Konkret geht es in dem Zusammenhang auch um den Bereich von Aussiedlerhöfen. Dort könne es zu einer Überbelastung mit Anlagen kommen.
Genau das befürchtet Nassau für sein gesamtes Gebiet: Eine „Umzingelung“ (zwei Anlagen gibt es bereits im Osten Richtung Strüth) und einen mangelnden Schutz der Menschen. Michael Heitbrock (Nassau) vermutet rund 330 Tage im Jahr an Schallbelastung, die man auszuhalten habe – für ihn eine enorme Einschränkung der Lebensqualität. Auch hier verwies Andreas Schumm („eher hundert Tage“) auf die „Genehmigungsebene“ und „verlässliche Daten“.
„Am Ende der Dumme“
Insgesamt wurde klar: Eine „faire Verteilung“ möglicher Anlagen im Sinne eines Proporzes gibt es nicht. Fairness ist auf die Bewertungskriterien von Flächen bezogen. Auch das Wort von „mafiösen Projektierern“ fiel aus den Reihen der Einwohnerschaft. Kommunen dürften nicht Verlockungsangeboten zur Sanierung der Finanzhaushalte (letztlich zulasten der Einwohner) aufsitzen.
Bernd Henn (Nassau) erwähnte den erwarteten Schattenschlag und kritisierte das aus seiner Sicht Weiterschieben der Verantwortung. Am Ende sei der „Bürger der Dumme“. Die Kommunen hätten vielfach die Haltung: „Wir können auch nichts (dagegen) machen“.
Der Verbandsdirektor verwies auf die juristische Seite: Lande ein konkreter Planungsfall als Streit vor Gericht, dann gehe es ausschließlich um planerische Rahmenbedingungen und nicht um eine empfundene Gerechtigkeit im Vergleich zu anderen Kommunen.
Aufgeworfen wurden in der öffentlichen Gemeinderatssitzung in Elpersheim noch viele weitere Punkte. Ortsvorsteher Hans-Joachim Haas am Ende mit einem durchaus bitteren Resümee: „Wir können zwar Einsprüche geltend machen, haben aber keine Chance, dass von den ausgewiesenen Flächen abgewichen wird.“ Er halte dies für einen „bedenklichen Umgang mit der Bevölkerung“. Er erwarte auch vom Regionalverband, dass er bei der Politik interveniere.
Politikverdrossenheit wundere ihn nicht, so Stadtrat Norbert Beck, wenn man den gesunden Menschenverstand außer Acht lasse.
Es wurde auch der Ruf laut, Landtagsabgeordnete wie Wolfgang Reinhart einmal auf die Planflächen zu stellen. Man müsse die Politiker „herholen“, sie sollten vor Ort „Flagge zeigen“.
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