Junge Oper in Weikersheim

Weikersheim: Fantastisch bunt und voller Poesie

Für den „Liebestrank“ läuft die meisterhafte Schneiderei auf Hochtouren. Einzelstücke statt Kleider aus dem Online-Kaufhaus

Von 
jmd/mrz
Lesedauer: 

Weikersheim. Im Rampenlicht stehen am Ende die Sänger. Damit die richtig wirken, braucht es stimmige Kostüme. Neben unglaublichem Fleiß und Können ist in der Opernschneiderei die Planung entscheidend, damit bis zur Premiere alles fertig ist.

In der Musikakademie Schloss Weikersheim laufen die Proben für die Opernproduktion der Jeunesses Musicales Deutschland. Während im Gewehrhaus das Solistenensemble szenisch und musikalisch den „Liebestrank“ von Gaetano Donizetti erarbeitet, sind auch die künstlerischen Gewerke bei ihrer kreativen Arbeit, um mit Bühnenbild, Lichtdesign und Ausstattung ein unvergessliches Opernerlebnis zu schaffen.

Für einen Abend sollen die Zuschauer ganz eintauchen können, nicht nur in die wunderbare Musik von Donizetti sondern in eine ganz eigene Welt – nostalgisch, komisch-traurig, voller Poesie und Fantasie.

Mehr zum Thema

Schloss Weikersheim

Feuer und Wasser waren wichtig für die Selbstdarstellung des Herrschers

Veröffentlicht
Mehr erfahren
Diebstahlsverfahren gegen Mutter und Sohn

Laudenbach: Liegt die Krone der Madonna noch im Gestrüpp?

Veröffentlicht
Von
Eleonore Heydel
Mehr erfahren
Junge Oper Weikersheim

Schneider fertigen nur Einzelstücke

Veröffentlicht
Mehr erfahren

Regisseur Jakob Peters-Messer verlegt die Geschichte um den unglücklich verliebten, weil mittellosen „Nemorino“ und seine Angebetete „Adina“ ins Italien der 1950er Jahre. Wie sich damals die Menschen in Deutschland ein besseres Leben erträumten, mit „bella italia“ als dem Sehnsuchtsort für ein unbeschwertes leichtes Leben, so hält auch er fest an seinem Traum, dass Adina seine aufrichtige Liebe erkennen und mit ihm zusammenkommen wird.

Wie in einem Couture-Atelier

Das künstlerische Team der Jungen Oper Schloss Weikersheim lädt in seiner Inszenierung und Ausstattung auch das Publikum zum Träumen ein. Eine Produktion ganz nach dem Geschmack von Kostümbildnerin Angela Schuett aus Berlin. „Theatralisch, so liebe ich es!“ Übersetzt heißt das: „richtige“ Kostüme, keine Kleider aus dem (Online-)Kaufhaus.

Über 200 Opern- und Theaterproduktionen hat sie bereits ausgestattet. Mittlerweile wäre sie eigentlich bereits im Ruhestand. Aber die Leidenschaft ist zu groß. Und das sieht man. Traumschön bunte Kostüme hat sie für die Figuren des „Liebestranks“ entworfen und werden nun nach ihren Vorgaben genäht. Längst schon hat sich die Schneiderei der Jungen Oper Schloss Weikersheim in ein Couture-Atelier verwandelt. Pailletten-Stoffe glitzern, aus Tüll, Spitze, Baumwollstoffen oder Leinen werden bunte Krägen, Tutus, Corsagen, Hemden und Fräcke auf Maß gefertigt. Insgesamt knapp 40 Bühnenakteure aus Solistenensemble und den Mitgliedern des Chores müssen ausgestattet werden. Und alle erhalten mehrere, bzw. im Laufe des Abends sich raffiniert wandelnde Kostüme.

Zu Beginn des Stücks mag die Ausstattung an die besondere Atmosphäre schwarz-weißer Filmklassiker der Nachkriegszeit erinnern: Die Menschen eher schlicht und gezwungener Maßen bescheiden gekleidet, in Arbeiterkluft oder, wer es sich leisten kann, im Fünfziger Jahre-Schick. Die Damen mit schwarzen Handtäschchen, Kleider in Schnitt und mit den Mustern wie man sie aus dieser Zeit oder vielleicht noch der eigenen Erinnerung kennt. Doch dann geht eine Verwandlung vonstatten, wie sie auf diese unvergleichlich schöne und vielschichtige Weise nur im Musiktheater möglich ist: Die übergroße Sehnsucht der Bühnencharaktere bricht sich Bahn, nimmt Gestalt an, Bühne und Figuren drehen sich in eine traumhafte Zirkuswelt.

Das Flair der „Fifities“ schimmert noch durch, doch unversehens findet man sich in der Welt der italienischen comedia dell’arte wieder. Die Soldatenuniform wird zum Glitzerfrack eines Zirkusdirektors, es treten auf ein melancholisch anrührender Pierrot mit großem Clownskragen, eine Columbina mit gepunkteter Strumpfhose und natürlich auch ein schräger „dottore“ mit Frack und Zylinder – das ist der Quacksalber Dulcamara, der Nemorino einen Liebestrank andreht, welcher ihn begehrenswert und sexy machen soll. Kurz: alles ganz zauberhaft.

Nach allen Regeln der Kunst

Um diese Musiktheaterwelt und illusion zu erschaffen, sind in der Schneiderei Dorothea Landgraf und Christian Steiner unermüdlich im Einsatz. Sie haben bereits im Frühjahr bei den Solisten Maß genommen, Stoffe und Materialien bestellt und den Fundus früherer Weikersheimer Opernproduktionen durchgesehen. Dorothea Landgraf ist es wichtig, möglichst nachhaltig zu arbeiten. So verwendet sie beispielsweise Corsagen aus „Così fan tutte“ oder „La Cenerentola“ wieder. Dafür trennt sie Bordüren ab, ändert und färbt den Stoff neu ein.

Auch beim Umfärben ist mit ihrem Fachwissen vieles mit einfachen Mitteln möglich: Ein ecru-farbenes Ergebnis lässt sich zum Beispiel mit Schwarztee erreichen. Bei Spitzenstoff dagegen, wo Baumwolle und synthetische Fasern zusammenkommen, muss auch das Färbemittel entsprechend zusammen gesetzt sein. Die aufwendigen bunten Harlekin-Krägen und viele rote Bommel hat sie bereits im Vorfeld gefertigt. Denn neben unglaublichem Fleiß und Können ist in der Opernschneiderei auch eine gute Planung entscheidend, damit bis zum Premierenabend alles passend fertig ist.

Die Ausstattung der Männer übernimmt auch in diesem Jahr Herrenscheider Christian Steiner. Alle Jacketts und Fracks fertigt er nach Maß – und das nach allen Regeln der Schneider-Meisterkunst. Mit dem Unterschied freilich, dass Opern-Herren nicht Anthrazit oder Dunkelblau sondern Petrol tragen oder Glitzer tragen.

Aktuell liegt das Ausstattungsteam gut im Zeitplan. Vor allem aber ist Kostümbildnerin, Schneiderin und Schneider die große Leidenschaft für ihre kreative Arbeit zu spüren. Und dazu gehört auch, dass sie jederzeit offen sind, wenn im Laufe der Probenarbeit noch Ideen entstehen, wo noch schnell etwas genäht, gefertigt oder schön gemacht werden muss. Denn darum geht es: Dass die jungen Gesangstalente auf der Bühne glänzen können und strahlen werden. jmd/mrz

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten