Tauberphilharmonie Weikersheim

„Mnozil Brass“ fürchten musikalisch weder Tod noch Teufel

Blechbläserensemble aus Österreich reißt das Publikum von den Sitzen. Herrlich schräg und schlicht genial

Von 
Inge Braune
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Den fulminanten Auftritt von Mnozil Brass quittierte das Publikum in der Tauberphilharmonie mit Standing Ovations. © Braune

Weikersheim. Posaune spielen mit den Zehen? Und dann gleich zwei? Und nebenbei noch mit den Fingern auf den Instrumenten von zwei weiteren Kollegen tirilieren? Im Schweben? Geht nicht? Gibt’s nicht. Nicht bei Mnozil Brass. Die sieben schrägen Bläserjungs reißen nicht nur mit solchen Showeinlagen das Publikum aus jedem Sessel: Sie sind ganz einfach genial. Und haben – Pausenkommentar von Dito-Posaunisten – wohl Hornhaut auf den Lippen. Was keinen Wunder nähme, nach drei Jahrzehnten Bläserkarriere, Tourneen kreuz und quer durch aller Herren Länder.

Seit Jahren auf der Wünscheliste stand bei Tauberphilharmonie-Intendant Johannes Mnich Mnozil Brass. Corona hat ja viele Schattenseiten, Kurzfrist-Konzertabsagen inklusive; doch hin und wieder glitzert selbst in pandemischer Düsternis ein Glücksmomentchen auf. Ein echter Glücksstern war’s, dass Mnozil Brass just zum perfekten Zeitpunkt noch einen freien Abend hatte. So kam’s im Januar – knirsch: Jänner! – zum ersten Weikersheimer Mnozil Brass-Auftritt, nach abenteuerlichem Ritt in zwei Autos, voll bepackt mit sieben schweren Jungs, zwei Fahrern, dazu Trompeten, Tuba, Hörner und Posaunen von Hall ins Taubertal. Kaum eine halbe Stunde blieb den Blechblas-Virtuosen damals, sich vor Konzertbeginn noch kurz zu recken, strecken, durchzukneten. Um einen grandiosen Auftritt hinzulegen.

Jetzt aber: Echt geplant, samt Einspielzeit und Normtransport, vor rasant schnell ausverkauftem Haus. Das Publikum, bereit, sich einzulassen auf alles, was da kommen möge, kam bunt gemischt: Blasmusikfans, Opern- und Crossover-Liebhaber, A capella-Feinschmecker und Freunde kabarettistischer Spitzen. Und alle, aber auch wirklich alle, ob in Galaoutfit oder Schmuddeljeans, wurden perfekt bedient. Die sieben Bläser – Thomas Gansch, Robert Rother und Roman Rindberger an den Trompeten, an den Posaunen Leonhard Paul, Gerhard Füßl und Zoltán Kiss und an der Tuba Wilfried Brandstötter – fürchten zumindest musikalisch weder Tod noch Teufel: Kein Genre ist vor ihnen sicher. Sie wuseln, blasen, tänzeln, spielen, singen, schnattern und parodieren sich so gekonnt auf Höchstniveau durch Schlager, Klassik, Pop, Jazz, Walzer, Märsche, Oper und Operette, durch Gregorianik, ansonsten Kirchliches und Schnulziges, durch Kasatschok, Sirtaki und Flamenco, Cancan und Heidis Welt der Berge, dass selbst einem mit vielen musikalischen Wassern gewaschenes Publikum kaum noch mitbekommt, wo sie sich gerade herumtreiben.

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Vom Musikantenstammtisch beim „Mnozil“ im Wiener ersten Bezirk bis auf die größten Bühnen der Welt hat sie ihr kreativ-karrikierender Umgang mit Blech, Notenmix, Komödiantentum und schon regelrecht akrobatischer Beherrschung ihrer Instrumente geführt, getragen von weltweit begeistertem Publikum, das es kaum fassen kann, nicht nur mit sieben Blechbläsern, sondern auch noch mit sieben A cappella-Vokalisten zu tun haben, die ihre Stimmen ebenso virtuos bis in die höchsten Töne ausreizen wie ihre Instrumente.

Da gibt es den aus St. Pölten stammenden Thomas Gansch – in Weikersheim in Rot – , Trompeter, Moderator und musikalischer Leiter der Truppe, wenn er nicht gerade an der Wiener Privatuniversität Jam Music Lab im Gasometer Wien unterrichtet – und seinen ehemaligen Schüler Robert Rother, den mit der goldenen Dirigentennadel ausgezeichneten Trompeter und Blockflötisten aus Melk. An Trompete Nummer drei glänzt mit nonchalant-trockenen Gesten der in Zell am Moos aufgewachsene Hochschullehrer, Professor und Trompeter Roman Rindberger, die der gebürtige Wiener Posaunist und Basstrompeter, Komponist, Arrangeur und Hochschullehrer Leonhard Paul mit scheinbarer Begriffsstutzigkeit, Schafsblick und Verbeugungsscheu toppt. Sein Mnozil Brass-Beritt?

Mitbegründer, Komponist, Arrangeur und Perfektionist in Sachen nonverbaler Kommunikation. Atemlos verfolgt das Publikum seinen – samt Sockenschnüffeln konsequent in Zeitlupe durchgeführten Umzug zum Barfußposaunisten. Muss ja nun mal sein, wird er doch gleich schwebend mit Händen und baren Füßen vier Instrumente spielen.

Der Cross Over/neue Volksmusik-Lehrbeauftragte Gerhard Füßl ergänzt kongenial die Comedy- und Persiflage-Spezialisten mit der Posaune, und der aus Budapest stammende ungarische Posaunist Zlotán Kiss, der 2005 zum Brass-Septett stieß, reißt das Publikum unter anderem mit seiner Mafioso-Macho-Nummer von den Stühlen. Verbleibt noch der Mann mit der Tuba, Wilfried Brandstötter, Salzburger von Geburt, in Linz Tuba-Professor, der fürs Mnozil Brass-Ensemble von Anfang an mit nur zweijähriger Pause die tiefsten Töne – und als Vokalist ganz schön hohe – beisteuert.

Was diese sieben auf der Bühne treiben, mit welchen musikalischen, gestischen, selbstironischen, mimischen und sängerischen Mitteln sie perfekt dosierte Zwerchfell-Angriffe abfeuern, lässt sich nur so beschreiben: unbeschreiblich und genial. Das Publikum dankte mit stehender Ovation bis in die allerletzte Reihe.

Freie Autorin Berichte, Features, Interviews und Reportagen u.a. aus den Bereichen Politik, Kultur, Bildung, Soziales, Portrait. Im Mittelpunkt: der Mensch.

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