Weikersheim. Also eigentlich wollen sie nur eins: uns süchtig machen. Süchtig nach Kultur in bunter, praller Vielfalt; nach Begegnung; nach Inspiration; nach Irritation. Sie verstehen sich als „musikalischer Inkubator“ in der Region, für die Region und drüber hinaus. Sie? Das Tauberphilharmonie-Team um Intendant Johannes Mnich. Das hat gerade das Programm für die Spielzeit 2022/23 vorgelegt.
Und das hat’s in sich, prall voll, quietschbunt, geballte Vielfalt: Crossover, Klassik und Orchester plus Kabarett, Tanz, Comedy, Varieté, gewürzt mit Workshop, Sonder- und Familienformaten, die von Nachmittag mit Checker Tobi übers Adventssingen mit Singer Pur und Weihnachtstechnoswing mit der Jazzrausch-Bigband gehen.
Alle ansprechen
Ansprechen wollen sie schlicht alle, vom Kleinkind bis zur Uroma, vom Klassik- bis zum Technofan, ob bildungselitär geprägt oder kulturverweigernd. Es könnte klappen, tatsächlich ihnen allen genau die Dosis Tauberphilharmonie-Dope einzutröpfeln, die ausreicht, der Sucht nach Horizonterweiterung genügend Nahrung zu geben, um neugierig zu halten, mindestens. Der Auftakt: funkelnd! Igor Levit – zum dritten Mal in Weikersheim – gastiert am 1. Oktober mit Brahms und Liszt und eigens für ihn komponiertem Jazz-Zyklus. Und der Saisonabschluss? Ein Feuerwerk, am 15. Juli 2023 entzündet von den „Philharmonix“, sämtlich Ensemblemitglieder der Wiener und der Berliner Philharmoniker, die Klassik, Latin, Klezmer, Hollywood, Bach, Queen, Pop und dem Wienerlied mit Weaner Schmäh und Baliner Schnauze ganz neue Facetten abgewinnen.
Und zwischen Alpha und Omega der vierten Spielzeit? Mit Tanz und Blasmusik zwei neue Schwerpunkte: Beim einwöchigen Tanzworkshop mit Patricia Carolin Mai können sich vom 14. bis 24. November bis zu 40 Interessierte vom Jugendlichen bis zum Senior auf den Hamonim-Auftritt in der Tauberphilharmonie am 25. November vorbereiten, der das Spannungsfeld zwischen Masse und Individuum auslotet.
Ein weiteres Tanz-Highlight ist „Das Fest“ mit der Kompanie laborgras und dem Ensemble Continuum. Ein musikalisch-visuelles Konzert, das überraschende Hör- und Seheindrücke bieten dürfte – und vielleicht Inspiration für das Ende Mai anstehende „Open House“-Tanzwochenende.
Brass-Vielfalt garantieren Mnozil Brass, Simon Höfele und die Egerländer: Intendant Mnich konnte „Die Kleine Besetzung“ für ein Konzert am 7. Mai 2023 gewinnen.
Prächtiges Klassik-Programm
Ein einziges Gefunkel bietet das Klassik-Programm: es reicht vom Sonntagskonzert am Nachmittag mit dem „Opus Klassik“ Preisträger Simon Höfele und Elisabeth Brauß über das junge „Trio Hermes“ und einen echten Streichquartett-Gipfel bis zur Pianistin Gabriela Montero, die einen großen Teil ihres Programms mit Wunsch-Improvisationen bestreiten wird. Als weiteren echten Spielzeit-Höhepunkt kündigt Intendant Mnich für den Karfreitag 2023 „Concerto Melante“ mit Vokal- und Instrumentalmusik aus dem Altbachischen Archiv an. Martin Stadtfeld wird die letzten drei Klaviersonaten seines Beethoven-Klavierzyklus präsentieren – und Isabelle Faust gastiert mit ihrer „Dornröschen“-Stradivari. Solo. Im Konzertsaal. Mit allen Solosonaten und Solopartien von Johann Sebastian Bach. Verpassen? Unmöglich. Und wenn sich zwischen Haydns „Kaiserquartett“ und Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ auch noch das zeitgenössische Streichquartett Nr. 4 des 1979 geborenen Komponisten Jörg Widmann schleicht, werden Klassikfreunde äußerst hellhörig.
Im Herbst bleiben für Freunde der Orchestermusik wohl kaum noch Wünsche offen. Da geben sich das Landes-Jugend-Symphonie-Orchester Saar, das Landesjugendjazzorchester Baden-Württemberg und das Landesjugendorchester Baden-Württemberg regelrecht die Klinke in die Hand, fast unmittelbar gefolgt von den Jenaer Philharmonikern und dem Bundesjugendorchester, das sich mit Schostakowitschs hochaktueller und doppelbödiger 11. Sinfonie „Das Jahr 1905“ Geschichte und Gegenwart stellt. Man lausche zwischen den Zeilen. Gastieren werden auch das Hungarian Chamber Orchestra und die Südwestdeutsche Philharmonie Konstanz.
Klassik – und sonst? Crossover-Vielfalt vom Allerfeinsten. Es sind zu Gast die Jazzrausch Bigband, das Julian Biss Septet mit „A Tribute to George Gershwin“, der Heidelberger Hardchor, Wildes Holz, Max Mutzke samt Takeover!-Ensemble – alles hoch spannend und freudvoll kreativ.
Ein echtes Special dürfte am 2. April die in Kooperation mit der Sternwarte Weikersheim Crossover-„Starry Night“ werden, bei der das Signum Saxophone Quartett und der Starschlagzeuger Alexej Gerassimez umrahmt von einer Lichtshow über just erbaute Brücken zwischen Musik und Astronomie balancieren. Jazzfreunde dürfen sich auf den weltumspannenden Balanceakt des Tingvall Trios (schwedischer Pianisten, kubanischer Bassisten, deutscher Schlagzeuger) freuen – und alle natürlich auf den Schlußakzent mit Philharmonix.
Für Comedy und Kabarett treten Max Uthoff, Mnozil Brass, Heinrich del Core und Carrington-Brown sowie Rolf Miller und Matthias Ningel an, für perfekte Familiennachmittage garantierten die Hanke Brothers, die die Elemente im zwei:takt-Konzert zum Leben erwecken. Experimentiert wird in Dr. Crescendos Klanglabor, beim „Dschungelbuch“-Kindermusical bereitet die groovende Affenbande unvergessliche Momente, und wenn „Checker Tobi“ im Familienkonzert gute und böse musikalische Geister beschwört hat, müssen kleine Musikfreunde nicht mehr lange auf „Die Verblecherbande“ warten, die zwecks Beschaffung neuer Noten sogar vor einem Bankraub-Coup nicht zurückschreckt. Am Vortag musizieren die fünf Sonus-Brass-Bläser noch ganz brav mit dem unter anderem aus Tatort, Polizeiruf 110 und Babylon Berlin bekannten Schauspieler Karl Markovics: Sie feiern Alfred Polgar.
Drei Zuckerl für „Nah dran“-Fans gibt’s: Noch im Dezember gastiert der vielfach ausgezeichnete Jazzpianist Sebastian Sternel, im Februar die Sopranistin Theresa Pilsl gemeinsam mit Daniel Gerzenberg am Flügel, im Juni der international gefragte Pantomime und Clown Peter Shub, der unter anderem Beim Cirque du Soleil und im Roncalli-Zelt für Begeisterung sorgte.
Wenn alles gut geht mit Corona, steht einer gemeinsam mit dem Vokalensemble Singer Pur Anfang Dezember eingesungenen Weihnachtszeit nichts im Wege; und auch Varieté-Freunde sollten diesbezüglich die Daumen drücken, um beim Varietéabend am 11. März das Drei-Gänge Menü und den garantierten Augen- und Ohrenschmaus auf der Bühne unbeschwert genießen zu können.
Garantiert unbeschwerte Vorfreude bietet auf jeden Fall das Programmheft - auch dank der Grafiken der aus Kiew stammenden Illustratorin Ira Lysenko, die einen ganz besonderen Blick auf die Tauberphilharmonie als Haus für alle geworfen hat.
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