Walldürn. Am 9. Juli 2023 wählten die Walldürner Meikel Dörr mit 3498 Stimmen zu ihrem neuen Bürgermeister. Ein Jahr später stellt sich der 44-Jährige im großen FN-Redaktionsgespräch den Fragen von Redakteurin Stefanie Cabraja, Reporterchef Michael Fürst und Chefredakteur Fabian Greulich. Er spricht über Themen und Projekte, die er als nächstes angehen möchte.
Herr Dörr, was war das kurioseste Erlebnis für Sie in dem ersten Jahr als Bürgermeister?
Meikel Dörr: Ich denke, dass da sicherlich unser zweiter Seniorennachmittag dazu gehört. Wir wurden bei der Veranstaltung total überrannt. Bereits 30 Minuten vor Beginn waren fast doppelt so viele Personen da, wie bei unserem ersten Seniorennachmittag. Während die Kolleginnen noch Kaffee und Kuchen organisiert haben, habe ich selbst Hand angelegt und geholfen Tische und Stühle in den Saal zu tragen und aufzubauen.
Vom Kollegen zum Chef – haben sich die persönlichen Beziehungen verändert? Hat es sich so eingespielt, wie Sie gehofft hatten?
Dörr: Nein. Ich bin im Haus als Chef akzeptiert. Zum Dienstjubiläum habe ich einen Brief bekommen mit der Anrede ,Lieber Chef’ und nicht mit ,Lieber Meikel’.
Was ist in Ihrem ersten Jahr als Bürgermeister gut gelungen?
Dörr: Dass wir Formate gefunden haben, wie wir die Bürger besser miteinbeziehen können. Seien es die Bürgerbeteiligung mit Abstimmungen in der Walldürn-App oder die beiden Foren Seniorenbeirat und Jugendbeirat. Und es gibt eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat.
Wenn man dort nicht wohnt oder es nicht gesagt bekommt, weiß man so etwas nicht.
Bekommen Sie mit Hilfe der Bürgerbeteiligung, die sich auch in der Sprechstunde spiegelte, andere Dinge von der Basis mit, die Sie gar nicht so erlebt haben, obwohl Sie ja auch in Walldürn leben?
Dörr: Man bekommt schon unterschiedliche Sachverhalte und Befindlichkeiten gespiegelt. Bei einem ganzen Tag mit zwölf Termin bekommt man zwölf verschiedene Anliegen, Ansichten und Bedürfnisse mitgeteilt. Und jeder hat so seine eigenen Sorgen. Ein Beispiel: Es waren Anwohner aus dem Wohngebiet „Lindig“ da und haben nach der fehlenden Schlussdecke gefragt. Die wurde aufgrund des Glasfaserausbaus zurückgehalten, das stört aber fast alle Anwohner. Wenn man dort nicht wohnt oder es nicht gesagt bekommt, weiß man so etwas nicht.
Am Auerbergschulzentrum besteht auch Handlungsbedarf. Gibt es schon den Zehn-Jahres-Sanierungsplan, den Sie vor einem Jahr aufstellen wollten?
Dörr: Das Bauamt hat einen Plan erstellt und einen Vorschlag zur Abarbeitung erarbeitet. Ergänzend laufen aktuell viele Vorarbeiten außerhalb der Verwaltung. Ein Professor aus Würzburg hat beispielsweise Bauproben von den Betonteilen der Auerberg-Werkrealschule und der Nibelungenhalle entnommen, um zu wissen, ob nur das Dach oder auch die Außenfassade sanierungsbedürftig ist.
Wie hoch ist das Interesse an den Bauplätzen im Neuen Wasen?
Dörr: Wir haben fast doppelt so viele Anfragen wie Bauplätze. Es sind 49 Plätze, und wir haben etwa 89 Anfragen.
Wann beginnt die Erschließung und wann kann man bauen?
Dörr: Im Herbst beginnt die Erschließung. Im ersten Halbjahr nächsten Jahres sollte man loslegen können.
Wie sieht es mit den Baulücken in der Innenstadt aus?
Dörr: Das Thema kann vielleicht die Grundsteuer C irgendwann regeln. Mit dieser können Kommunen aus städtebaulichen Gründen einen gesonderten Hebesatz für unbebaute, baureife Grundstücke festlegen. Es gibt einige Baulücken bei uns. Vor Jahren hat die Verwaltung die Eigentümer angeschrieben. Von Seiten derer besteht jedoch kein Interesse zu verkaufen.
Ihnen war es wichtig, die Wohn- und Lebensqualität zu erhöhen. Haben Sie das vorangetrieben?
Dörr: Eine Innenstadtbelebung geht für mich unter anderem mit attraktiven Plätzen einher. Da gehört das Areal rund um das Schloss und der ehemalige Schlosshof dazu, den wir wieder zu einem Schlossgarten ausgestalten wollen. Zudem wollen wir andere kleine Plätze schaffen, die in der Innenstadt zum Verweilen einladen. Vor dem Rathaus waren bisher nur Sitzbänke, da haben wir jetzt noch einen Tisch hingestellt, was bereits sehr gut angenommen wird. Davon werden auch die Einzelhändler profitieren. Allerdings gehört für mich zur Lebensqualität auch das Erleben einer Stadt dazu. Und hier haben wir bereits Vieles umsetzen können, das dann sehr gut angenommen wurde. Erwähnen möchte ich hier den Weihnachtsmarkt oder das neu aufgelegte Blumen- und Lichterfest.
Allerdings gehört für mich zur Lebensqualität auch das Erleben einer Stadt dazu.
Sie gehen in Schulen und auch das Jugendforum trägt zu dem Ansatz bei, dass sich die Jugend wohl fühlt. Wie wichtig sind solche perspektivischen Dinge, um junge Menschen mehr in Walldürn zu verwurzeln? Und welcher Gedanke steckt dahinter?
Dörr: Ich glaube, wenn sich Kinder und Jugendliche in ihrer prägenden und pubertären Phase in Walldürn wohlfühlen und die Möglichkeit haben, vor Ort etwas zu erleben, fällt es ihnen irgendwann schwerer, Walldürn zu verlassen. Und früher oder später werden sie wieder ihren Lebensmittelpunkt in ihrer früheren Heimat Walldürn wählen. Dafür braucht es Angebote, wo sie sich treffen und gemeinsam etwas erleben können.
Der Spielplatz im „Lindig“ war ein großes Diskussionsthema, beziehungsweise die Beschattung dort. Gibt es hier Lösungsansätze?
Dörr: Unser Sachgebiet Tiefbau im Stadtbauamt hat eine technische Lösung gefunden – und zwar mit einem sehr reißfesten und gleichzeitig UV-Schutz bietenden Material. Das werden wir in den nächsten Wochen am Spielplatz „Roter Weg“ in der Nähe der Kaserne installieren und unsere Erfahrungen sammeln. Wenn es funktioniert, werden wir das System für andere Spielplätze übernehmen.
Stichwort Kaserne: 100 Millionen Euro sollen in den Standort Walldürn investiert werden. Das ist für die Stadt doch ein Sechser im Lotto?
Dörr: Die Kaserne ist ein wichtiger Arbeitgeber in Walldürn, aber auch ein bedeutender Auftragsgeber und essenziell für unsere Infrastrukturen. Viele Faktoren spielen da eine Rolle. Seit über 60 Jahren sind wir Garnisonstadt, und ich hoffe und werde alles dafür tun, dass das noch lange Zeit so bleibt.
Man muss auch Nein sagen können.
Sie haben viele Wahl-Versprechen eingelöst. Wie oft mussten Sie die Ansprüche der Bürger ablehnen?
Dörr: Man muss auch Nein sagen können. Es gab in den Bürgersprechstunden beispielsweise den Wunsch, einen Baum zu fällen, damit man das Laub nicht wegmachen muss. Aber ein gesunder Baum wird natürlich nicht gefällt. Wenn man „Nein“ sagt, dann muss das sachlich erklärt werden. Es kann an der Finanzierung scheitern oder aber auch daran, dass andere Dinge, die für die Allgemeinheit wichtig sind, höhere Priorität haben.
Wie oft haben Sie auch mal zu Hause einen Wunsch ihrer Töchter aufgrund der Mehrarbeit als Bürgermeister ablehnen müssen?
Dörr (lacht): Es gab noch keine formelle Beschwerde bei mir. Es ist eher so, dass sie sich beschweren, wenn sie lieber mit ihren Freunden spielen würden und ich vorgeschlagen habe, zusammen zu einem Termin zu gehen. Aber da konnten wir uns bisher immer arrangieren. Und meine Frau Kathrin stärkt mir unwahrscheinlich den Rücken und organisiert die Familie daheim.
Sie waren vor dem Amt im Elternbeirat in der Schule. Haben Sie die Aufgabe noch weiter?
Dörr: Das Amt habe ich abgegeben. Es wird mit Sicherheit Situationen geben, da bin ich „die andere Partei“.
Hat sich das Verhalten der Walldürner Ihnen gegenüber verändert? Werden Sie mehr beobachtet oder linst der eine oder andere mal in den Einkaufswagen?
Dörr: Ich selbst komme gar nicht so viel zum Einkaufen. Es kommt aber immer wieder vor, dass ich dienstlich angesprochen werde und jemand etwas wissen will. Aber das ist ja auch eines meiner Wahlversprechen als ich die Bürger aufgefordert habe: „Sprechen Sie mich an. Ich höre Ihnen zu.“
Wie hoch ist da die Hemmschwelle? Man möchte auch mal privat sein und die Leute kommen mit Fragen ums Eck.
Dörr: In meinem Fall ist es nicht so schlimm, wie man denkt. Das ist aber auch ein Stück innere Einstellung und wie man selbst dazu steht. Wenn wir aber zum Beispiel Urlaub machen, dann verlassen wir Walldürn und sind für uns. So waren wir erst vor Kurzem in Büsum an der Nordsee.
Wie sehr hat Ihr großes Hobby – die Musik – unter Ihrem neuen Beruf gelitten?
Dörr: Das hat komplett darunter gelitten. Ich habe es in diesem einen Jahr geschafft, drei Musikproben zu besuchen und habe an Weihnachten in den Pflegeheimen bei einem Auftritt mitgespielt.
Nutzen Sie zu Hause die Musik, um abzuschalten?
Dörr: Meine Posaune nehme ich nicht in die Hand. Aber meine Frau spielt Klavier und meine Tochter Frida lernt es gerade. Ich versuche, mich ab und zu ans Klavier zu setzen, aber das ist mehr Show, als dass es Qualität hätte (lacht).
Hilft der Dirigent irgendwann dem Bürgermeister?
Dörr: Ein Stück weit ja. Ich habe eine Ausbildung für das Dirigat gemacht. Man beschäftigt sich mit Persona, also konkret ausgeprägten Eigenschaften, und wie man Personen einschätzt. Da kann man schon das ein oder andere in den Berufsalltag miteinbringen oder kopieren, denn dirigieren heißt führen.
Ich sehe, dass wir Walldürn ökologischer aufgestellt haben.
Mit Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie Walldürn mit Ende Ihrer Amtszeit?
Dörr: Ich sehe, dass wir Walldürn ökologischer aufgestellt haben. Wir werden mehr Energieangebote haben, zum Beispiel für Elektromobilität, oder auf unserer Gemarkung mehr Strom produzieren. Die Stadt wird auch sozial und wirtschaftlich gestärkt aus meiner Amtszeit hervorgehen, in dem wir der Wirtschaft helfen, Arbeitsplätze zu schaffen und den lokalen Handel stärken. Es wird gleichermaßen ein attraktiver Lebensraum für junge Familien, Fachkräfte und Senioren. Eine Stadt, in der sich die Bürger wohlfühlen und sich bei unseren Projekten und Maßnahmen gerne einbringen.
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