Interessanter Vortrag - Professor Thomas Schirrmacher spricht in der Kreisstadt zum Thema „Christenverfolgung geht uns alle an“ / Politik muss sich gegen Diskriminierung stellen

Thomas Schirrmacher: „Religionsfreiheit ist untrennbar mit Demokratie verbunden”

Selbst in dieser Zeit müssen Christen wegen ihres Glaubens um ihr Leben fürchten. Professor Thomas Schirrmacher nahm zum Thema „Christenverfolgung geht uns alle an“ dieses in den Blick und stellte sich anschließend den Fragen der Zuhörer.

Von 
Elisabeth Englert
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Professor Thomas Schirrmacher und MdB Nina Warken bei der Beantwortung der Fragen des Publikums. © Elisabeth Englert

Tauberbischofsheim. MdB Nina Warken als Initiatorin freute sich, mit Professor Dr. Dr. Schirrmacher einen der führenden Menschenrechtsexperten weltweit gewonnen zu haben, der regelmäßig vor nationalen Parlamenten und UN-Gremien aussage.

Am stärksten betroffen

Das Christentum sei auch 2021 die Religion, die am stärksten von Verfolgung betroffen sei – mit steigender Tendenz. Besonders sei die Lage durch die aktuellen Geschehnisse in Afghanistan noch dramatischer geworden. Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit als Menschenrecht verdiene es, dass die politisch Verantwortlichen sich für sie einsetzten und sich gegen Diskriminierung stellten.

Von der St.-Lioba-Kirche als Veranstaltungsort spannte Schirrmacher zu Beginn seiner Ausführungen den Bogen von der Namenspatronin über den als Apostel der Deutschen bezeichneten Heiligen Bonifatius bis hin zu Karl dem Großen, der den Glauben von „Kopf zu Kopf, nicht mit dem Schwert“ verbreitete. Bildung, nicht die Gewalt, waren sein Medium zur Glaubensverbreitung.

Die politische Herrschaftsform spiele eine bedeutende Rolle. So sei die Demokratie in christlichen Ländern erfunden worden und habe sich von dort aus verbreitet. Bis zum Ersten Weltkrieg seien Demokratien ausschließlich in evangelischen Mehrheitsländern vorgekommen. Die strenge römisch-katholische Hierarchie stand hierzu eher im Widerspruch.

Doch habe sich nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs eine Demokratisierungswelle auch in den katholischen Ländern ausgebreitet und westliche und orthodoxe Staaten erfasst.

Als historischen Deal bezeichnete der Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz die Beteiligung der Christen am Verfassungskonvent, wo die Religionsfreiheit als Menschenrecht verankert wurde. „Das ist kein Selbstverständnis im Rahmen der Demokratie.“

Zur Person

Professor Dr Dr. Thomas Schirrmacher ist Generalsekretär der weltweiten Evangelischen Allianz, die 600 Millionen evangelische Christen vertritt

Präsident des Internationalen Rates der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte.

Leitender Bischof der Communio Messianica, einem Netzwerk aus Konvertiten aus 79 Ländern, trifft häufig Papst Franziskus sowie den Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus in Istanbul.

Führender Menschenrechtsexperte weltweit, spricht vor Parlamenten, UN-Gremien.

Hat als Experte zum Thema Christenverfolgung in Gremien des Deutschen Bundestags gesprochen.

Bis dieses Jahr Stellvertretender Generalsekretär und Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit. een

Während Anfang des 20. Jahrhunderts nurmehr eine Minderheit Gewalt zur Religionsverbreitung abgelehnt habe – durch den Kolonialismus wollte man die eroberten Völker zu ihrem Glück zwingen –, habe sich dies im Laufe der letzten hundert Jahre völlig geändert. Die große Mehrheit der Christen stehe dazu, keinen Menschen auf Grund seines Glaubens oder anderer Überzeugungen zu bestrafen. Dazu habe man schlichtweg nicht das Recht. „Das macht unser Menschsein aus.“

Doch hätten andere Weltreligionen in dieser Zeitspanne genau die gegenteilige Entwicklung genommen. Als Beispiel nannte er den Hinduismus sowie den Islam. Während hierzulande der Anteil an Extremisten immer kleiner geworden sei, habe er dort zugenommen.

Gerade in Indien habe sich die Lage unter Regierungschef Narendra Modi sehr verschlechtert. Muslime und Christen sollten seiner Ansicht nach gar nicht mehr im Land existieren. Erkennbar werde diese Entwicklung für Ausländer und Touristen, dass kaum mehr Burger-Ketten im Land zu finden seien, da diese Rindfleisch anböten.

Die Diskriminierung reiche vor allem in den Dörfern auf dem Lande vom Zwang, dem Glauben abzuschwören, bis hin zur Bestrafung mit dem Tode. Zwar denke die breite Masse der Bevölkerung nicht so, doch lasse sie sich bei Wahlen instrumentalisieren.

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Durchaus Vorteile möglich

Gerade in Beruf und Bildung könne dies Vorteile bringen, etwa wenn der Christgläubige nicht die ersehnte Stelle oder den Schulplatz bekäme, der dann für einen Hindu zur Verfügung stünde. „Eine tragische Entwicklung“, bedauert Schirrmacher. Der Islam habe dieselbe Entwicklung genommen. „Man lügt sich in die Tasche, wenn man so tut, als hätte es keine Veränderung gegeben.“ Dennoch sei der Iran bislang das einzige Land, in dem Geistliche den Ton angeben.

Die Religionsfreiheit spiele eine große Rolle. Viele Muslime kämen hierher, um ihren Glauben frei leben zu können, was schon an Ironie grenze, da wir sie vor ihren eigenen Extremisten schützen müssten. „Diese Menschen haben verdient, dass die hart erkämpfte Religionsfreiheit auch ihnen zugutekommt“, betonte der Theologe. Die Aleviten stellten aktuell die größte Gruppe dar, doch auch indigene Religionen, wie die einst im Irak lebenden Jesiden, verdienten unseren Schutz. Der Islam sei weitaus diverser als das Christentum, erklärte Schirrmacher die verschiedenen Strömungen.

Es sei falsch zu denken, die Religionsfreiheit der Kirche zu überlassen. „Nein, sie ist ein Menschenrecht und ureigenste Aufgabe des Staats“, betont er.

Nur dieser, weder Kirche noch Moschee oder Tempel, könne sich dafür einsetzen. Es gehe nicht darum, sich für Christen, sondern für die Religionsfreiheit, mithin für alle einzusetzen.

Als weitere Staaten, in denen Christen oder auch Muslime, die nicht mehr als solche leben wollten, unter Verfolgung litten, nannte er Afghanistan oder zunehmend auch Indonesien mit seiner überwiegend muslimischen Bevölkerung. Grundsätzlich für seine Toleranz bekannt, verfolgten immer mehr aus arabischen Ländern zugewanderte und dort lebende Muslime die christliche Bevölkerung.

Schlussendlich lebten Christen ohne Religionsfreiheit in muslimischen, Muslime mit Religionsfreiheit in christlichen Ländern. Dass das Christentum am schlimmsten von Verfolgung betroffen sei, belegten die viereinhalb- bis sechseinhalbtausend nachweisbar wegen ihres Glaubens umgebrachten Menschen – „Märtyrer“ –, ungeachtet derer, die durch vorgeblich religiös motivierte Bürgerkriege zu Tode kommen.

Da die Religionsfreiheit untrennbar mit der Demokratie verbunden sei, müsse sich der Staat weltweit für diese einsetzen. „Man muss ihn daran erinnern, dass die Religionsfreiheit ein Menschenrecht ist“, appellierte Schirrmacher in Richtung der Bundestagsabgeordneten.

Dies griff Warken auf und versprach, die Religionsfreiheit sowie die Ursachen der Verfolgung stets auf der Tagesordnung zu halten. „Es ist es wert, dass man sich dafür einsetzt.“

Die anschließenden Fragen zur Situation der Christen, ob in Nordkorea, China oder Indonesien, zeigten einmal mehr, wie dramatisch deren Situation weltweit ist.

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