Tauberbischofsheim. Kurz vor Weihnachten hätten die Bewohnerinnen und Bewohner von Haus Heimberg Kündigungen erhalten, jetzt seien sie total verunsichert. Außerdem gebe es im neuen Haus Heimberg, das derzeit an der Kapellenstraße entsteht, nur noch neun Ein-Zimmer-Wohnungen, im alten Haus seien es über 45 gewesen. Und auch der künftige Mietpreis sei so hoch, dass sich den kaum jemand leisten könne, wurde kolportiert.
Ein weiterer Punkt war das Thema Küche. Eine Zeile mit Herd, Spüle und Schränken, wie auf den Grundrissen vermerkt und wie im alten Haus üblich, solle es im neuen nicht geben, so die Aussage. Wer sich selbst Mahlzeiten zubereiten wolle, müsse sich eine eigene Küche einbauen, eine entsprechende Unterstützung beim Kauf sei zugesagt.
Zum Hintergrund: Betreutes Wohnen im neuen Haus Heimberg
60 seniorengerechte und barrierefreie Service-Wohnungen wird es im neuen Haus Heimberg geben.
Davon sind neun Ein-, 45 Zwei- und sechs Drei-Zimmerwohnungen.
Alle verfügen über Balkon oder Loggia, bodentiefe Fester, elektrische Außenjalousien, hochwertige Badausstattung mit ebenerdiger Dusche, Anschlüsse für Waschmaschine, Trockner und Herd, Gegensprechanlage mit Türöffner und abschließbarem Kellerabteil.
Auf jedem Stockwerk gibt es darüber hinaus einen Abstellraum für Fahrräder oder E-Scooter. Ein Parkplatz ist außerdem zu haben.
Der Mietpreis der Wohnungen beträgt 21 Euro pro Quadratmeter und enthält alle Nebenkosten wie Strom, Müllgebühren, Heizung, Fernseh- und Internetanschluss, Reinigung von Fluren und öffentlichen Flächen, Winterdienst, Gartenpflege, die Wartung des Fahrstuhls sowie das Brandschutz- und Evakuierungskonzept.
Zur Warmmiete hinzu kommt eine Servicepauschale von 80 Euro.
Sie beinhaltet die telefonische Notruf-Bereitschaft, die soziale Beratung, die Vermittlung von Einkaufshilfen oder einem Pflegedienst. Außerdem ist die Teilnahme an Feiern und Angeboten und die Nutzung von Gemeinschaftsräumen inkludiert.
Die Fränkischen Nachrichten erreichte unter anderem eine Zuschrift eines Angehörigen, der namentlich nicht genannt werden will. Dort heißt es, dass die Mutter derzeit für ein etwa 25 Quadratmeter großes Ein-Zimmer-Appartement mit Küchenzeile 537 Euro einschließlich aller Nebenkosten bezahle. Im neuen Haus sei ein Ein-Zimmer-Appartement mit 40 Quadratmetern zwar wesentlich größer, schlage einschließlich der Servicepauschale von 80 Euro aber mit 920 Euro zu Buche. Das seien fast 400 Euro mehr.
In großer Sorge
„Meine Mutter und viele ihrer Mitbewohnerinnen und Mitbewohner sind in großer Sorge. Viele wissen nicht, wie sie die baldigen Mietkosten aufbringen sollen oder ob sie überhaupt im neuen Haus ,unterkommen’ werden“, heißt es. Moniert wird auch der Vorschlag an diejenigen, die sich ein Ein-Zimmer-Appartement im neuen Haus nicht leisten können. Sie könnten sich doch zusammenzuschließen und eine Wohngemeinschaft gründen oder sich überlegen, in den Pflegebereich zu wechseln. Außerdem kritisiert der Angehörige den Zeitpunkt der Kündigung am 21. Dezember: „Vom Begriff aus dem Amtsdeutsch ,Weihnachtsfriede’ haben die Barmherzigen Brüder Trier wohl noch nie gehört.“
Immer informiert sein
Auch Gernot Seitz, langjähriger Gemeinde- und Kreisrat, bekam von der Unruhe im Haus Heimberg Wind. „Ich bin von Bewohnern angesprochen und angerufen worden. Sie haben mir ihre Sorgen um die Bezahlung der viel teureren Miete berichtet“, so Seitz. „Sie haben mich gefragt, ob das Sozialamt in Härtefällen dazu zahlt.“ Auch den Zeitpunkt für die Informationen im Dezember hält er nicht für ideal: „Es wäre besser gewesen, wenn diese Gespräche schon im Herbst geführt worden wären.“
Außerdem sei immer wieder das Küchenthema zur Sprache gekommen. Es könne doch nicht sein, dass Leute, die zwischen 90 und 96 Jahre alt sind, und nicht wissen, wie lange sie überhaupt noch alleine wohnen können, in eine neue Küche investieren müssen, so Seitz. Da würden auch Nachlässe beim Kauf nicht helfen. „Ich war sehr überrascht, dass die Wohnungen ohne Küchen vermietet werden sollen, denn sowohl im Haus in Grünsfeld als auch in Distelhausen sind Küchen vorhanden. Dasselbe müsste doch auch für Tauberbischofsheim gelten“, meint er.
Die Verantwortlichen bekräftigen, dass sie die Bewohner so zeitnah wie möglich informiert haben. Stefanie Krömker, Hausoberin der Seniorenzentren der Gesundheitsholding Tauberfranken, berichtet von drei Terminen am 8. und 9. Dezember des vergangenen Jahres für die Bewohner des betreuten Wohnens. Dabei wurden die Mieterinnen und Mieter auch über die notwendige Kündigung informiert.
Ihnen sei mitgeteilt worden, dass einige der besonders langjährigen Bewohner eine Kündigungsfrist von einem Jahr hätten. Um keine Unruhe oder Verwirrung aufkommen zu lassen, sei deshalb allen zum gleichen Zeitpunkt im Dezember gekündigt worden, so die Erläuterung. „Wir haben erst informiert und dann erst gekündigt. Wir haben das nicht getan, weil wir den Leuten das Weihnachtsfest verderben wollten“, bekräftigt Ute Emig-Lange, Pressesprecherin der Gesundheitsholding. Und Stefanie Krömker fügt an: „Wir haben es wegen des Baufortschritts einfach nicht früher geschafft.“
Auch Einrichtungsleiter Marcel Hofmann betont, dass sowohl er als auch Stefanie Krömker persönliche Beratungsgespräche angeboten hätten und das auch weiterhin tun. Zudem sei ein Infoblatt erstellt worden, auf dem kurz und knapp die wichtigsten Fragen beantwortet werden: Warum wird die Wohnung gekündigt? Wann muss ich ausziehen? Bekomme ich eine Wohnung im neuen Haus Heimberg und genau die, die ich möchte?
Eines sei klar, so die Hausoberin: „Die jetzigen Mieter haben den Vorgriff bei der Wohnungswahl im neuen Haus Heimberg.“ Marcel Hofmann fügt an, dass Interessenten von außen zwar auf eine Liste gesetzt würden, die Wohnungen aber erst auf den freien Markt kämen, wenn die bisherigen Bewohner versorgt seien. Außerdem gebe es für sehr Betagte auch die die Möglichkeit, sich nicht mehr für eine neue Wohnung, sondern für den Pflegebereich zu entscheiden. Bis zum 28. Februar haben die Bewohner Zeit, ihre Wunschwohnung anzumelden.
Stefanie Krömker weiß, dass sich viele im betreuten Wohnen im alten Haus Heimberg sehr wohl fühlen und am liebsten bleiben würden. „Als älterer Mensch ist es ein Riesending umzuziehen“, räumt sie ein. Doch baulich sei das alte Haus Heimberg nicht mehr vertretbar. Teilweise regne es durch, die Zimmer im Pflegebereich entsprächen nicht mehr der Landesheimbauverordnung. „Im neuen Haus haben wir eine ganz andere Qualität. Doppelzimmer mit Stationsbad wird es da nicht mehr geben.“ Einen Preis für den Pflegebereich und für die Tagespflegeplätze kann sie derzeit allerdings noch nicht nennen. In beiden Bereichen stünden die Pflegesatzverhandlungen noch aus.
„BBT ist keine Heuschrecke“
Die Hausoberin gesteht zu, dass die Mieten von Alt- und Neubau nicht vergleichbar seien. „Wir erfüllen alle Auflagen. Wir bauen Qualität und die ist teuer in Deutschland“, sagt sie. „Mit dem Bau soll erreicht werden, dass es eine Schwarze Null gibt. Wir wollen keinen Profit erwirtschaften. BBT ist keine Heuschrecke“, stellt sie fest. Marcel Hofmann beschreibt die Vorteile. Es gebe mehr Platz, das Bad sei ebenerdig, jeder habe seine eigene Loggia, könne seine eigene Waschmaschine anschließen und verfüge über komplette Barrierefreiheit. Außerdem gebe es breite Flure mit Sitzecken auf jeder Etage.
Vor der Planung des neuen Hauses sei eine Umfrage unter den Bewohnern gestartet worden. Da sich viele mehr Platz und am besten ein weiteres Zimmer gewünscht hätten, um eine Trennung von Wohn- und Schlafbereich zu haben, sei nach dieser Prämisse vorgegangen worden, erläutert Emig-Lange. Der Vorschlag, vielleicht eine Wohngemeinschaft in einer größeren Wohnung zu bilden, wenn sich zwei Menschen gut verstehen oder es sich um Geschwister handelt, sei lediglich als Denkanstoß geäußert worden, ergänzt Stefanie Krömker.
Perspektive schaffen
Sie ist sich der Herausforderung bewusst, die ein solcher Neuanfang mit sich bringt. Sie ist sich aber auch sicher: „Wir haben nicht 60 verzweifelte Mieter in Haus Heimberg.“ Die meisten könnten sich die Mieten leisten, vielleicht seien es drei oder vier Bewohner, die ein Zuhause im Neubau nicht finanzieren könnten. Hier wolle man beraten und nach Lösungen suchen, um eine Perspektive zu schaffen.
„Dass eine Küche nicht dabei ist, hat einige sehr geärgert“, so der Einrichtungsleiter. Stefanie Krömker bekräftigt, dass sie den Unmut verstehen und nachvollziehen könne. Denn wer vor einem Jahr sein Haus samt Küche verkauft habe, ärgere sich, wenn er jetzt eine neue anschaffen müsse. „Das Thema Küche ist noch in Klärung“, berichtet die Hausoberin deshalb vom noch offenen Prozess.
„Beim Thema Küche ging ein großer Sturm los“, berichtet Marianne Goergen, Die bald 95-Jährige wohnt seit zehn Jahren im Haus Heimberg und fühlt sich sehr wohl dort. „Wir haben eine nette Gesellschaft hier“, sagt sie.
Sie räumt ein, dass es einige Diskussionen und Unsicherheiten rund um den Umzug ins neue Haus gegeben habe und gibt. „Es sind viele, die ausziehen wollen“, berichtet sie und schätzt die Zahl auf rund 20. Sie ergänzt: „Momentan herrscht keine gute Stimmung im Haus.“ Die konkrete Verteilung, wer wohin ziehen werde, sei noch nicht in trockenen Tüchern. Der Umzug wird wahrscheinlich auch erst Anfang 2023 anstehen.
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