Gesundheitspolitik

Protesttag: Apotheker zeigen Lauterbach rote Karte

Apotheken machen am 22. November ihrem Ärger Luft: Sie stehen vor großen Problemen - doch die Reformpläne Lauterbachs könnten die Situation nur noch verschlimmern. Gibt es bald gravierende Versorgungsengpässe?

Von 
Klaus T. Mende
Lesedauer: 
Die Apotheken in Bayern und Baden-Württemberg machen am Mittwoch, 22. November, mit einem Protesttag ihrem Ärger Luft über die Gesundheitspolitik von Minister Karl Lauterbach. Viele Pforten bleiben an diesem Tag geschlossen – ein Notdienst ist allerdings gewährleistet. © DPA

Odenwald-Tauber/Stuttgart. Erst die Krankenhäuser, danach die Ärzteschaft und nun die Apotheken – ganze Branchen machen Front gegen die Gesundheitspolitik von Minister Karl Lauterbach. „So kann es nicht mehr weitergehen“, sagt Frank Eickmann, Pressesprecher und stellvertretender Geschäftsführer des Landes-Apothekerverbandes (LAV) Baden-Württemberg, im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten. 

Auf dem Schlossplatz in Stuttgart gibt es an diesem Tag eine große Kundgebung, zu der 4000 bis 5000 Teilnehmer aus Bayern und Baden-Württemberg erwartet werden, so der Pressesprecher. „Es ist für die gesamte Apotheken-Branche schon fünf nach Zwölf. Deswegen startet der große Protest auch um 12.05 Uhr – nach einem ,Warm up’ ab 11 Uhr“, blickt Eickmann nach vorn. Auch aus den Kreisen Main-Tauber und Neckar-Odenwald werden zahlreiche Standesvertreter mit ihren Mitarbeitern in der Landeshauptstadt erwartet. Es wäre wichtig, mit einer Stimme zu sprechen, „um auf die Missstände aufmerksam zu machen“, meint der Sprecher.

Weitere Schließungen von Apotheken drohen

Nachdem 2022 bundesweit rund 400 Apotheken für immer zugemacht hätten, „dürfte sich die Zahl der Schließungen 2023 auf 600 zubewegen“, sagt Eickmann. Die Alarmglocken schrillten lauter denn je – bei Karl Lauterbach seien diese Signale bislang scheinbar aber nicht angekommen. Er arbeite an Vorschlägen, die für eine Entspannung der Situation sorgen sollen. Doch mit dieser Erwartung stehe er allein auf weiter Flur, ist aus Stuttgart weiter zu erfahren. Wenn er nicht zeitnah eine 180-Grad-Wende vollziehe, sei eine „wohnortnahe, flächendeckende Versorgung der Menschen in Gefahr – vor allem im ländlichen Raum“.

Der LAV kritisiert die Pläne von Karl Lauterbach, die Branche „reformieren“ zu wollen, um sie – aus seiner Sicht – in eine bessere Zukunft zu führen, scharf. „Denn genau das Gegenteil ist der Fall, wenn dies so umgesetzt wird“, findet Eickmann deutliche Worte.

Droht eine "Aushöhlung des Systems"?

Der Gesundheitsminister will die Versorgung der Bevölkerung gewährleisten, indem das tägliche Apotheken-Geschäft sich ausschließlich auf Zentralen konzentrieren soll. Zwar bekämen sie die Möglichkeit, weiterhin Filialen zu betreiben. Allerdings sollten diese ausschließlich von Pharmazeutisch-Technischen Angestellten (PTA, und nicht mehr von Apothekern) geführt werden können, keinen Notdienst mehr anbieten und auch keine Laborarbeiten mehr durchführen müssen. Sie würden somit zu „Abgabestellen für Fertigarzneimittel“ herabgestuft, ärgert sich der Pressesprecher. Dies wäre „eine Aushöhlung des Systems“, die Filialen würden zu „Schein-Apotheken“ herabgestuft, weil viele Leistungen komplett wegfielen.

Zwischenzeitlich habe sich auch der Berufsverband der PTA bereits zu Wort gemeldet mit der klaren Aussage, dass dies so auf keinen Fall umzusetzen sei.

Anstatt Lobby-Arbeit zu betreiben, werde von einem Gesundheitsminister eigentlich erwartet, dass er das Problem an der Wurzel bekämpfe, was jedoch nicht geschehe. „Wir kämpfen auch gegen eine chronische Unterfinanzierung an“, macht Frank Eickmann gegenüber unserer Zeitung deutlich. Bis auf eine Erhöhung von drei Prozent vor elf Jahren lägen die Honorare in der Branche seit zwei Jahrzehnten auf demselben Level. „Die Betriebskosten laufen aus dem Ruder“, deswegen müssten die Sätze dringend angepasst werden.

Mehr zum Thema

Gesundheitswesen

Eigene Praxis? Nein danke!

Veröffentlicht
Von
Waltraud Kirsch-Mayer
Mehr erfahren
BBV-Glasfaser-Netzausbau

Main-Tauber-Kreis: Schnelles Internet lässt auf sich warten

Veröffentlicht
Von
Sascha Bickel
Mehr erfahren

Bürokratieabbau gefordert

Jede dritte Apotheke habe ein jährliches Betriebsergebnis von unter 75 000 Euro, wovon noch weitere Kosten abgezogen würden. „Es ist betriebswirtschaftlich eigentlich nicht sinnvoll, solch ein Geschäft noch weiter zu führen.“ Jegliches Gerede von reichen und wohlhabenden Apothekern seien mittlerweile absurd, so der Sprecher, und nicht mehr als eine Mär.

Weiterhin stehe ganz oben auf der Forderungsagenda, dass „endlich ein Bürokratieabbau in großem Maße“ erfolge und Schritte eingeleitet würden, um mehr Nachwuchs zu akquirieren – ganz zu schweigen von der Tatsache, dass es bei vielen Medikamenten permanente Lieferengpässe gebe.

Bestreben von der Politik müsse es sein, zeitnah den Hebel umzulegen – „ansonsten kann eine flächendeckende Arzneimittelversorgung“ nicht mehr gewährleistet werden. Und zu den ersten, die dies zu spüren bekämen, gehörten ländliche Räume „wie die Regionen Neckar-Odenwald und Main-Tauber“.

Mit diesem Protesttag in der Landeshauptstadt wolle man seinen Unmut kundtun und Gesundheitsminister Karl Lauterbach die rote Karte zeigen. Der LAV freue sich über jeden Beschäftigten, der zur Demo nach Stuttgart komme. „Es ist wirklich fünf nach Zwölf.“

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke