Tauberbischofsheim. Unfälle, Revierkämpfe, in seltenen Fällen auch ein nicht korrekt gesetzter Schuss eines Jägers: Schwer verletzte Tiere sind in der Natur leider keine Seltenheit. Wenn sie niemand findet, sterben sie einen qualvollen Tod.
Astrid Hemmrich stammt aus einer alten Laudaer Jägerfamilie – schon ihr Urgroßvater war Jäger. Das Revier dort haben die Hemmrichs seit 1898 gepachtet. Schon als Kind empfand sie es fast als Strafe, wenn sie nicht mit auf die Jagd durfte. Deshalb hatte auch der Klavierunterricht keine große Chance, wie sie lachend im FN-Gespräch im Wald oberhalb von Tauberbischofsheim erzählt.
Sie erinnert sich noch gut an die Gespräche zuhause, wenn es um den ersten Seidelbast draußen ging, um die erste Bachstelze, die ersten jungen Füchse und Frischlinge. Kaum jemand bekomme den Lauf der Natur so unmittelbar mit wie ein Jäger, meint die 46-Jährige und stellt klar: „Wir sind nicht nur draußen und schießen. Wir sind vor allem auch Heger und Pfleger.“ Astrid Hemmrich bezeichnet sich selbst als „absolute Tierfreundin“ und zitiert den Tauberbischofsheimer Kreisjägermeister Hubert Hartnagel: „Nur wer Tiere liebt, kann ein guter Jäger sein.“
Immer informiert sein
Zoran liebt „Action“
Seit 28 Jahren hat sie ihren Jagdschein. 18 war sie, als sie ihn bekommen hat. „Dafür habe ich mehr gelernt als fürs Abitur“, erinnert sie sich. Zum Gespräch über ihre besondere und verantwortungsvolle Tätigkeit hat sie natürlich auch Zoran mitgebracht. Der Bayerische Gebirgsschweißhund wird am Samstag drei Jahre alt und ist für Nachsuchen wie geschaffen.
Mit seinem Frauchen – korrekt: seiner Führerin – verbringt er jeden Tag Stunden in Wald, morgens, mittags, abends. „Er braucht wahnsinnig viel Bewegung“, weiß Astrid Hemmrich. Im Frühjahr hat sie wieder mit dem Inlineskaten angefangen, da kann Zoran sich neben ihr richtig auspowern.
Weil sie sich schon lange für die Nachsuche interessiert hatte, wandte sie sich an den inzwischen pensionierten Gerchsheimer Forstbeamten Klaus Heil. Bis April war er Nachsuchenführer beim Kreisjagdverein Tauberbischofsheim: „Von ihm habe ich wahnsinnig viel gelernt.“
Er wurde dann auch ihr Pate, als es um den Klub für Bayerische Gebirgsschweißhunde ging – ohne einen Paten findet man dort keine Aufnahme. Das erfahrene Altmitglied Klaus Heil stand ihr beim Welpenkauf beratend zur Seite.
Sehr gute Bewertung für das Team
Ihre Wahl fiel auf Zoran, weil er der größte Welpe des Wurfs war. Sie strahlt: „Er ist ein unglaublich toller Hund. Ich habe schnell gemerkt, dass er zu super Leistungen fähig ist und hochkonzentriert arbeitet.“ Das kann sie auch belegen: Bei der Vorprüfung des Teams Hemmrich sprach die Fachrichtergruppe von einem „kräftigen, temperamentvollen Rüden mit ruhigem Suchstil“, dem Gespann attestierte sie eine harmonische Arbeitsweise.
Die bestandene Vorprüfung war die „Fahrkarte“ für die Arbeit der beiden „Berufsanfänger“. Zoran hat seitdem über 30 Einsätze absolviert – wohlwissend, dass es nach schwierigen Suchen immer seine Lieblingsleckerli wie Leberwurst und ein bisschen Butter gibt: „Je fettiger, desto besser“, sagt Astrid Hemmrich und lacht.
Nachsuche ist im Bundesjagdgesetz verankert
Für Nachsuchegespanne gibt es beim baden-württembergischen Landesjagverband eine Anerkennungsstelle.
Darin sind unter anderem folgende Grundsätze festgelegt: Der Nachsucheführer muss einen Jagdschein besitzen sowie Eignung, Fachkenntnis und Leistungsfähigkeit vorweisen.
Er muss mindestens 30 Nachsuchen pro Jahr absolvieren und ein Anerkennungsverfahren durchlaufen.
Für die Nachsuche sind Hannoversche Schweißhunde, Bayerische Gebirgsschweißhunde und die Alpenländische Dachsbracke, aber auch andere Jagdhunde zugelassen, die eine anspruchsvolle, erschwerte Prüfung bestanden haben und alle erforderlichen Kriterien nachweisen müssen.
Zoran entstammt dem Klub für Bayerische Gebirgsschweißhunde 1912.
Dies ist ein Verein zur Rassehundezucht im Sinne der Satzung des Verbands für das Deutsche Hundewesen (VDH) und Deutschlands einziger Rassehundzuchtverein für Bayerische Gebirgsschweißhunde, der Mitglied in VDH, im Jagdhundgebrauchsverband und Gründungsmitglied im Internationalen Schweißhundverband ist.
Die fachgerechte Nachsuche ist im Bundesjagdgesetz verankert. sk
Jeder Wildunfall ist meldepflichtig
Seine größte Belohnung ist es jedoch immer, schwer verletztes Wild zu finden. Sie wird schlagartig ernst. Die Jägerin will nicht ins Detail gehen, doch allein schon die Erinnerung an besonders schlimme Fälle treibt ihr die Tränen in die Augen. Sie betont, dass jeder Wildunfall meldepflichtig ist und man sofort die Polizei oder den Jagdpächter zu informieren hat – und nicht erst Stunden danach.
Wie schwierig und gefährlich solche Nachsuchen für Mensch und Tier sind, beschreibt sie an einem Beispiel aus dem vergangenen November. 17 Kilometer hatte sie hinterher auf ihrem GPS-Tracker, 17 Kilometer durch teilweise schwerstes Gelände und einem Zoran, der dann in seinem Element ist und richtig zieht.
Die Schutzkleidung, die Astrid Hemmrich mitsamt Helm bei ihren Einsätzen trägt, ist schwer und gehört auch sonst nicht in die Kategorie Wohlfühlklamotten: „Im Sommer schwitzt man darin und im Winter wird man klatschnass. In der kalten Jahreszeit ist die Badewanne mein bester Freund“, sagt die Physiotherapeutin, die in Lauda eine eigene Praxis betreibt. Nach solch einer Suche, die durchaus zu einer „Schinderei“ ausarten kann, hat sie oft Dornen und „blaue Flecken ohne Ende“.
Auch ihr Hund ist bei seinen Einsätzen als „Detektiv“ voll ausgestattet: Er trägt ebenfalls einen GPS-Tracker, dazu eine Schlagschutzweste gegen Angriffe von Wildschweinen und neuerdings auch einen Schutz gegen den Kehlbiss von Wölfen.
Wie gefährlich solche Einsätze sind, macht Astrid Hemmrich an diesem Beispiel deutlich: „Man muss immer damit rechnen, dass das verletzte Wildschwein in der nächsten Brombeer- oder Schwarzdornhecke stecken kann und, wenn die Fluchtdistanz unterschritten ist, sofort angreift.“
Nicht selten werden Suchhunde im Einsatz auch überfahren – ein Gedanke, den sie gleich wieder abschüttelt.
„Wir lernen voneinander“
Viel lieber spricht die passionierte Jagdhornbläserin über Zoran und seine eigene Sprache bei der Arbeit: „Er bellt bei einem Reh anders als bei einem Wildschwein, und sein Bellen ist bei einem stehenden Tier anders als bei einem liegenden oder rennenden. Wenn er kurz verharrt, weiß ich, dass wir in einen Gefahrenbereich kommen. Ich muss auf jedes seiner Signale achten und lerne von ihm genauso wie er von mir.“
Eine Suche ist für Astrid Hemmrich erst beendet, „wenn ich für mich entschieden habe, dass der Hund nicht mehr weiterkommt oder die Verletzung des Tieres nicht so schlimm ist wie befürchtet“. Sie steht übrigens auch für die Kreisjägervereinigung Mergentheim für Nachsuchen zur Verfügung.
„Supernase“ Zoran fängt nun an zu quengeln. Wenn man seine Gedanken richtig interpretiert, fragt er sich gerade, warum seine Chefin sein ganzes Arbeitsgeschirr auf dem Waldweg ausbreitet, es ihm aber nicht anlegt und er endlich arbeiten darf. Er tröstet sich mit einem Stück Holz, auf dem er nun mit seinen blitzend weißen Zähnen herumkaut.
Vom baden-württembergischen Landesjagdverband ist die Powerfrau als Nachsucheführerin anerkannt und kann theoretisch, wenn sie gebraucht wird, „über jede Reviergrenze drüber“ – und das immer im Namen des Tierschutzes.
Tierliebe heißt für Astrid Hemmrich nämlich auch, das schwer verletzte Wild von seinen Leiden zu erlösen. Wie sie sich dabei fühlt? „Ich bin erst einmal froh, es überhaupt mit Zorans Hilfe gefunden zu haben. Oft habe ich dabei Tränen in den Augen, aber ich spüre auch pure Erleichterung.“
Zoran – immer wieder fällt ihr Blick auf ihren Hund. Sie knuddelt ihn und sagt: „Ich hab’ diesen Kerl so lieb. Wenn er mich ansieht, schaut er mir direkt ins Herz hinein.“
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