Auftritt in der Distelhäuser Kirche

Musik bietet Heimat und Geborgenheit

Bläserensembles des Heeresmusikkorps Veitshöchheim überzeugen mit anspruchsvollen Darbietungen in der Vorweihnachtszeit

Von 
Renate Henneberger
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13 Musiker präsentierten Musik aus „einem Guss“. Unser Bild zeigt das gesamte Konzertensemble unter der Leitung Christian Thelen (rechts an der Oboe). © Renate Henneberger

Distelhausen. Ein bisschen ist es für die Musiker des Heeresmusikkorps Veitshöchheim wie „Heimkommen“, das Eintauchen in die freundliche Atmosphäre der charmanten kleinen Dorfkirche St. Markus. Ihr jährliches Adventskonzert ist längst eine liebgewordene Tradition in Distelhausen. Bürgermeisterin Anette Schmidt wendet sich an die Zuhörer: „Mit Ihrer Spende setzen Sie ein Zeichen für Gemeinschaft und Solidarität, denn der Erlös aus dem Konzert kommt dem Sozialwerk der Bundeswehr, dem Kirchenbauförderverein und der Musikkapelle Distelhausen zugute.“

Gleich zu Beginn nimmt das Blechbläserensemble unter der Leitung von Sebastian Walter sein Publikum mit hinaus in einen klirrend kalten Winterabend. Ruhig fließt die Melodie, ernst und getragen, wie die raue Landschaft von Böhmerwald und Erzgebirge. Überraschender Rhythmus- und Szenenwechsel: Die acht Musiker gewähren einen Blick durchs Schlüsselloch einer kleinen tschechischen Glasmanufaktur. Emsige, schwitzende Menschen um einen Schmelzofen drehen an blasrohrartigen Pfeifen Christbaumkugeln und Weihnachtsfiguren.

Dann wieder die unendliche Stille verschneiter Höhen und Wälder, über die sich die Dämmerung legt. Wunderbar gelingt es den Blechbläsern, Stimmungen einzufangen, in denen der lauschende Zuhörer verweilen möchte. „Musik spielt mit der Vergänglichkeit des Augenblicks“ – Worte von Christian Sprenger, Professor für Posaune an der Musikhochschule in Weimar und Komponist des „Böhmischen Wintermärchens“.

Sensibel und verwundbar interpretiert

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„Seine Musik erzählt von unserer Verletzlichkeit“, meint Bachkenner John Eliot Gardiner. Der Text zu Johann Sebastian Bachs berühmter Kantate „Eine feste Burg ist unser Gott“ stammt von Martin Luther. Der Reformator hat den Menschen Bibeltexte zugänglich gemacht, der Komponist hat seine herrliche Musik darübergelegt. Sensibel und verwundbar interpretiert das Holzbläserquartett unter der Leitung von Valerie Walter das ursprünglich für Orgel komponierte Vorspiel zur Bachkantate nach einer Bearbeitung von Mike Magatagan.

Die Dämmerung, die „blaue Stunde“, die kurze Zeitspanne zwischen Tag und Nacht, inspirierte den französischen Musiker und Komponisten Louis Emmanuel Jadin (1768 – 1853) zu „Nocturne“. Elegant und zugleich virtuos zelebrieren Querflöte, Oboe, Horn und Fagott die Schönheit der einbrechenden Nacht. Zwischen Tag und Nacht erwachen Gedanken, für die am Tag keine Zeit ist. „I Dreamed a Dream“ aus dem Musical „Les Misérables“ ist die Klage über ein gescheitertes Leben und geplatzte Träume. Valerie Walter, die durch das Abendprogramm führt, hat das Lied der verzweifelten Fantine für Holzbläser arrangiert.

Die Ästhetik des Spiels spiegelt alle Stimmungsnuancen geheimer Wünsche, zerronnener Hoffnung und unerfüllter Sehnsucht wider. „I have a dream“ – unwillkürlich schweifen die Gedanken zur berühmten Traumrede von Martin Luther King, zu dessen leidenschaftlichem Appell für Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit.

Im sanften Licht des Mondes verschwimmen Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit. Die Mondlandung, das erste Betreten des Mondes durch einen Menschen, war eine Ernüchterung. Ein Haufen Steine soll er bloß sein? Das Posaunenensemble gibt ihm etwas von seinem alten Zauber zurück. Alles scheint unter den sanften Klängen des Swing-Klassikers „Fly Me to the Moon“ möglich zu sein. Fast möchte man wieder daran glauben, dass es ihn gibt, den geheimnisvollen „Mann im Mond“.

Mit dem Moderato aus dem „Trombone Quartet Nr. 1“, einer Komposition des niederländischen Bassposaunisten Steven Verhelst, beweist Kai Begemann mit seinem Posaunenquartett, dass sie nicht nur über lange Arme und ein großes Lungenvolumen verfügen. Mit viel Feingefühl für Klang bringen die Vier alle Facetten ihres Instruments zur Geltung. Wer hätte das gedacht: So einschmeichelnd und verführerisch, so bezaubernd sinnlich kann eine Posaune klingen.

Eine weite Reise haben die Zuhörer zurückgelegt. Mal sind sie zu Fuß durch tiefen Schnee im Böhmerwald gestapft, dann waren sie mit der U-Bahn unter den Straßen von New York unterwegs, auf der Suche nach „Santa Claus“. Mit dem Raumschiff sind sie bis zum Mond geflogen, um dann, wieder zurück auf der Erde, mit dem Pferdeschlitten zur temperamentvollen „Sleigh Ride“ aufzubrechen. Ein Fortbewegungsmittel fehlt noch. Der amerikanische Komponist Kevin McKee lässt die „Blue Goose“ in den Bahnhof einfahren, die schöne alte Dampflok aus seiner Kinderzeit in Kalifornien. Über den schneebedeckten Bergen, die das „Shasta Valley“ umrahmen, geht gerade die Sonne auf. Die Passagiere lauschen dem leisen Geräusch des dahintuckernden „Iron Horse“.

Der Blick aus dem Fenster offenbart ein bezauberndes, sanft hügeliges Tal. Das „Zugpersonal“, fünf Blechbläser, lassen die Fahrt zu einem unvergesslichen Erlebnis werden. Bilder gleiten an den Augen der Reisenden vorbei, die sich ganz eingehüllt von Tönen, in ihren Sitzen zurücklehnen. Gibt es noch eine Steigerung von wunderschön? Da erklingen weich und dunkel die ersten Takte der wohl berühmtesten Melodie des Barocks. Die Tuba, die als Soloinstrument eher ein Nischendasein führt, hat an diesem Abend mit ihrem meisterhaften Spieler, Manuel Aulinger, einen großen Solo-Auftritt. Überirdisch, wie nicht von dieser Welt, schwebt das „Air“ aus der Bach-Suite Nr. 3 durch den Kirchenraum.

Musik, die staunend und sprachlos macht

Sehr weihnachtlich wird es am Ende mit einem Medley bekannter Weihnachtslieder. Ganz leise stellt sich Vorfreude auf das Fest ein. Eine klug durchdachte Auswahl der Stücke zeichnet dieses Konzert ebenso aus, wie die überragende musikalische Leistung. Dank richtet Dekan Thomas Holler an das Musikkorps Veitshöchheim für „die traumhaft schöne Musik, die den Zuhörer staunend und sprachlos zurücklässt.“

Die Kirchenrenovierung, für die ein Teil der Spenden Verwendung findet, werde in Kürze nach längerem Stillstand wieder aufgenommen, kündigt der Dekan an. „Diese schöne Kirche ist weit mehr als ein erhaltenswertes Bauwerk.“ Ernst fügt er hinzu: „Sie ist für viele Menschen in der Region ein Ort, wo sie – wie auch in der Musik – seelische Heimat und Geborgenheit finden. Und das heißt heute etwas, in einer Zeit, wo die Welt aus den Fugen geraten ist.“

Nirgendwo klingen die Glocken vertrauter als zu Hause. Mit einer Fantasie zu „Süßer die Glocken nie klingen“ läutet das Konzertensemble die Weihnachtszeit ein und geleitet sein Publikum, dessen begeisterter Applaus kein Ende nehmen will, hinaus in die Winternacht.

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