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Main-Tauber-Kreis: Nachfolgesuche mühselig bis hoffnungslos

Steinmetzbetrieb und Kfz-Autohaus wollen ihre Unternehmen an engagierten Nachwuchs übergeben.

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Heike von Brandenstein
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Steinmetz Matthias Oed beim Bearbeiten einer Urnengrabplatte. © Heike von Brandenstein

Main-Tauber-Kreis. Der Friedhof ist ein Spiegel des gesellschaftlichen Wandels.“ Matthias Oed, Steinmetzmeister aus Bad Mergentheim, sagt das. Der Satz wirkt, als würde man an einer Führung über den Wiener Zentralfriedhof teilnehmen, die den Wandel der Bestattungskultur im Laufe der Jahrhunderte zum Thema hat.

Oed ist Praktiker, Pragmatiker und Träumer in einem. Der Handwerker führt seinen Betrieb in der vierten Generation. „Ich bin in erster Linie auf Friedhöfen unterwegs“, informiert der fast 63-Jährige. Bei Wind und Wetter ist Matthias Oed draußen. Er kniet viel auf Gräbern, wuchtet schwere Grabsteine, arbeitet mit Gravurgeräten, die ihre Vibration auf seine Hand und seinen Arm übertragen. All das fordert nicht nur, sondern verlangt über die Jahre auch körperlich seinen Tribut.

Nicht zuletzt deshalb strebt Matthias Oed den Ruhestand an. Gern würde er das seit 100 Jahren bestehende Familienunternehmen in jüngere Hände geben. Doch wie bei vielen Handwerkern fehlt es an einem Nachfolger oder an einer Nachfolgerin.

Vor gut einem Jahr hat der Steinmetzmeister begonnen, sich mit dem Thema Nachfolge auseinanderzusetzen. „Ich bin selbst aktiv geworden, habe Anzeigen in Fachzeitschriften geschaltet und Mundpropaganda in der Innung gemacht“, berichtet er. Auch mit Andreas Kolban von der Handwerkskammer Heilbronn-Franken, zuständiger Unternehmensberater für den Main-Tauber- und den Hohenlohekreis, hat er Kontakt aufgenommen. Oeds Nachfolgegesuch wurde daraufhin in verschiedene Suchmaschinen eingestellt. Ohne nennenswerte Resonanz.

Starker Wandel in der Bestattungskultur

„Die Hauptarbeit liegt bei den Gräbern, daneben mache ich ein wenig Gartenbau, ab und an Duschen oder einen Waschtisch“, beschreibt Matthias Oed seinen Alltag. Die Arbeit auf dem Friedhof habe sich allerdings stark verändert. „Ein gewisses Ego setzt sich immer weiter fort“, beschreibt er die Tendenz der Bestattungsrealität.

Was er damit meint? Dass Kinder oder andere Angehörige den Willen der Eltern oder nahen Verwandten teils nicht respektieren. Aus dem Wunsch nach einer Erdbestattung werde dann doch eine Einäscherung mit einer pflegefreien Urnenbeisetzung. „Das ist auch der zunehmenden Mobilität von Kindern und Kindeskindern geschuldet“, weiß der Steinmetz. „Die Grabpflege über Jahrzehnte kann kaum einer mehr leisten.“ Dennoch schmerzt ihn dieser Trend.

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Heike von Brandenstein
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Matthias Oed sieht sein Handwerk realistisch: Die Zahl der Einäscherungen habe drastisch zugenommen und liege bei 80 Prozent. Ein Drittel der Verstorbenen würde unter der Wiese oder im Wald bestattet, so dass kein Grabstein mehr nötig sei. Bei Urnengräbern auf dem Friedhof seien Platten von 30 mal 20 Zentimetern die Regel, weil da ein Rasenmäher drüberfahren könne. „Es gibt immer weniger Arbeit“, resümiert Matthias Oed, der sich für echte Highlights begeistern kann. So einer ist ein schwarzer Granitstein, den er mit einer schönen Inschrift versehen hat. „Der Stein kommt in der Form fertig bei mir an, das Besondere sind die Swarovski-Steine, die ich eingearbeitet habe“, weist er auf die in der Sonne funkelnden Kristallglasminiaturen hin. So ein Auftrag macht ihm Freude.

Überhaupt ist er Steinmetz aus Leidenschaft, auch wenn er den Wandel in seinem Handwerk beklagt. Das Gros der Grabsteine komme aus Übersee: aus Indien, Brasilien oder Sri Lanka über Rotterdam mit einer Lieferzeit bis zu einem halben Jahr. Einheimische Steine kosteten rund ein Viertel oder gar ein Drittel mehr, was viele Angehörige zu „Fertigprodukten“ greifen lasse.

Das klare Ziel Ruhestand vor Augen

Matthias Oed hat ein klares Ziel für sein berufliches Aus: Ende 2027, allerspätestens Anfang 2028 will er aufhören. „Die gesundheitlichen Probleme nehmen zu“, sagt er. Und schließlich will er noch etwas von seinem Ruhestand genießen.

Seine Bemühungen, eine Nachfolge zu finden, haben bislang nicht gefruchtet. Ein Interessent aus dem Hohenlohischen hat sich schon längere Zeit nicht mehr gemeldet. Oed beschreibt ihn als „tollen Bildhauer“, den er sich in seinem Geschäft gut vorstellen kann. Doch er kennt die Branche. „Jeden Monat stehen drei bis fünf Betriebe zum Verkauf. Der Wandel ist dramatisch.“

Kfz-Meister Reinhold Herrmann vor seinem Autohaus in Schwabhausen. © Heike von Brandenstein

Die Problematik kennen auch andere Branchen. Zuverlässigkeit und Kundentreue waren das Markenzeichen vom Autohaus Herrmann in Schwabhausen mit seinen 880 Stammkunden aus einem Umkreis von Künzelsau über Bad Mergentheim und Weikersheim bis nach Buchen. „Wir liegen direkt an der Autobahn, so dass viele, die ein Problem mit dem Wagen hatten, direkt zu uns gekommen sind“, beschreibt er das zusätzliche Plus der Lage.

Für einen jungen Mann oder eine junge Frau sei eine solche Übernahme mit einer komplett ausgestatteten Werkstatt samt einem gut bestücktem Ersatzteillager eine echte Chance, glaubt er und hofft auf Interessenten.

Redaktion Zuständig für die Kreisberichterstattung Main-Tauber

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