Odenwald-Tauber. „Der Konsum von Cannabis ist nach Alkohol der zweithäufigste Beratungs- und Behandlungsanlass in den Einrichtungen der Suchthilfe. Aus dem Konsum können sich für den einzelnen Konsumenten kognitive Defizite, multiple Gedächtnisstörungen, eine eingeschränkte Verkehrstauglichkeit und psychosoziale Probleme bis hin zur Ausbildung einer Cannabisabhängigkeit ergeben“, beantwortet Markus Moll, Pressesprecher des Landratsamtes Main-Tauber, eine FN-Anfrage an das Gesundheitsamt. Die Auswirkungen hingen unter anderem von Häufigkeit und Intensität des Konsums ab. Man wisse auch, dass Jugendliche besonders gefährdet seien, „da ihre neurophysiologische Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist und sie so ein erhöhtes Risiko einer psychischen Schädigung haben“.
Negative Folgen ergäben sich nicht nur für Konsumenten, sondern auch für deren Familien, das persönliche Umfeld und die Gesellschaft. „Die Legalisierung von Drogen lehnt das Landratsamt deshalb ab“, betont Moll. Zu groß wäre die Gefahr, Betroffene mit ihren Problemen allein zu lassen. Richtig wäre es, „Aufklärung über die Gefahren des Drogenkonsums zu stärken, Verstöße konsequent und zügig zu sanktionieren sowie Sanktionen mit der – gegebenenfalls verpflichtenden – Wahrnehmung von Beratungs- und Therapieangeboten zu verknüpfen.
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„Eine politische Entscheidung“
„Ob Cannabis legalisiert wird, ist eine politische Entscheidung, die weit oberhalb der Ebene der Landratsämter entschieden wird“, äußert sich Dr. Martina Teinert, Leiterin des Gesundheitsamts im Neckar-Odenwald-Kreis. „Aus meiner persönlichen Erfahrung als Medizinerin stehe ich solchen Überlegungen skeptisch gegenüber.“
Cannabis sei ein Rauschmittel, das gerade bei Jugendlichen zu erheblichen Gesundheitsproblemen und sozialen Konflikten führen könne. Junges Alter bei Cannabiskonsum und Stress würden als signifikante Risikofaktoren für pharmakologische Effekte und psychopathologische Entwicklungen mit Entstehung von psychischen Erkrankungen diskutiert. „Eine Freigabe von Cannabis würde neue Konsumentenschichten erschließen und die Hemmschwelle zum Kauf senken.
„Es sprechen Gründe sowohl für als auch gegen eine Legalisierung von Cannabis“, teilt Robert Prager-Loos, Facharzt für Psychiatrie an der Klinik für Suchttherapie am Klinikum Weißenhof Weinsberg, mit. Ein Konsument sei in erster Linie potenziell krank – nicht kriminell. In Bezug auf eine Entkriminalisierung gebe es genauso Gründe dafür und dagegen.
Dafür spreche, dem Schwarzmarkt den Boden unter den Füßen wegzureißen. „Zudem lässt sich im Sinne einer ,harm reduction’, einer Schadensminimierung, eher regulieren, dass Konsumenten ,reines’ Cannabis erhalten.“ Auf diese Weise lasse sich auch eine „gesundheitliche Prävention“ schaffen. Um Gewinne zu erhöhen, werde Cannabis häufig mit synthetischen Cannabinoiden gestreckt, die eine 80- bis 800-fache Potenz von natürlich vorkommendem Cannabis hätten, sagt Prager-Loos. Entsprechend höher seien die gesundheitlichen Gefahren bei Konsum dieser Substanzen.
Gegen eine Legalisierung spreche etwa, dass es möglicherweise ein falsches Signal an die Gesamtbevölkerung, besonders an die Jugend, wäre. „Wichtig sind uns als Klinikum vor allem umfangreiche flächendeckende präventive Maßnahmen und eine Information der Bevölkerung über die Wirkungsweise der Substanz, um eine Verharmlosung zu vermeiden.“
Die Einrichtungen des AGJ-Fachverbandes für Prävention und Rehabilitation der Erzdiözese Freiburg beraten und behandeln Menschen mit Fragen zu Konsum und/oder Suchtproblemen. Cannabis sei nach Alkohol der zweithäufigste Beratungs- und Behandlungsanlass, so Hans Joachim Abstein, Referatsleitung Suchthilfe ambulant. Besonders in Rehakliniken zeigten sich hier schwere Verläufe massiver Abhängigkeit mit ausgeprägten psychischen, körperlichen und sozialen Folgeschäden. Andererseits berichteten die ambulanten Beratungsstellen, dass ein großer Teil der aufgrund juristischer Auflagen zugewiesenen Klienten einen risikoarmen, nicht abhängigen und größtenteils unschädlichen Konsum betreibe. Sie würden allein wegen der aktuellen Rechtslage kriminalisiert, was soziale und psychische Folgeschäden verursachen könne. Suchtmedizinisch sei unstrittig, dass die körperlichen und psychischen Risiken von Cannabis nicht die des legal erhältlichen Alkohols überstiegen.
„Eine streng geregelte legalisierte Bezugsmöglichkeit von Cannabis kann den Schwarzmarkthandel zurückdrängen. Gesundheitliche Risiken durch das Angebot synthetischer Cannabinoide und Zumischungen anderer Substanzen werden durch eine kontrollierte Abgabe weitgehend verhindert“, ist Abstein überzeugt. Es müsse beachtet werden, dass junge Menschen aufgrund der noch nicht abgeschlossenen neurophysiologischen Entwicklung einem ungleich höheren Risiko für psychische Schäden ausgesetzt seien als Erwachsene. Dies gelte zwar für jeglichen Konsum psychotroper Substanzen, als auch für Alkohol, bei Cannabis scheine dieses Risiko allerdings stärker ausgeprägt zu sein.
AGJ spreche sich aus für eine staatlich regulierte Abgabe an Erwachsene „ab 21 Jahren in lizenzierten Verkaufsstellen oder über „Cannabisclubs“, so der Referatsleiter. Weiterhin für eine regulierte, kontrollierte Qualität und Wirkstoffstärke über staatlich lizenzierte Produktion, Festsetzung der erlaubten Besitzmenge auf maximal zehn Gramm, Strafbewehrung der Werbung, privaten Handel und Weitergabe von Cannabis an Personen unter 21 Jahren, konsistenten Jugendschutz, Ausbau und Verbesserung der Finanzierung von Suchtprävention.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnt angesichts von immer mehr Befürwortern vor einer Freigabe von Cannabis. „Eine Legalisierung dieser Droge würde den Schwarzmarkthandel nicht beseitigen“, sagt der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow. „Eine Freigabe weicher Drogen ist das absolut falsche Signal.“
„Gerade bei Jugendlichen kann der Konsum von Cannabis zu erheblichen Gesundheitsproblemen und sozialen Konflikten führen, weil heute häufiger deutlich höhere Wirkstoffgehalte vorliegen.“
Am Kernproblem vorbei
Malchow betont, es mache keinen Sinn, neben dem legalen, aber gefährlichen Alkohol „die Tür für eine weitere gefährliche und oft verharmloste Droge zu öffnen“. Das von Legalisierungsbefürwortern häufig gebrauchte Argument, Alkoholmissbrauch wirke sich insgesamt schädlicher aus als der von Cannabis, ziele am Kernproblem problematischen Konsumverhaltens vorbei. „Drogenkonsum muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass man relativ schnell gesundheitliche Probleme bekommt. Es ist oft ein schleichender Prozess, der durch einen zunehmend besorgniserregenden Drogenmix noch eher beschleunigt wird.“
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