Gruppierungen „gegen Rechts“ - AfD-Abgeordnete Dr. Christina Baum stellte „Kleine Anfrage“ an die Landesregierung / Keine Straftaten festgestellt

Keine Kollaborationen aktenkundig

Von 
Fabian Greulich
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Eine Demonstration gegen eine AfD-Veranstaltung mit Alexander Gauland fand am 4. März 2016 in Wertheim statt. © Heike von Brandenstein

AfD-Landtagsabgeordnete Dr. Christina Baum hat an die Landesregierung eine „Kleine Anfrage“ zu Gruppierungen „gegen Rechts“ gestellt. Das Ergebnis fällt für sie „sehr dürftig“ aus.

Odenwald-Tauber. Großen Wind machte die AfD-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete nicht um ihre „Kleine Anfrage“. Denn darauf aufmerksam gemacht wurden die Fränkischen Nachrichten nicht etwa von der Politikerin mit Büro in Tauberbischofsheim, sondern vom „Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber“. Nur über Umwege hatte das Netzwerk erfahren, dass sich die Landesregierung mit ihm beschäftigt hatte. Der Posteingangsstempel der „Drucksache 16/5433“ ist auf den 20. Dezember datiert. Die Antwort der Landesregierung folgte am 30. Januar.

In ihrem Schreiben formulierte Dr. Christina Baum insgesamt acht Fragen. Durch deren Beantwortung „sollen Tätigkeiten und Strukturen von Organisationen, welche sich ,gegen Rechts‘ einsetzen sowie mögliche Kollaborationen mit verfassungsfeindlichen Gruppierungen offengelegt werden“, heißt es in einer kurzen Begründung der AfD-Abgeordneten.

Baum wollte unter anderem wissen, welche Gruppierungen „gegen Rechts“ überhaupt im Main-Tauber- oder Neckar-Odenwald-Kreis bestehen und wie viele Personen diesen jeweils zuzurechnen sind. Außerdem fragte sie, wie sich diese Gruppen finanzieren und ob Mittel aus öffentlicher Hand fließen.

„Keine klaren Kriterien“

„Welche Erkenntnisse bestehen über Verbindungen mit sogenannten ,Antifa‘-Gruppierungen?“, lautete eine weitere Frage. Des Weiteren wollte die AfD-Landtagsabgeordnete wissen, welche politischen Aktionen von den genannten Gruppierungen durchgeführt wurden beziehungsweise an welchen sie beteiligt waren.

Das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration antwortete im Einvernehmen mit dem Ministerium für Soziales und Integration zunächst mit einer Vorbemerkung: „Für eine Einordnung von Organisation und Gruppierungen „gegen Rechts“ sind keine klaren Kriterien ersichtlich. Bei der Beantwortung der Fragen wurden hierunter Gruppierungen verstanden, die sich politisch gegen Rechtsextremismus engagieren oder sich selbst als Gruppierung ,gegen Rechts‘ bezeichnen.“

Im Sinne der Feststellung seien beispielsweise das „Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber“, die „Antirassistische Initiative Wertheim“ sowie die Gruppierungen „Herz statt Hetze NOK“ sowie „Mosbach gegen Rechts“ bekannt.

Über öffentlich zugängliche Informationen hinausgehende Erkenntnisse zu diesen Gruppierungen gebe es nicht. Insbesondere sei das jeweilige Personenpotenzial nicht bekannt.

Weiter heißt es in dem von Innenminister Thomas Strobl unterzeichneten Antwortschreiben, dass das Bündnis „Mergentheim gegen Rechts“, aus dem das „Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber“ 2018 hervorgegangen sei, 2016 bei einer Informationsveranstaltung vom Demokratiezentrum Baden-Württemberg unterstützt wurde.

2018 habe das Netzwerk ohne Mitwirkung des Demokratiezentrums eine Broschüre „Organisierte rechte Strukturen zwischen Tauber, Kocher und Neckar“ veröffentlicht.

Das Netzwerk „Herz statt Hetze NOK“ befinde sich aus Sicht des Demokratiezentrums noch im Aufbau und in einer „Orientierungsphase“. Die Landeszentrale für politische Bildung habe die Initiative 2017 mit 500 Euro für die Durchführung einer Filmvorführung („Blut muss fließen“) mit anschließender Diskussionsrunde gefördert.

Der Polizei Baden-Württemberg sei zudem bekannt, dass die Antifa Würzburg zur Teilnahme an Demonstrationen gegen AfD-Veranstaltungen am 19. Februar 2016 in Unterbalbach sowie am 4. März 2016 in Wertheim aufrief. Zu letzterer habe auch die „Antirassistische Initiative Wertheim“ aufgerufen.

Verfahren eingestellt

In ihrer letzten Frage an die Landesregierung erkundigte sich Baum nach Straftaten, die im Zusammenhang mit den Aktionen bekannt sind. Wie aus der Antwort hervorgeht, wurden anlässlich der Demonstration gegen die AfD-Veranstaltung vier Strafanzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (zwei davon in Tateinheit mit Körperverletzung, eine in Tateinheit mit Nötigung) gestellt. Drei davon seien eingestellt worden, da ein Täter nicht zu ermitteln war. Das vierte Verfahren wurde aus Mangel an Beweisen ebenfalls eingestellt.

„Über eine mögliche Zuordnung des Täterkreises zu einer der genannten Gruppierungen liegen der Polizei und der Staatsanwaltschaft Mosbach keine Erkenntnisse vor“, heißt es abschließend.

Dr. Baum nimmt Stellung

Die Fränkischen Nachrichten fragten bei MdL Dr. Christina Baum nach, was ihre Beweggründe zu der „Kleinen Anfrage“ im Landtag waren und wie sie das Ergebnis bewertet.

„Dass Linksextremisten immer wieder Wege finden, an Steuergelder zu kommen, konnten wir im Landtag schon mehrfach belegen. Hier werden Gelder an vom Verfassungsschutz beobachtete und als extremistisch eingestufte Organisationen weitergeleitet; übrigens unter den Augen und toleriert von der Landesregierung und allen im Landtag vertretenen Parteien, außer der AfD“, behauptet Baum in einem Schreiben an die Redaktion.

Linksextremismus sei ihrer Auffassung nach längst kein Problem mehr, welches nur in Städten zu Tage trete, auch wenn die Problematik, wie etwa beim G20-Gipfel, hier besonders deutlich werde.

„Der gewaltbereite Linksextremismus ist längst auch in unserer Region angekommen. So wurde mein Abgeordnetenbüro in Tauberbischofsheim bereits zweimal Angriffen ausgesetzt. Hier laufen noch Ermittlungsverfahren bei der Staatswaltschaft Mosbach“, so Baum. AfD-Veranstaltungen im Kreis seien behindert, Teilnehmer und Polizisten attackiert worden. Baum: „Auch ich persönlich wurde bereits angegriffen“. Auf Nachfrage der FN bestätigt die Staatsanwaltschaft zwei laufende Verfahren – eines wegen des Angriffs auf ihr Büro im Mai 2018 und eines wegen Beleidigung (ebenfalls aus dem Jahr 2018).

„Äußerst bedenklich“

„Es ist mir daher ein großes Anliegen, darüber aufzuklären. Die Antwort auf meine Anfrage war zwar – wie befürchtet – sehr dürftig, bestätigt aber wesentliche Annahmen.“

Eine wichtige Rolle spiele aus ihrer Sicht auch bei den im Main-Tauber-Kreis aktiven Gruppierungen das aus öffentlichen Geldern finanzierte Demokratiezentrum Baden-Württemberg. „Mit diesem mussten wir uns schon mehrfach beschäftigen, weil es zur Diskreditierung des politischen Gegners missbraucht wurde und sich mit dem Phänomen des Linksextremismus nicht auseinandersetzen möchte“, sagt Baum. Sie behauptet außerdem, ohne dies weiter zu belegen, dass viele Straftaten, die dem Rechtsextremismus zugeordnet werden, von Linksextremisten verübt werden.

Dass es nicht mehr Informationen zu solchen Bündnissen gebe, hält sie für „äußerst bedenklich“. „Sie beteiligten sich an gewalttätigen Antifa-Demonstrationen, aus denen heraus Polizeibeamte angegriffen wurden. Für so etwas kann es keine Rechtfertigung geben. Wer sich von solch gewaltbereiten Aufmärschen nicht distanziert, sondern auch noch daran teilnimmt, verschafft Gewalttätern einen vermeintlich demokratischen Deckmantel und verhindert gegebenenfalls deren Festnahme“, ist Baum überzeugt.

„Seitens des Staats würde ich mir wünschen, dass man den Linksextremismus endlich ernst nimmt und gewalttätige Antifa-Aktivisten konsequent verfolgt und bestraft. Und wer mit solchen Extremisten gemeinsame Sache macht, muss sich meiner Auffassung nach auch gefallen lassen, selbst als extremistisch angesehen zu werden“, so die Landtagsabgeordnete.

Stellungnahme der Aktivisten

Ganz anders sieht man das beim „Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber“. Dessen Sprecher Stefan Heidrich betont gegenüber den FN: „Dr. Baum fragt nach Verbindungen der Initiativen zu Antifa-Gruppen und zu Straftaten in Zusammenhang mit Aktionen. Offenbar würde sie deren Kritik an der AfD im Allgemeinen und an ihr selbst im Besonderen gerne als kriminell darstellen. Das würde es ihr ersparen, sich mit den Argumenten auseinanderzusetzen. Ihr Pech ist, dass das zuständige Innenministerium in Stuttgart keine Straftaten, weder von ,Herz statt Hetze NOK‘, noch von ,Mosbach gegen Rechts‘, noch unseres ,Netzwerks gegen Rechts Main-Tauber‘ oder unseres Vorläufers ,Mergentheim gegen Rechts‘ nennen kann.“

Man habe stets friedlich gegen die Auftritte der „AfD-Rechtsaußen Alexander Gauland und Björn Höcke“ im Main-Tauber-Kreis demonstriert. „Strafbare Handlungen lehnen wir als Mittel der politischen Auseinandersetzung strikt ab. Wir setzen auf die Überzeugungskraft von Argumenten statt auf Angriffe auf Personen oder auf Sachbeschädigungen. Im Gegensatz zur AfD haben wir auch kein Geld aus dubiosen Quellen erhalten“, so Heidrich. Mit ihrer Anfrage wolle MdL Baum offenbar davon ablenken, dass sie selbst kein Problem darin sehe, gemeinsame Sache mit bekannten Rechtsextremisten zu machen.

Öffentlichkeit informieren

„So marschierte sie zum Beispiel zusammen mit einschlägig bekannten Personen auf den von ihr angemeldeten Demonstrationen in Kandel. Als Initiatorin des ,Stuttgarter Aufruf‘ wendet sie sich gegen die Bestrebungen ihrer eigenen Parteiführung, sich vom extrem rechten Rand abzugrenzen.“

Das „Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber“ sei ein überparteilicher Zusammenschluss von Personen, die sich wegen rechter Bestrebungen und Aktivitäten, auch in der Region Odenwald-Tauber um die freiheitliche Demokratie Sorgen mache. „Unser Netzwerk sieht es als seine Aufgabe an, zu beobachten, was am rechten Rand geschieht und eine breite Öffentlichkeit darüber zu informieren“, so Heidrich.

Zu diesem Zweck habe man die umfangreiche Dokumentation „Organisierte rechte Strukturen zwischen Tauber, Kocher und Neckar“ herausgegeben.

„Wir halten Ideologien, die Menschen nur auf Grund ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder ihrer Religion pauschal verunglimpfen, abwerten und ausgrenzen für gefährlich und unvereinbar mit unserer Verfassung. Dort heißt es, ,Die Würde des Menschen ist unantastbar‘, nicht etwa ,Die Würde des Deutschen‘. Die Verharmlosung des Nationalsozialismus und die Verbreitung von Hass und Hetze, welche Teile der AfD betreiben, erfüllen uns mit Abscheu. Die Wähler im Wahlkreis von Dr. Baum sollen erfahren, mit wem diese Landtagsabgeordnete gemeinsame Sache macht. Deshalb fürchtet sie die Initiativen für Demokratie, Solidarität, Respekt und Toleranz im Neckar-Odenwald- und im Main-Tauber-Kreis wohl zurecht“, betont Heidrich.

Redaktion FN-Chefredakteur

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