Kommunalpolitik

Halbzeit-Bilanz mit Tauberbischofsheims Bürgermeisterin Anette Schmidt

Seit vier Jahren ist Anette Schmidt Bürgermeisterin von Tauberbischofsheim. Im FN-Interview zieht sie eine Halbzeit-Bilanz und wirft einen kurzen Blick auf das Jahr 2027 . . .

Von 
Sabine Holroyd
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Bürgermeisterin Anette Schmidt ist an diesem Freitag seit vier Jahren im Amt. © Helga Hepp/Stadtverwaltung

Tauberbischofsheim. Zum FN-Gespräch in ihrem Büro im Rathaus wählt Anette Schmidt einen Ingwer-Zitrone-Tee. Doch zum Trinken kommt die Bürgermeisterin fast nicht – es gibt viel Gesprächsstoff bei solch einer Halbzeit-Bilanz. 2019 hat sie das Amt von Wolfgang Vockel übernommen, der 24 Jahre lang die Geschicke der Stadt geleitet hatte.

Frau Schmidt, warum haben Sie sich damals als Bürgermeisterin von Tauberbischofsheim beworben?

Anette Schmidt: Viele Leute hatten mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte zu kandidieren. Auch wenn mein Vorgänger sehr geschätzt wurde, war eine gewisse Wechselstimmung in der Stadt zu verspüren. Zudem hatte ich zuvor in der Kreistagswahl ein super Ergebnis erzielt. Ich war ja auch als Bürgermeisterin von Großrinderfeld glücklich. Aber Tauberbischofsheim ist meine Heimatstadt. Ich spürte, dass ich die Wähler für mich begeistern und in der Stadt etwas bewegen kann. Also kandidierte ich.

Und Sie wurden gewählt.

Schmidt: Kaum zu glauben, dass das schon wieder vier Jahre her ist. Auch wenn ich vom Fach kam und bereits Bürgermeisterin war, musste ich trotzdem erst einmal die Abläufe in solch einer großen Verwaltung wie die der Stadt Tauberbischofsheim und die Menschen, die dort arbeiten, kennenlernen.

Kurz nach Ihrem Amtsantritt am 1. September 2019 schlug Corona richtig zu…

Schmidt: Wenn man bedenkt, dass der Kontakt zu den Mitarbeiten nur per Video-Meetings möglich war, haben wir in diesen vier Jahren relativ viel angestoßen und bewegt. Darauf bin ich schon auch ein bisschen stolz. Die Stadtverwaltung hat über 250 Mitarbeiter, die auch unter diesen erschwerten Bedingungen alle an einem Strang zogen, das war eine tolle Leistung. Alleine erreicht man nicht viel. Man braucht ein ganzes Team dazu.

Haben Sie eine Devise als Bürgermeisterin?

Schmidt: Die Stadt muss ein unterstützender Partner sein – das gilt zum Beispiel sowohl für Industriebetriebe, Gewerbe, Handwerk, Einzelhändler als auch für Bauherren. Das ist mir sehr wichtig und entspricht auch meinem Typ. Wir versuchen, im Rahmen der Gesetze so viel möglich zu machen wie es geht und was im Blick auf die gesamte Stadt sinnvoll ist – und das stets im gegenseitigen Respekt. Diese Kultur einzubringen, war mit sehr wichtig. Dazu gehört für mich auch die interne Verwaltung.

Was haben Sie verändert?

Schmidt: Wenn nach 24 Jahren eine neue Chefin mit einem ganz anderen Führungsstil ins Haus kommt, bedarf das doch einiger Umstellungen. Wir haben für uns ein Leitbild und Führungsleitlinien entwickelt, die auf gegenseitiger Wertschätzung und der Verantwortung und Selbständigkeit jedes einzelnen Mitarbeiters fußen. Nicht umsonst heißt unser Slogan „Wir miteinander für unsere Stadt“. Es ist mir auch sehr wichtig, dass die Stadt ein attraktiver, moderner Arbeitgeber ist.

Anette Schmidt freudestrahlend am Wahlabend. © Harald Fingerhut

Eines der großen Wahlkampfthemen war die Innenstadt-Entwicklung.

Schmidt: Ganz zu Beginn meiner Amtszeit fanden wir eine gute Lösung für die Parkplätze auf dem Marktplatz. Die Zeiten des „wilden Parkens“ sind vorüber. Langfristig ist mir ein autofreier Marktplatz mit einer tollen Gastronomie wichtig. In diesem Jahr konnten und können wir uns zum ersten Mal nach Corona wieder etwas „ausleben“ mit schönen kulturellen Veranstaltungen an verschiedenen Plätzen der Stadt wie zuletzt dem Straßenmusiker-Festival. Auch gastronomisch hat sich mit der neuen Weinbar und dem Café einiges getan.

In der Stadt gibt es auch ein neues Hotel…

Schmidt: Darüber freue ich mich sehr. So etwas wie „Das Bischof“ mit seinen 55 Zimmern hat uns gefehlt. Dort im Areal „Tauberpark“ entsteht Platz für viel Wohnraum und Dienstleistungen. Die Sparkasse Tauberfranken wird dort ihre neue Verwaltungszentrale errichten, damit können wir die Bank in Tauberbischofsheim stärken. Wichtig ist mir, dass das Haupthaus mit seiner hohen Kundenfrequenz direkt in der Innenstadt bleibt. Außerdem sind einige größere Wohnobjekte auf den Weg gebracht worden. Wir haben das Neubaugebiet in Dienstadt erschlossen, für Hochhausen und Distelhausen befinden wir uns im Bebauungsplanverfahren, und in Dittigheim beginnen wir mit dem Grunderwerb. Ganz besonders stolz bin ich auf das neue Sanierungsgebiet „Untere Altstadt III“, wodurch wir jetzt den Stadteingang Süd angehen können. Das bedeutet eine riesige Aufwertung für die Attraktivität der Innenstadt. Im Zuge der Arbeiten werden wir auch den Hochwasserschutz weiterbauen und den Mühlkanal optimieren. Der Schutz muss schrittweise von der Halbigsmühle durch das Schwimmbad bis hinter die Kläranlage errichtet werden. Die Genehmigungsplanung für diese wichtige Maßnahme wird jetzt eingereicht. Nach der Badesaison 2024 beginnen wir mit der Sanierung des über 50 Jahre alten Freibades.

Die Stadt hat nun erstmals einen hauptamtlichen Feuerwehrkommandanten.

Schmidt: Ja, auch dass unsere Freiwillige Wehr neue Fahrzeuge bekommen konnte, ist toll. Wir kümmern uns auch um unsere Vereine, haben eine neue Ehrungsordnung und die Sportlerehrung ins Leben gerufen und führen gerade die neue Software für die Hallenbelegung ein – das haben die Vereine sehr begrüßt.

Sie haben dieses Jahr auch eine neue Straße übergeben.

Schmidt: Wir haben viele tolle Firmen in der Stadt. Die VS Möbel hat für über 30 Millionen Euro ihr Werk 7.1 errichtet und will weiter hier am Standort Millionenbeträge investieren, dafür haben wir natürlich gerne die unserem Ehrenbürger gewidmete Thomas-Müller-Straße gebaut.

Weinig investiert hier über 60 Millionen Euro – beides ist enorm wichtig für die Stadt und die Region.

Wann startet im Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum der Unterricht wieder?

Schmidt: Dieser Wasserschaden ärgert uns gewaltig. Er war größer und komplexer als zunächst gedacht. Die vielen Untersuchungen waren sehr wichtig. Es handelt sich um einen Versicherungsfall, und wir mussten Gutachter und einen Rechtsanwalt einschalten. Die Abbrucharbeiten laufen, die Beseitigung des Schadens ist im Gange. Wir rechnen mit einem dreiviertel Jahr oder Jahr.

Das Matthias-Grünewald-Gymnasium steckt mitten in der Sanierung, die Übergangslösung gefällt nicht jedem.

Schmidt: Das „Kleine Haus“ soll im Januar fertig sein, dann geht es ans „Große Haus“. Die Containerlösung vor Ort wäre unverhältnismäßig teuer gewesen, deshalb wandert ein Teil des Schulbetriebs vorübergehend auf den Laurentiusberg. Jeder Schüler verbringt dort maximal ein Jahr. Obwohl das Gymnasium über 50 Jahre alt ist, sollte es nur energetisch saniert werden. Wir haben nun eine Generalsanierung daraus gemacht und wissen, dass sie für alle viele Herausforderungen mit sich bringt – auch für uns als Verwaltung.

Doch damit haben wir die Perspektive auf ein tolles und modernes Gymnasium mit großen Klassenzimmern. Als Ende der Bauzeit ist der Herbst 2025 geplant. Wenn wir das geschafft haben, werden alle glücklich sein.

In der Christian-Morgenstern-Grundschule rüsten wir uns für den Rechtsanspruch auf die Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder. Die Stellen in der Schulsozialarbeit haben wir verdoppelt. Hochhausen und Dittwar bekommen neue barrierefreie Kita-Einrichtungen. Wir haben das Gebäude des evangelischen Kindergartens, dem größten der Stadt, gekauft und saniert. Die neue „Naturkind“-Gruppe auf dem Laurentiusberg erfreut sich großer Beliebtheit.

Zitat I

Eine weitere Kandidatur könnte ich mir durchaus vorstellen.“

Wie ist die Lage bezogen auf die Flüchtlinge?

Schmidt: Dieses Thema müssen ja alle Kommunen zusätzlich zu ihren originären Aufgaben bewältigen. Viele Bürger haben ihre Wohnungen zur Verfügung gestellt, wir wurden vom Helferkreis unterstützt. Auf dem Laurentiusberg haben wir beispielsweise ein großes Gebäude für rund 350 000 Euro reaktiviert. Wir müssen unserer Verpflichtung gerecht werden, da haben wir keine andere Wahl. Die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt ist sehr gut.

Das Wasser ist ein weiteres  großes Thema, wie ist da der Stand der Dinge?

Schmidt: Die Trinkwasserversorgung und die Abwasserbeseitigung sind die elementaren Aufgaben einer Kommune. Mit dem Zweckverband Wasserversorgung Mittlere Tauber und dem regionalen, qualitativ und quantitativ guten Trinkwasser haben wir uns gut aufgestellt. Seit dreieinhalb Jahren bin ich dort Vorsitzende, wir haben ein sehr konstruktives und vertrauensvolles Miteinander mit den beteiligten Kommunen und ihren 40 000 Einwohnern. Es läuft super, und wir werden vom Land weiter gut bedient mit Fördermitteln. Jeder, der unser Wasserwerk mit seinen Hochbehältern und Leitungen besichtigt, versteht, wo diese über 60 Millionen Euro verbaut werden. Neben dem Bau des Wasserwerks in Dittigheim umfasst die Wasserversorgungskonzeption weitere fünf Bauabschnitte. Im Idealfall wird das gesamte Projekt 2026/27 fertiggestellt. Es ist ein gutes und beruhigendes Gefühl, dass unsere Versorgung mit sauberem Trinkwasser gesichert ist.

Auch bei der Kläranlage hat sich offensichtlich einiges getan.

Schmidt: Dort wurden über Jahrzehnte hinweg nur notdürftige Reparaturen ausgeführt. Jetzt war es dringend notwendig, uns der Grundsanierung der Anlage zu widmen. Die Anforderungen an Reinigungsstufen steigen ständig. Geschätzt werden rund 13 Millionen Euro in die Kläranlage gesteckt – eine Investition und Arbeit, die niemand so sieht.

Was gibt es denn Neues in Sachen Wohnmobilstellplätze?

Schmidt: Zugegebenermaßen ist der fehlende Platz ein großes Manko in der Stadt. Wir haben mehrere Flächen geprüft – auch mit dem Landratsamt. Da spielen ja die Themen Natur- und Hochwasserschutz und Eigentumsfragen mit hinein. Leider gehören der Stadt nicht so viele Flächen, und wir sind noch zu keiner kurzfristig umsetzbaren Lösung gekommen. Aber wir arbeiten daran, es ist mir ein Anliegen.

Wie ist die Situation in der kommunalen Gesundheitsförderung?

Schmidt: Im Gesundheitswesen bin ich in die Gespräche eingebunden – zum Beispiel darüber, wie es mit dem Krankenhaus und der gesamten umliegenden Fläche weitergeht. Es ist wichtig, dass wir uns als Kreisstadt für eine gute medizinische Versorgung einsetzen. Darüber hinaus müssen wir dem steigenden Bedarf an Seniorenheimen gerecht werden, das ist eine große Herausforderung.

Uns beschäftigen so viele verschiedene Themen wie barrierefreie Bushaltestellen, Digitalisierung, Straßenbeleuchtung, Spielplätze und Stromtrassen bis hin zum ÖPNV, der Grundsteuerreform, dem Straßenbau und Brandschutz, dem Fachkräftemangel und natürlich dem Klimaschutz. Die Finanzen müssen in Ordnung sein, Steuern und Abgaben müssen immer neu kalkuliert werden – und dann kamen auch noch die Wahlanfechtung und die erforderliche Neuwahl des Gemeinderats hinzu. Die Bürokratie hat überhandgenommen. Ständig gibt es neue Verordnungen und Gesetze – ein gewaltiges Paket voller Arbeit, das wir alle bewältigen müssen. Ich bin meinen Mitarbeitern sehr dankbar, dass sie ihren Mut noch nicht verloren haben. Durch die Entlastungsallianz auf Landesebene hoffen wir auf etwas Erleichterung.

Hätten Sie Stand heute in vier Jahren Lust, erneut als Bürgermeisterin zu kandidieren?

Schmidt: Ich habe sehr viel Freude an meiner interessanten, erfüllenden und manchmal auch fordernden Tätigkeit. Dieser Job ist eine Berufung, man muss voll und ganz dahinterstehen. In den nächsten vier Jahren möchte ich unter anderem auf alle Fälle die Innenstadt weiterentwickeln. Eine weitere Kandidatur könnte ich mir durchaus vorstellen, aber für eine endgültige Aussage ist es noch zu früh. Schau’n wir mal . . .

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Tauberbischofsheim

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