Tauberbischofsheim. Gluckgluck. Bei jedem Paddelschlag wiederholt sich das Geräusch, während das Kanu sanft über das Wasser gleitet. Von Bäumen und Sträuchern mit frühlingsfrischem Grün gesäumt, ergibt sich ein märchenhaftes Bild. Es ist still auf der Tauber. Ab und an fliegen eine Ente oder ein Graureiher auf, unzählige Biberrutschen weisen auf die hohe Anzahl der besonders geschützten Nager hin. Bachstelzen tummeln sind am Rand und nippen schwanzwippend das kühle Nass.
„Meistens sieht man hier auch Eisvögel“, sagt Gerd Drescher. Dem Inhaber von Kanu-Touristik Drescher aus Igersheim ist die Tauber vertraut. Er kennt jeden Flusskilometer, den aktuellen Pegelstand und die darauf abgestimmte Fahrtroute. „Momentan haben wir zwölf Zentimeter unter Normalnull“, informiert er. Niedrigwasser heißt das. Was das bedeutet, werden die Paddler auf der Tauber zu spüren bekommen.
Schwimmwesten sind absolute Pflicht
Heute haben zwei Familien mit ihren Kindern eine rund vierstündige Tour gebucht. Am Stützpunkt der Kanu-Touristik, im Bad Mergentheimer Erlenbachweg, geht es los in Richtung Lauda. Zuvor aber wird die Gruppe auf das kleine Abenteuer eingestimmt. Drei Zweier-Kajaks und ein Kanadier werden für die Familien ausgesucht, allein der 14-jährige Sam, der ohnehin Wildwasser fährt, erhält ein Boot mit Spritzschutz für sich allein. Schwimmwesten und Paddel werden ausgeteilt, dann geht es zur Landkarte.
Gerd Drescher gibt zunächst eine kurze Geographie-Stunde. Dass die Tauber rund 130 Kilometer lang ist, die Quelle in Weikersholz liegt und im oberen Verlauf auch eine kurze Wildwasserpassage bei Gebsattel aufweist, erfahren die Kanu-Touristen. Dann geht es um Tipps und Tricks beim Fahren auf dem Fluss. „Bei Kurven wird immer die Außenseite genommen, angelegt wird grundsätzlich gegen den Strom“, so Drescher. Und dann sind da noch die Wehre. Einige können gefahren werden, bei anderen müssen die Boote umgetragen werden. „Bei uns trägt aber niemand, die Kanus werden gezogen“, stellt Profi Drescher fest.
Also werden die grünen und blauen Wassergefährte Richtung Tauber gezogen. Sam bildet mit seinem schnittigen roten Einsitzer die Ausnahme. Gerd Drescher schiebt ihn mit der Bootsspitze voraus mit Schwung auf den Fluss. Platsch. Drescher lacht. „Mit einem Erfahrenen kann man das machen.“ Dass Sam versiert ist, sieht er sofort am Paddelschlag und der Wendigkeit. Dann kommen die Ungeübten. Vorsichtig lassen sie ihre Boote mit der Spitze voraus in die Tauber, ziehen sie dann längsseits an den Steg und steigen mit Bedacht ein. Schließlich schwankt das Boot bei jeder Bewegung.
Kentergefahr durch richtiges Sitzen minimieren
Gerd Drescher ist wieselflink im Kajak, zeigt die richtige Sitzhaltung. „O-Beine und Knie unter den Rand schieben, erhöht die Stabilität und senkt die Kentergefahr“, informiert er. Zudem rät er, sich immer einen Zielpunkt auf dem Wasser zu suchen und das Paddel flach zu führen, um so wenig Wasser wie möglich ins Boot zu schaufeln. Um Kollisionen zu vermeiden, sollte der Abstand zwischen den Booten rund drei Meter betragen. Ein guter Tipp, der, wie sich zeigen wird, unter Realbedingungen nur schwer einzuhalten ist. Denn auf der Fahrt kommen sich die Boote manchmal bedrohlich nahe und auch die Berührung des Ufers, vor der Drescher warnt, bleibt nicht aus.
„Kinder nehme ich nur bei Niedrigwasser mit“, erläutert der Profi. Bei Normal- oder Hochwasser sei die Tauber an einigen Stellen einfach zu schnell. Der Fluss, der gerade vor den Wehren durch die Stauung ruhig wie ein See daliegt, lässt das kaum vermuten. Mit einem Wink von Gerd Drescher geht es los. Die ersten Paddelschläge auf dem ruhigen Gewässer klappen gut, der ersten Staustufe wird sich schnell genähert. Anlanden, aussteigen, ohne auszurutschen, das Boot aus dem Wasser hieven und auf der Wiese zum Einstieg jenseits des Wehrs ziehen, heißt es.
„Die Tauber hat mit einem Gefälle von 1,7 Promille die höchste Energieleistung aller deutschen Flüsse“, erläutert Gerd Drescher und weist auf die vielen Mühlen hin, die es früher einmal gab. Bis heute existieren Wasserkraftwerke, etwa in Rothenburg, Tauberrettersheim, Königshofen, Dittigheim, Hochhausen oder Bronnbach.
Mittlerweile ist die Kläranlage der Kurstadt und deren Ablauf in die Tauber in Sicht. „Links halten“, ruft Drescher den Mitfahrenden zu. Überhaupt baut er immer wieder Stopps ein, um die einzelnen Abschnitte und die richtige Fahrweise zu erklären. „Man liest den Fluss“, weiß er.
Anhand von Strömungen, die jeden Tag aufgrund sich ändernder Verhältnisse variieren, erkennt er die richtige Fahrrinne. Gerade bei Niedrigwasser ist das wichtig, um nicht auf Grund zu laufen. Bodenberührungen sind keine Seltenheit. Teilweise behindern auch herabgefallene und aus dem Wasser ragende Äste die Fahrt. Bei der Kläranlage lauert die Gefahr von Stromschnellen. Ein ganzes Stück weiter gilt es, weit rechts zu fahren und sich unter tiefhängenden Ästen hindurch zu ducken.
Zwei Bootsfahrer haben echte Mühe, dieses Hindernis zu überwinden. Es bildet sich ein kleiner Stau, die Boote kollidieren leicht, aber niemand kentert. Sam ist der letzte und taucht mit seinem Einer elegant unter dem Hindernis hindurch. Ein Wehr wird mit Schwung überfahren, beim nächsten heißt es wieder, aussteigen und die Boote umziehen. Am Edelfinger Ufer wird vor dem Start in den zweiten Streckenabschnitt Pause gemacht und sich gestärkt.
1987 hat Drescher zunächst nebenberuflich mit dem Kanu-Angebot begonnen, 1996 hat er in die Selbstständigkeit gewechselt. Ihm macht es Spaß, Menschen ein Freizeiterlebnis zu verschaffen und über die Tauber und ihre Besonderheiten zu erzählen. Zwischen 6.000 und 7.000 Gäste begeistert er jährlich mit seinem Angebot. Etliche kentern allerdings auch. Bei Niedrigwasser liegt die Quote nur bei fünf Prozent, bei normalem Pegel sind es zehn bis zwölf Prozent und bei zehn Zentimeter über Normalnull dann schon 25 bis 30 Prozent, die komplett durchnässt aus der Tauber klettern.
Bei der neunköpfigen Familiengruppe geht alles gut. Für sie ist die Kanu-Tour ein echtes Erlebnis, auch wenn die eine oder andere Hürde knifflig zu umschiffen ist.
Einen schönen Frühlings- oder Sommertag auf der Tauber zu verbringen, birgt einerseits Spannung, eröffnet beim sanften Gleiten über das Wasser andererseits einen neuen, einzigartigen Blick auf Landschaft und Natur und lässt Ursprünglichkeit erahnen.
Kanufahren auf der Tauber
- Ab dem Klingenbrunnen bei Weikersholz, der als ständig schüttende Quelle als Ursprung der Tauber gilt, beträgt die Länge des Flusses 129,1 Kilometer .
- Der Höhenunterschied zwischen Quelle und Mündung in Wertheim beträgt 314 Meter .
- Ab Igersheim ist die Tauber für Ungeübte per Kajak oder Kanu problemlos befahrbar .
- Für Touren auf der Tauber gibt es drei Anbieter in der Region.
- Einer von ihnen ist Gerd Drescher, der unterschiedliche Boote vermietet, aber auch feste Pauschaltouren über unterschiedliche Streckenlängen inklusive Bootstransport und Touren auf der Jagst anbietet (www.kanu-touristik-drescher.de)
- Der Kanuverleih Main-Tauber bietet Touren von Bronnbach nach Wertheim und von Gamburg nach Wertheim und Touren auf dem Main sowie den Bootstransport an (www.kanauverleih-main-tauber.de).
- Der dritte Anbieter ist der Kanuverleih im Kloster Bronnbach . Er verleiht Boote, um von Gamburg nach Wertheim oder von Bronnbach bis zur Mündung zu fahren, bietet aber auch begleitete Touren und Mehrtagestouren an. (https://tauberkanu.jimdosite.com/).
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