Odenwald-Tauber. Manch einer hat bereits zum Jahresbeginn gute Vorsätze gefasst – sie jedoch längst wieder verworfen. Beim Besuch der Sportstunde kam immer etwas dazwischen, und die übrig gebliebenen Naschereien vom Weihnachtsfest galt es auch noch zu vertilgen.
Doch jetzt ist eine neue Chance da: die Fastenzeit. „Sieben Wochen ohne“ propagiert die Evangelische Kirche bereits seit den 1980er-Jahren. Mittlerweile nehmen laut einer Emnid-Umfrage mehr als drei Millionen Menschen an dieser Aktion teil, die in diesem Jahr unter dem sehr ideellen Motto „Komm rüber! Sieben Woche ohne Alleingänge“ und damit für mehr Gemeinschaft steht.
Bewusster Verzicht – ob auf Alleingänge, Genussmittel, das Handy oder den Konsum allgemein – gehört zur Fastenzeit. Doch wie muss jemand gestrickt sein, damit er diese sieben Wochen oder auch nur eine kurze intensive Phase durchhält?
Richtige Einstellung wichtig
„Ein erfolgreiches Fasten beginnt mit der richtigen Einstellung: Was ist meine Motivation, was will ich damit erreichen? Der Wille oder die Bereitschaft zum Verzicht und damit ein gewisses Maß an Selbstdisziplin sollte vorhanden sein“, meint Ute Derleder, Ökotrophologin und zertifizierte Ernährungsberaterin bei der AOK Heilbronn-Franken und zuständig für den Main-Tauber-Kreis. Sie empfiehlt eine psychisch stabile Verfassung, weil belastende Faktoren am Arbeitsplatz oder im privaten Umfeld keinen guten Rahmen für das Fasten darstellen. Sie weiß: „Beim Fasten ist man in der Regel emotional empfindsamer und leichter reizbar.“
Umbauprozesse im Körper
Einen klaren Unterschied sieht die Expertin zwischen den Begriffen Diät und Fasten. Bei der Diät ginge es ums Abnehmen, beim Fasten um das „Detoxen“, also um die Reinigung des Stoffwechsels, was früher unter dem heute veralteten Begriff „entschlacken“ gemeint war.
Für Ute Derleder ist das Fasten in jedem Fall ein „Großreinemachen“ im Körper mit vielen Umbauprozessen. Sie nennt hier die Autophagie, eine Art Recycling-Anlage der menschlichen Zellen, die aktiv wird, wenn es zum Beispiel zu einem Nährstoffmangel oder dem genauen Gegenteil innerhalb einer Zelle kommt. „Autophagie agiert als eine Art Müllabfuhr und regt die Regeneration der Zelle an. Das ist eine Art Verjüngungskur von Innen“, weiß Ute Derleder. Deshalb fühlten sich viele nach einer Fastenkur wie neu geboren und einfach vitaler und erfrischt.
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Wie lange aber soll jemand fasten und was ist davor und danach zu beachten? Grundsätzlich verweist die Expertin auf eine Vorbereitung durch Entlastungstage. Am Rosenmontag kräftig zu feiern, um vor dem Darben noch einmal so richtig zuzuschlagen bei Schmalzgebackenem und Alkohol, hält sie nicht für den richtigen Weg.
Viel mehr empfiehlt sie eine Vorbereitung aufs Fasten durch mindestens einen Entlastungstag. Da kann ein Obst-, Reis- oder Gemüsetag eingelegt werden. Entweder 1,5 Kilogramm Obst oder 150 Gramm ohne Salz gekochter und nur mit Kräutern verfeinerter Reis in drei Mahlzeiten essen. Möglich ist auch, ein Kilogramm gedünstetes Gemüse auf drei Portionen zu verteilen.
„Das stimmt den Körper auf das Fasten ein, entsalzt und entwässert ihn“, so Derleder. Anfängern rät sie, maximal fünf Tage zu fasten und im Anschluss drei Aufbautage einzuplanen. Fortgeschrittene können auch bis zu zwei Wochen fasten, müssen dann aber fünf bis sechs Tage für den Aufbau kalkulieren.
Aufbau nach dem Fasten ist die Königsdisziplin
„Die Verdauungssäfte müssen langsam wieder angeregt werden, wofür Zeit eingeplant werden muss“, mahnt die Expertin. Der Aufbau nach dem Fasten stelle die eigentliche Königsdisziplin dar. Es gehe darum, kleine Portionen und leicht verdauliche Mahlzeiten mit wenig Salz zu sich zu nehmen und viel Rohkost zu essen. Langsames Kauen, eine bewusste Wahrnehmung des Körpers und des Sättigungsgefühls gehörten ebenso dazu wie regelmäßige Bewegung während und nach dem Fasten. Spaziergänge, Schwimmen und Radfahren schlägt Ute Derleder vor. Vom Kraft- oder Leistungssport hingegen sollte Abstand genommen werden, weil der Kreislauf zu sehr belastet würde.
Für Kinder nicht geeignet
„Kinder und Jugendliche, die noch nicht ausgewachsen sind, sollten wegen ihres hohen Nährstoffbedarfs grundsätzlich nicht fasten“, so die Ökotrophologin. In diesem Alter seien Essstörungen weit verbreitet, was durch eine Fastenkur noch verstärkt werden oder gar den Einstieg in eine Magersucht bedeuten könne. Wer als Erwachsener regelmäßig Medikamente nehmen müsse, sollte keinesfalls ohne ärztliche Begleitung oder Beratung fasten.
Gruppe gibt Rückhalt
Für Neulinge biete sich zudem eine Fastengruppe vor Ort an, die sich regelmäßig treffe, austausche und in der sich die Teilnehmer gegenseitig motivieren.
Auch ein Fastenseminar an einem schönen Ort mit einem Fastenleiter oder Fastenarzt hält sie für sinnvoll. „Hier können Körper, Geist und Seele entspannen, ohne den Anforderungen des Alltags ausgesetzt zu sein“, meint Ute Derleder. Manche zögen sich während der Fastenphase aber lieber zurück und konzentrierten sich im eigenen Zuhause auf ihr Inneres. Letztlich müsse jeder individuell schauen, was ihm gut tut. Bei Beschwerden wie Muskelkrämpfen rät sie in jedem Fall, einen Arzt zu konsultieren.
Literatur zum Thema
Als Literatur zum Fasten verweist Ute Derleder auf den bei Gräfe und Unzer erschienenen Klassiker „Wie neu geboren durch Fasten“ von Dr. Hellmut Lützner oder das beim Insel-Verlag herausgegebene Werk von Prof. Dr. Andreas Michalsen „Mit Ernährung Heilen – Besser essen. Einfach fasten. Länger leben.“ Letzterer sei Professor an der Berliner Charité und verzeichne innerhalb seiner Forschung erhebliche Heilungserfolge bei einer Vielzahl von chronischen Erkrankungen.
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