Zimmern. Bei Baumfällarbeiten entlang der Bahnstrecke bei Zimmern stürzt ein Baum ins Gleisbett. Der Zugführer des herannahenden Zugs sieht den umgestürzten Baum zu spät, eine Notbremsung ist die letzte Hoffnung. Der Zug kommt innerhalb des Tunnels kurz vor der Haltestelle Zimmern zum Stehen. Es gibt mehrere Verletzte, darunter Mitarbeiter der Bahn, die ebenfalls ins Gleisbett gestürzt sind und vom Zug mitgeschleift wurden.
Was nach Szenen aus einem Katastrophenfilm klingt, war das Szenario einer groß angelegten Übung der Feuerwehren und des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) aus dem gesamten Landkreis am Samstagmorgen in Zimmern. So real wie diese Übung für den neutralen Beobachter ablief, vergaß man zwischenzeitlich fast, dass es sich dabei nicht um einen echten Einsatz handelte. Angefangen bei der Alarmierung der Einsatzkräfte: Diese erfolgte nämlich – wie im Ernstfall auch – über die Leitstelle. Der Triebwagenführer des Zuges setzte den Übungsnotruf bei der Notfallleitstelle der Deutschen Bahn (DB) in Karlsruhe ab. Diese informierte die Integrierte Leitstelle des Neckar-Odenwald-Kreises. Über die „Übungsleitstelle“, den Einsatzleitwagen der Feuerwehr, wurden die Einsatzkräfte alarmiert.
Als Erstes traf die Feuerwehr Seckach mit Einsatzleiter Nico Grözinger am vermeintlichen Unglücksort ein – und das, wie im Realeinsatz, mit Sondersignal. Die Feuerwehren aus Osterburken und Adelsheim folgten. Zeitgleich mit der Alarmierung der Wehren wurden die Einsatzkräfte des DRK abgerufen. Mit dabei waren sowohl ehrenamtliche Rettungskräfte sowie zwölf Hauptamtliche, darunter die Leitende Notärztin Dr. Simone Bräuninger.
Tunnel mit den Einsatzfahrzeugen nicht anfahrbar
Für die Feuerwehren galt es nun, gemeinsam die vermeintlichen Verletzten zu bergen. Eine Herausforderung war, die Rettungsmittel an die Unglücksstelle zu bekommen, denn der Tunnel ist mit den Einsatzfahrzeugen nicht anfahrbar. Mindestens genauso echt wie die Alarmierung ablief, spielten auch die rund 25 Schauspieler ihre Rollen als Verletzte: Sie hämmerten gegen die verschlossene Tür des Zuges, schrien vor Schmerzen. Da lief selbst dem neutralen Beobachter ein eiskalter Schauer den Rücken herunter.
Als die Buchener Feuerwehrleute mit dem richtigen Werkzeug eintrafen, begannen die Einsatzkräfte damit, die Türen zu öffnen und die vermeintlichen Verletzten zu bergen. Mit einem Schienenrollwagen brachten sie die geschminkten Schauspieler - auch Mimen genannt - zum Rettungsplatz, wo sie vom DRK betreut wurden. „Bei solch einem Großschadensereignis werden die Verletzten triagiert, also nach Dringlichkeit eingestuft“, erklärte Dr. Harald Genzwürker. Er war als Übungsbeobachter vor Ort. Patienten mit dem Vermerk „Rot“ sind in der Regel schwer oder lebensgefährlich verletzt und werden sofort behandelt, gefolgt von „Gelb“ mit mittelschweren Verletzungen und „Grün“ mit leichten Verletzungen.
„Wir haben zusätzlich noch die Drohnengruppe der Feuerwehr alarmiert, um uns einen Überblick von der Übung von oben verschaffen zu können“, sagte Kreisbrandmeister Jörg Kirschenlohr, der an diesem Tag die Betreuung der Pressevertreter übernahm und sie in den Bahntunnel führte. In dieser Art würde es auch bei einem echten Einsatz ablaufen: „Wir würden einen Presseverantwortlichen bestimmen, der die Informationen an die Reporter vor Ort rausgibt. So vermeiden wir, dass unterschiedliche Personen unterschiedliche Angaben machen“, erläuterte Kirschenlohr.
Wie wichtig es ist, dass bei einem vermeintlichen Großschadensereignis nicht alle verfügbaren Einsatzkräfte an die Unfallstelle beordert werden, zeigte sich am Samstag gleich zwei Mal: So mussten Einsatzkräfte der Buchener Feuerwehr, unter anderem Kommandant Andreas Hollerbach, für einen Realeinsatz abgezogen werden: In Götzingen brannte ein Fahrzeug. Für solch einen Fall wurde ein Schlüsselwort vereinbart: Mit „Tatsache“ wurde die Übung für Buchener Wehr unverzüglich für einen Echteinsatz unterbrochen.
Verantwortliche zogen ein erstes positives Resümee
Dass die Einsatzkräfte die Übung ernst nahmen, sah man an ihren angestrengten, schwitzenden Gesichtern. Völlig kaputt und mit hochrotem Kopf streiften einige Einsatzkräfte ihre Jacke ab. Nach rund zwei Stunden erklärte die Einsatzleitung die Großübung für beendet und die Verantwortlichen zogen in der Lagebesprechung schon ein erstes positives Resümee. „Es ist gelungen, die Zusammenarbeit zu üben“, sagte der Erste Landesbeamte Dr. Björn-Christian Kleih, der als Vertreter des Landkreises die Übung verfolgte. Seckachs Bürgermeister Thomas Ludwig sprach von einem „starken Zeichen“. Man habe bewiesen, wie gut man für so ein Szenario gerüstet sei.
Die Großübung im Tunnel wurde möglich, weil die Bahnstrecke zwischen Osterburken und Mosbach derzeit sowieso wegen Bauarbeiten gesperrt ist. Den Verantwortlichen blieb jedoch für die Vorbereitung nur wenig Zeit. Die erste Besprechung für diese Übung fand am 3. Juli statt. „Wir hatten Sorge, dass aufgrund der Ferienzeit nicht ausreichend Einsatzkräfte verfügbar sind. Diese Sorge war unbegründet: Etwa 200 Einsatzkräfte und Helfer waren dabei“, sagte Kirschenlohr. Die abschließende Beurteilung der Übung steht noch aus, so dass man aus möglichen Fehlern lernen kann, um es im Ernstfall, wenn es wirklich um Leben und Tod geht, noch besser zu machen.
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