Schefflenz/Seckach. Wer im Januar und Februar mit offenen Augen durch die Landschaft im Schefflenztal geht, wird schon die ersten Auswirkungen des Rebhuhnschutzprojekts bemerken, das unter der Leitung des Regierungspräsidiums Karlsruhe in Angriff genommen wurde (die FN berichteten): Große Hecken werden „auf den Stock gesetzt“, das heißt, sie werden zurückgeschnitten, um für das Rebhuhn einen besseren Lebensraum zu schaffen. Im luftigen Gehölz können die seit 1979 geschützten Vögel brüten, geschützt vor ihrem größten Feind, dem Fuchs. Der Rückschnitt, der möglicherweise radikal aussieht, ist auch für viele andere Lebewesen wichtig.
Erstmals alle an einem Tisch
Beim Rebhuhnprojekt sitzen alle Beteiligten an einem Tisch: Neben der Behörde die ehrenamtlichen Naturschützer, die Jäger, Landschaftspfleger und Landwirte. Rund 100 Quadratkilometer umfasst das Projektgebiet; es erstreckt sich von Seckach über Schefflenz bis nach Billigheim, Elztal und Mosbach.
Immer informiert sein
Am Dienstag informierten Judith Knebel vom Naturschutzreferat im Regierungspräsidium Karlsruhe, Dr. Elmar Werling von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft, Jan Wagner von der Kreisjägervereinigung Mosbach, Geschäftsführer Andreas Sigmund vom Kreisbauernverband, Luisa Klingmann vom Landschaftserhaltungsverband, Peter Baust, Vorsitzender des Nabu Mosbach sowie Maike Popp, die im Pressebereich unterstützt, in einem Online-Pressegespräch über die nächsten Schritte.
Ausgangspunkt sei der extreme Rückgang der Rebhühner landesweit, führte Judith Knebel ins Thema ein. Vor einiger Zeit habe sie in der Sache einen Anruf aus Hardheim erhalten und begonnen, die Situation im Neckar-Odenwald-Kreis zu recherchieren.
Dabei sei sie mit Elmar Werling in Kontakt gekommen, wonach klar war, dass man im Raum Schefflenz noch etwas für das Rebhuhn erreichen könne – auch wenn selbst in dieser Region gegenüber den 80er Jahren wohl nur noch ein „kümmerlicher Restbestand“ von zehn Prozent oder rund 150 Rebhühnern lebt, so Werling. Sinke die Population unter 200, sei der Bestand eigentlich nicht überlebensfähig.
„Ausgebremst“ durch Corona habe man alle Beteiligten zwar erst im September und damit später als gedacht an einen Tisch bekommen, so Knebel weiter, aber inzwischen sei ein Projektgebiet abgegrenzt sowie sieben Kernzonen definiert worden.
Jetzt gehe es koordiniert an die einzelnen Maßnahmen. In jeder Kernzone wird ein Dreierteam – ein Landwirt, ein Jäger, ein Ehrenamtlicher – das Vorhaben vorantreiben.
Größter Bestand im Land
Peter Baust stellte die Relevanz des Projekts heraus: Nach den ersten Untersuchungen sei klar geworden, dass man im Projektgebiet einen Bestand habe, der als der größte in Baden-Württemberg angesehen werden könne. Das sei eine neue Erkenntnis. „Außerdem sind wir das einzige Projekt landesweit, bei dem alle Beteiligten vollzählig dabei sind.“ Damit übertreffe das Vorhaben andere Projekte im Land.
Im Gespräch wurden viele Fragen geklärt:
Warum soll man das Rebhuhn eigentlich retten?
Das Rebhuhn ist eine „Zeigerart“ , ein „Barometer“ für den ökologischen Zustand eines landwirtschaftlichen Systems. Wo es dem Rebhuhn gut geht, haben auch andere Vögel, das Niederwild und Insekten einen guten Lebensraum.
Sind nun die Landwirte besonders gefordert?
Die Landwirtschaft spielt eine zentrale Rolle, so Andreas Sigmund. Nötig sei eine Umgestaltung der Biotope. Das heißt, statt wenigen begrünten Feldwegstreifen, die kaum Schutz vor dem Fuchs bieten, soll es größere Flächen geben. Der Umbau der Landwirtschaft sei ja bereits im Gang. Die beschlossene neue Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP), die 2023 kommen soll, sehe verstärkt Förderinstrumente für die Landwirte vor.
Wie sieht diese Förderung aus?
Zum Beispiel wird künftig verstärkt die Aussaat mehrjähriger Blühmischungen unterstützt. Man habe zwei engagierte Landwirte im Vorstand des Bauernverbands gefunden, welche als Multiplikatoren arbeiten werden, um weitere Landwirte zu gewinnen, berichtete Sigmund. „Viele Angebote sind gut gemeint, aber nicht zu Ende gedacht“, so Jan Wagner. So nutzten die bereits verbreiteten einjährigen Mischungen dem Rebhuhn nichts, weil die Flächen genau dann umbrochen werden, wenn das Huhn Brutplätze sucht. Dass es Fördermittel für mehrjährige Blühwiesen gibt, sei zudem nicht allen bekannt, so Werling. „Es werden viele Einzelgespräche nötig sein, aber die Bereitschaft ist da.“ Für Judith Knebel steht fest: „Naturschutz in der Landwirtschaft geht nur über Förderung. Das ist ein träges System, es geht aber in die richtige Richtung.“
Wie stehen die Bauern insgesamt zum Projekt?
„Wir haben viele Landwirte, die schon mit den Hufen scharren“, so Peter Baust. „Sie kennen die Problematik und wollen etwas tun. Da haben wir teilweise offene Türen eingerannt.“
Effektiver Rebhuhnschutz setzt eine starke Bejagung der Füchse voraus. Was sagen die Jäger dazu?
Der Bestand an Füchsen hat sich seit der Ausrottung der Tollwut in den 80er Jahren verzehnfacht, informierte Jan Wagner. „Es gibt keine natürliche Regulation mehr“, stellte er fest. Man wolle deshalb die Revierpächter bitten, die Bejagung zu intensivieren und zu professionalisieren. Dabei werden auch Lebendfallen eingesetzt. Dann werde das Tier zwar auch erlegt, aber man könne das Fell noch verwerten. „Das ist ein ethisches Problem, das wird auch in unserem Kreis diskutiert“, räumte Werling ein. Doch wenn man die Füchse nicht stärker bejage, könnten die Rebhühner in der Region nicht überleben.
Was können Kommunen für das Rebhuhn tun?
Die Städte und Gemeinden seien wichtige Partner und auch aufgeschlossen für das Thema, so Andreas Sigmund. Wichtig wäre es, das Mulchen der Böschungen zu reduzieren und so Brutmöglichkeiten im Altgras zu schaffen. Zudem sollte man das Rebhuhn bei allen naturschutzrechtlichen Vorhaben im Blick behalten.
Wie wird das Projekt finanziert?
Für die ersten fünf Jahre wird mit Kosten von 100 000 Euro gerechnet. Aktuell läuft ein Antrag zur Förderung über „Leader“. Langfristig müsse eine Dauerfinanzierung gesichert werden, so Baust. Zudem setzen die Verantwortlichen auf „Sponsoring“: Landwirte könnten Grundstücke einbringen oder kostenlos die nötigen Pflegemaßnahmen durchführen.
Wie lange wird das Projekt dauern?
Eigentlich sei der Begriff „Projekt“ nicht richtig, sagte Werling. Denn es handle sich um eine Daueraufgabe. Er geht davon aus, dass sich der Bestand der Rebhühner durch die jetzt geplanten Maßnahmen schnell auf 300 bis 400 Tiere erholen werde. „Die Kunst wird es sein, den Bestand danach hochzuhalten.“
Welche Maßnahmen sind für die Öffentlichkeit geplant?
Im Frühjahr soll es im Rahmen der Monitoringmaßnahme öffentliche Führungen für die Bürger geben, um „die Leute an das Thema heranzuführen. Viele, auch aus unserem Kreis, haben noch nie ein Rebhuhn gesehen“, so Werling. Die Gehölze werden auf den Stock gesetzt und diese Maßnahmen durch eine Beschilderung erklärt. Generell ist Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit ein großes Thema.
Was müssen die Bürger beachten?
Wichtig ist auf jeden Fall, dass man Hunde in der Brutzeit, also zwischen Juni und Mitte August, beim Spaziergang an der Leine hält.
Wird sich die Landschaft verändern?
Der Wechsel zur Bepflanzung mit mehrjährigen Blühmischungen wird auffallen. Die Aufwertung wird nicht nur das Ökosystem betreffen, ist Jan Wagner überzeugt. Die Akzeptanz sei groß. „Biodiversität, Naherholung und das Landschaftsbild werden profitieren. Das wird man sehen.“
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