Waldbegehung

Waldbegehung Osterburken: Zwischen Arbeitssicherheit und Artenschutz

Steffen Meyer, Leiter der unteren Forstbehörde, und Revierleiter Dietmar Heid nahmen Totholz und dessen Potenziale sowie Risiken unter die Lupe.

Von 
Nicola Beier
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Über 30 Interessierte aus Gemeinderat und Bevölkerung informierten sich bei der öffentlichen Waldbegehung in Osterburken über Artenschutz und Klimawandel im städtischen Wald. © Nicola Beier

Osterburken. Über eine „Rekordbeteiligung“ freute sich Bürgermeister Jürgen Galm am Montagabend bei der Waldbegehung in einem Waldstück zwischen Bofsheim und Schlierstadt. Rund 30 Bürger, davon viele „alte und neue“ Stadträte, waren gekommen, um von Steffen Meyer, Leiter der unteren Forstbehörde, und Revierleiter Dietmar Heid über den aktuellen Zustand des Waldes informiert zu werden. Die beiden hatten sich zwei Themen herausgesucht, auf die sie tiefer eingehen wollten: Die Sicherheit bei der Waldarbeit, die vor allem durch Totholz gefährdet ist sowie die Sicherung der Artenvielfalt. Aber natürlich waren auch Dauerbrenner wie der Borkenkäferbefall und die Zukunft des Waldes ein Gesprächsthema.

Zahlreiche Unfälle bei Waldarbeiten

„Die Waldarbeit ist sehr gefährlich“, hob Meyer hervor. Im gesamten Neckar-Odenwald-Kreis passierten 2023 zahlreiche Unfälle mit schwer verletzten Waldarbeitern. „Einer endete sogar tödlich“, sagte Meyer. Herunterfallende Äste während des Fällens eines Baumes stellten eine genau so große Gefahr da wie unkontrolliert fallende Bäume aufgrund der Erschütterung beim Fällen eines anderen Baumes. „Deshalb müssen wir organisatorische Maßnahmen ergreifen und ein Konzept entwickeln“, erklärte Meyer. Technische Hilfsmittel wie Elektroschlagschrauber und Keile könnten helfen. So muss der Arbeiter während des Fällens nicht direkt am Baum stehen, sondern kann Sicherheitsabstand halten.

Das Ernten der Bäume wird grundsätzlich hinterfragt – nicht nur mit Blick auf die Sicherheit. Denn wenn ein Baum erstmal am Zerfallen ist, zeige sich das natürlich auch in einer Wertminderung am Markt. Das Holz verfärbt sich und kann nicht mehr für einen guten Preis verkauft werden.

Potenzial von Todholz im Wald

„Das Totholz birgt aber auch viel Potenzial“, hob Meyer hervor. Denn für Pilze und Tiere bietet es einen Lebensraum. Entsprechend müssen die Revierleiter abwägen, ob der Baum aus dem Wald geholt werden soll, um die Sicherheit zu gewährleisten, oder ob er in Bezug auf Biotop- und Artenschutz stehen bleibt. Natürlich gilt weder das eine noch das andere Extrem. Man strebe immer einen Mittelweg an, so Meyer. Entsprechend werden in einem großen Gebiet immer wieder Bereiche bestimmt, in denen Bäume mit Habitatstrukturen wie Totästen, abgelösten Rindenplatten und Höhlungen, die Lebensräume für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten bieten, stehengelassen. „Gerade in einem jungen Wald ist das sehr wichtig“, hebt Revierleiter Heid hervor. Denn junge Bäume bieten grundsätzlich weniger Lebensraum für Tiere und Pflanzenarten. Die bestimmten Areal werden letztlich mit weißer Farbe gekennzeichnet. „Da geht dann auch keiner mehr rein und fällt einen Baum“, erklärte Heid, der abschließend aber Entwarnung gab: Der Osterburkener Wald sei sehr artenreich. Das habe man bei diversen Untersuchungen festgestellt. „In einem Baum hat man acht oder neun Fledermausarten entdeckt“, erinnerte er sich.

Blick in den Wald von 2100

Ein weiteres großes Thema bei der Waldbegehung war natürlich auch der Blick in die Zukunft – konkret bis 2100. Steffen Meyer machte anhand mehrerer Grafiken deutlich, dass sich der Wald bis dahin stark verändern werde. Es gibt Berechnungen der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt BW, die ein Ansteigen der Jahresdurchschnittstemperatur um vier Grad als Grundlage nimmt. „Wenn wir uns Länder anschauen, auf die das zutrifft, sehen wir einen deutlich anderen Wald“, sagte Meyer. Zum Temperaturanstieg kämen lange Trockenperioden im Sommer, die es den Bäumen zusätzlich schwer mache. Entsprechend werden in Zukunft womöglich nur etwa sechs Baumarten wie die Douglasie oder die Eiche eine Chance haben, in den hiesigen Wäldern zu überleben. Arten wie die Fichte werden hingegen seltener vorkommen. Diese Entwicklung sei schon heute sichtbar, wie Heid anhand von Zahlen verdeutlichte: So hat der Fichtenbestand seit 2018 im städtischen Wald um zwei Drittel abgenommen. „Aktuell sind unter zehn Prozent der Bäume im Stadtwald Fichten“, stellte der Revierleiter klar. Dazu trage auch der Borkenkäfer seinen Teil bei. Mittlerweile seien sogar vermehrt Walnussbäume in den Wäldern zu finden, da sich diese robuste und genügsame Baumart allmählich gegen weniger durchhaltefähige Bäume durchsetze.

Grundsätzlich sei aber das Ziel, die Wälder zu durchmischen und keine Monokulturen mehr anzubauen. „Selbst wenn zwei oder drei von sechs Baumarten sterben, bleibt so immer noch etwas übrig“, sagte Meyer.

So werden junge Bäume beim Wachsen unterstützt

Wie die beiden jungen Bäumen bei der Entwicklung helfen, zeigten sie an zwei Eichen. Eine war etwa 35 Jahre alt, die zweite etwa 70. „Pro Hektar markiere ich die 40 besten Eichen mit einem roten Punkt, damit wir diesen durch frühe Pflege beim Wachsen helfen können. Das sind sogenannt Z-Bäume“, so Heid. Diese seien ab dem 30. Jahr zu erkennen, und sollen die besten Erträge beim späteren Verkauf erwirtschaften. Etwa alle fünf Jahre werden dann die Bedränger dieser Bäume entfernt, damit sich die Eiche bei viel Licht gut entwickeln kann. Anhand der 70 Jahre alten Eiche sei der Erfolg zu sehen: „Der Baum hat einen deutlich dickeren Stamm und eine Krone von etwa zehn Metern. Das liegt vor allem daran, dass er viel Licht zum Wachsen bekommen hat.“ Und genau das sei ohne die Unterstützung von Heid nicht möglich gewesen. „Das ist nach 150 Jahren ein Top-Baum“, so der Revierleiter.

Bürgermeister Galm bedankte sich abschließend für die Einblicke, die Meyer und Heid gegeben haben. „Unser Wald ist bei Ihnen in guten Händen.“

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Förderprogramm

Bei der Waldbegehung gingen Steffen Meyer, Leiter der unteren Forstbehörde, und Revierleiter Dietmar Heid auf das Bundesförderprogramm „Klimaangepasstes Waldmanagement“ ein.

Ziel des Programms ist es, den Wald durch nachhaltige Bewirtschaftung an den Klimawandel anzupassen.

Dazu müssen allerdings diverse Kriterien erfüllt werden. Unter anderem geht es auch um die Stilllegung von Waldflächen, in denen dann nicht gewirtschaftet werden darf, um Fördergelder zu erhalten. Entsprechend müsse man sich das gut überlegen und gegenrechnen, ob das für Osterburken Sinn mache, so Meyer.

Er will auf das Förderprogramm in der Herbstsitzung eingehen und dort verschiedene Szenarien vorstellen, damit die Räte sich mit den Auswirkungen auf den Stadtwald beschäftigen können. nb

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