Rothenburg. Mit diesem Käufer hatte kaum jemand gerechnet: Die Stadtwerke Rothenburg GmbH übernehmen zum 1. Januar 2025 die Wildbad-Anlage am Taubertalhang mit Grundstück und Gebäuden von der Evangelischen Landeskirche. Der schon bisher hotelähnliche Betrieb der Tagungsstätte wird dabei an eine beteiligte Hotel-Gesellschaft verpachtet und fortgeführt. Der bisherige Leiter der Einrichtung soll das Haus in ähnlicher Form fortführen.
Damit folgte jetzt auf die zunächst schlechte die unerwartet gute Nachricht, bei der Kirchenvertreter schon von einem „Sechser im Lotto“ sprechen. Wie eine traurige „Weihnachtsbotschaft“ der Bayerischen Landeskirche war Ende 2023 der Verkauf verkündet worden: Die Kirche müsse sparen und deshalb Immobilien loswerden, darunter endgültig auch das Wildbad Rothenburg als einer der bekanntesten und in seiner Art einmaligen Begegnungsorte. Schon im Jahr 2017 war eine Schließung geplant, konnte jedoch nach viel öffentlichem Protest und Umstrukturierungen abgewendet werden. Die jetzigen Übernahmeverträge sind unter Dach und Fach, die folgende rechtswirksame notarielle Beurkundung sieht man nur noch als Formsache.
Überraschende Entwicklung
Diese überraschende Entwicklung erlaubt der Bayerischen Landeskirche sogar ein Jahr früher als geplant den Ausstieg, denn bis Ende 2025 hätte die Kirche das Wildbad mit deutlichem Defizit fortgeführt und alle Kosten übernommen. Dass man sich nun ein ganzes Jahr an Ausgaben sparen kann, habe sich auf den Kaufpreis günstig ausgewirkt, heißt es. Wie viele Millionen es sind, ist vorerst nicht zu erfahren. Käufer und Betreiber geben sich jedenfalls zuversichtlich, die Tagungseinrichtung langfristig wirtschaftlich betreiben zu können. Mit bislang rund 18 000 Übernachtungen und jährlich 90 Kulturveranstaltungen hat das Wildbad auch touristische Bedeutung. „Was wollen denn ausgerechnet die Rothenburger Stadtwerke mit dem Wildbad anfangen?“ fragen viele und denken dabei traditionell nur an den reinen Energieversorger. Dazu muß man die Zusammenhänge kennen und wissen, dass die selbstständigen Stadtwerke –– zu hundert Prozent ein Eigenbetrieb der Kommune – längst ein auf vielen Feldern tätiges Unternehmen sind. Deren gute wirtschaftliche Entwicklung hängt entscheidend mit der Vergabe der Betriebsführung an die Stadtwerke Heidenheim an der Brenz AG vom April 2015 zusammen. Die AG-Unternehmensgruppe erzielte 2023 laut Geschäftsbericht inklusive der abzuführenden Energiesteuern 746 Millionen Euro an Umsatzerlösen. Zu den Geschäftsfeldern gehören die bundesweite Stromlieferung, Investitionen in erneuerbare Energien, ein Zweig mit Immobilien- und Wohnungswirtschaft sowie Dienstleistungen für Energieversorger wie zum Beispiel die Übernahme von Geschäftsführungen.
Die Schlosshotel Hellenstein GmbH, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Heidenheimer Stadtwerke, soll nun die Tagungsstätte als Pächter betreiben. Man bringt einige Erfahrung mit: unter anderem mit einem Vier-Sterne-Superior-Hotel (115 Zimmer, Restaurant, Wellness und Tagung), das 70 Mitarbeiter zählt. Für die Stadt Rothenburg ist die Zusammenarbeit mit den Heidenheimern bis heute sehr erfolgreich. Allein in die Modernisierung des zu den Stadtwerken gehörenden Hallen- und Freibades wurden die letzten Jahre acht Millionen Euro investiert. Und gerade entsteht in Altstadtnähe eine Wohnanlage, mit denen die Stadtwerke auf sich aufmerksam machen. Wer weiß schon, dass sie eine eigene örtliche Bau-Gesellschaft betreiben, die Wohn- und Gewerberaum schafft sowie unterhält?
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) hat seit 1990 das Wildbad im Besitz. Mit dem Verkauf, so wird betont, würden die genannten Partner die Fortführung der traditionsreichen Tagungsstätte garantieren. Zum hotelähnlichen Bereich zählen 56 Gäste-Zimmer, neun Tagungsräume und das einzigartige historische Gebäudeareal mit Besonderheiten wie dem Theater- oder Rokokosaal.
Besonders erfreulich, dass die über 20-köpfige Belegschaft übernommen wird. Landesbischof Christian Kopp betont, dass dank starker Partner „das Wildbad in neuer Form weiterbestehen wird“. Für Oberbürgermeister Dr. Markus Naser wird mithilfe von Stadtwerke und Schlosshotel GmbH „dieser einzigartige Ort auch in Zukunft eine wichtige Rolle für Rothenburg und die Region spielen.“ Erich Weber, (Geschäftsführer Markt der Stadtwerke Heidenheim sowie des Schlosshotels), möchte das Wildbad mit dem bestehenden Personal „in eine neue Ära führen“ und sieht Synergien zusammen mit den beiden Hotels in Heidenheim. Pfarrer Dr. Wolfgang Schuhmacher hatte bereits 2018 – als die Schließung gerade abgewendet war – die Leitung der evangelischen Einrichtung übernommen.
Bewährtes und Neues
Nun ist er noch mal für den nächsten Neustart gefordert, er wird mit übernommen und zwar weiterhin als Leiter der Tagungsstätte: „Ich freue mich auf die Weiterentwicklung des Wildbads“, sagt er uns. Dabei ist für ihn wichtig, dass es keinen großen Bruch mit der bisherigen Ausrichtung gibt.
Schuhmacher: „Das Tagungshotel soll mit einem Konzept, welches weiterhin zur Landeskirche und zur aktuellen Ausrichtung passt, fortgeführt werden. Hierüber erhoffen wir uns natürlich auch den Erhalt der bisherigen Stammgäste!“
Außerdem betont er, es würden „bewährte Tagungsformate, auch mit spirituellem Kontext, erhalten bleiben“. Darüber hinaus aber wolle man „parallel dazu auch Neues wagen“. Was die jährlichen Kunstaktionen „Artist in Residence“ anbelangt, die gerade beendet werden, so sei darüber noch nicht gesprochen worden. In den kommenden Monaten werde sich die künftige Konzeption zeigen. Der Wildbad-Leiter: „Gutes soll erhalten beiben und ausgebaut werden, neue Konzepte die bisherigen Angebote ergänzen.“
Auch wenn das Grundlegende offenbar verbindlich vereinbart ist, bleibt noch einiges im Detail für eine reibungslose Übernahme zu klären. Und im dann unter neuen Besitzverhältnissen laufenden Betrieb wird man sehen, was sich bewährt oder wo Veränderungen und Anpassungen nötig sind.
Vor allem aber wie die Wirtschaftlichkeit des Wildbades erreicht werden kann. Alle bestehenden Reservierungen würden erfüllt und es seien bereits über 2025 hinaus wieder Anfragen möglich, unterstreicht der Pächter.
„Glücksfall für alle“
Die um 1900 von Hofrat von Hessing als Kurhotel errichtete Gebäudeanlage am Talhang mit dem weitläufigen Park und den Tauber-Arkaden hatte schon viele Besitzer. Am längsten hielt es die Bayerische Bereitschaftspolizei aus: 25 Jahre von 1951 bis 1976. Nachfolger drohte eine Meditationssekte zu werden, was die Stadt 1978 durch Ausübung ihres Vorkaufsrechtes für lediglich 300 000 Mark verhinderte. Um die Anlage dann zum selben Preis an die Diakonie Neuendettelsau weiterzureichen, die einen Trägerverein Wildbad gründete. Erst 1990 übernahm dann die Landeskirche München das Anwesen.
Lange hatte es geheißen, es sei kein Käufer in Sicht und man hatte Bedenken, dass immer mehr Beschäftigte vorsorglich ein „sinkendes Schiff“ verlassen. Der langjährige wirtschaftliche Betriebsleiter Stephan Michels begleitet den Übergang und sieht darin „einen Glücksfall für alle“.
Das Wildbad in seiner Art bleibe in der Region verankert und gelange letztlich über die Stadtwerke in städtischen Besitz. Vor allem aber werde die einzigartige historische Anlage nicht zu einem „Lost Place“ (vergessener Ort) werden, wie es manche schon befürchtet hatten.
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