Satteldorf. Die Verbandsversammlung des Zweckverbands Wasserversorgung Nordostwürttemberg (NOW) fand in der Sport- und Fetshalle Satteldorf statt. Eine zentrale Rolle spielten der Ausbau der Eigenwasserproduktion und der erneuerbaren Energien, um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein.
Dass Menschen in der Ukraine gerade mit Plastikbehältern Wasser aus Flüssen schöpfen, sei ein Zustand, den er sich nie hätte vorstellen können – in Europa. Der, der das sagt, heißt Thomas Haas und ist Bürgermeister von Satteldorf. „Wenn man die Bilder sieht, sieht man, wie wichtig eine gute Wasserversorgung ist“, fügte er hinzu. Das waren seine Begrüßungsworte zur Verbandsversammlung der NOW. Wenn es eine gute Überleitung zum Thema Trinkwasser gibt, dann hat Haas sie hiermit geliefert. Ukraine-Krieg, Corona-Pandemie, Fachkräftemangel, Lieferengpässe, steigende Rohstoff- und Energiepreise und nicht zuletzt der Klimawandel – all das macht das Wirtschaften nicht einfacher.
29 Millionen Kubikmeter Trinkwasser, 840 Kilometer Leitungen, neun Wasserwerke
Der Zweckverband Wasserversorgung Nordostwürttemberg (NOW) mit Sitz in Crailsheim ist hinter der Bodensee-Wasserversorgung und der Landeswasserversorgung der drittgrößte Fernwasserversorger in Baden-Württemberg.
Über ein 840 Kilometer langes Leitungsnetz verteilt die NOW jährlich rund 29 Millionen Kubikmeter Trinkwasser an ihre Mitglieder. Insgesamt werden rund 600 000 Einwohner in 100 Städten und Gemeinden versorgt.
Die NOW wurde 1953 als kommunaler Zweckverband gegründet. Diesem gehören derzeit 49 Städte und Gemeinden, 16 Zweckverbände, fünf Stadtwerke und vier Landkreise (Landkreis Schwäbisch Hall, Rems-Murr-Kreis, Hohenlohekreis, Main-Tauber-Kreis) an.
Das Versorgungsgebiet erstreckt sich auch bis in den Landkreis Heilbronn und den Ostalbkreis. Mehr als 30 Prozent des von der NOW verteilten Wassers stammen aus aktuell 180 örtlichen Brunnen und Quellen. Es wird in neun Wasserwerken zu Trinkwasser aufbereitet.
Neben der Trinkwasser-Versorgung unterstützt die Wasserversorgung Nordostwürttemberg ihre Mitglieder mit einem breiten Dienstleistungs- und Serviceangebot. js
In solchen stürmischen Zeiten sei der kommunale Verband „ein Segen für uns alle“, fand NOW-Geschäftsführer Dr. Jochen Damm. Aber: „Der trockene Sommer hat uns gezeigt, dass wir auf die Probleme reagieren müssen.“ Damm denkt besonders an die extreme Dürre in Italien. „Die größte Herausforderung sind lange, zusammenhängende Trockenperioden“, sagte der stellvertretende Geschäftsführer Ralf Winter. Und wie ist die Wasser-Situation im NOW-Land? Was den Jahresniederschlag angeht, dürfe es in Zukunft schwierig werden, das langjährige Mittel zu erreichen, so Damm. In der Vergangenheit habe man die „Trockenphasen sehr gut meistern können. Wir waren noch nicht am Limit.“ Es gibt noch eine Speicherreserve von 80 000 Kubikmetern, die hält 23 Tage. „Der Hochverbrauchstag ist das Maß aller Dinge. Da muss genug Wasser vorhanden sein“, sagte Damm, und weiter: „Die Botschaft ist ganz klar: Wir brauchen mehr Wasser.“
Bei Winter klingt das so: „Wir peilen erstmals zwölf Millionen Kubikmeter Eigenwasser pro Jahr an.“ Die Anzahl der Eigenwasservorkommen soll von aktuell 180 auf 220 im Jahr 2024 erhöht werden. Damit die Fehlmenge nicht zunimmt, werden auf der anderen Seite Bestandsbrunnen optimiert, Entnahmerechte erhöht und Wasserwerke erweitert.
Logische Folge: „Der Anstieg des Wasserpreises wird uns künftig begleiten“, sagte Damm. Aber: „Der Wasserpreis ist nicht unser Problem.“ Die Preissteigerung in 2023 liegt bei knapp acht Prozent. Bei einem Drei-Personen-Haushalt mache der NOW-Anteil 17 Euro pro Jahr aus, rechnet Damm vor. Für die Stabilisierung des Wasserpreises löst die NOW Rückstellungen und Gewinnrücklagen von insgesamt 7,2 Millionen Euro auf. Um die Eigenwasserproduktion auszubauen, bekommt das Wasserwerk Niedernhall bis Ende 2024 für 1,7 Millionen Euro eine erweiterte Wasserenthärtungsanlage. Zudem gibt es weitere große Bauprojekte, die bereits laufen oder in den nächsten Jahren anstehen: Sanierungen der Hochbehälter Waldenburg (2,5 Millionen Euro) und Rückertsbronn (1,7 Millionen), Leitungserneuerungen bei Lehrensteinsfeld und Hermuthausen (26 Millionen), Ausbau von Datenübertragungswegen (1,1 Millionen). Außerdem spielt der Ausbau von erneuerbaren Energien eine wichtige Rolle in der NOW-Strategie. Bereits 2015 ging ein Windrad bei Weikersheim-Bronn in Betrieb.
Jetzt ist mit einer Freiflächen-Fotovoltaikanlage in Dankoltsweiler ein neues Großprojekt in der Mache. Eckdaten: 550 Kilowatt-Peak Leistung, 620 000 Kilowattstunden Jahresertrag, 625 000 Euro Investitionskosten. Ergänzend dazu bekommen die Wasserwerke Grimmbach und Kupfer Fotovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von 30 beziehungsweise 20 Kilowatt-Peak. Was Damm noch wichtig ist: „Die Instandhaltung nicht hinten anstellen.“ Deswegen gibt es das Erneuerungsprogramm Leitungen und Anlagen.
Höhere Pensionsrückstellungen
Eine gute Wasserversorgung kostet Geld. Die Umsatzerlöse und Aufwendungen sind 2021 gegenüber Plan um drei Prozent auf rund 34,4 Millionen Euro gestiegen. Das laut dem stellvertretenden Geschäftsführer Simon Hechtel gute Jahresergebnis vor Umlageabrechnung liegt bei 147 000 Euro. Es hätte noch besser sein können, aber zwei Faktoren wirken sich negativ aus. Erstens: Bei der Entwicklung von Pensionsrückstellungen wurden die Bemessungsgrundlagen nach oben korrigiert, dies macht eine zusätzliche Belastung von 620 000 Euro aus. Zweitens: Um das Risiko für Steuernachzahlungen abzufedern, wurde eine Rückstellung von 436 000 Euro gebildet.
Wie die NOW an der Zukunft arbeitet, lässt sich exemplarisch an der Jagstgruppenkonzeption ablesen. Zur Jagstgruppe gehören die Stadt Crailsheim sowie die Gemeinden Rosenberg, Kreßberg, Frankenhardt und Jagstzell. Bis Mitte 2024 kriegt das Wasserwerk Schweighausen eine Ultrafiltration. Es ist zu erwarten, dass der Niederschlag um 20 Prozent zurückgeht, dementsprechend reduziert sich die Grundwasserneubildung, aber der Bedarf steigt.
Da die Leistungsfähigkeit der Rohwasserleitung nicht mehr ausreicht, werden aktuell hydraulische Schwachstellen ermittelt. Zudem liefern Quellen und Brunnen weniger, als sie sollten. Es gibt einen deutlichen Erschließungsbedarf. Die Hydrologen seien schon dran, so Damm. „Es gibt gute wasserführende Schichten in der Region.“ Jetzt wird die Konzeption erweitert, die Kosten steigen um 3,2 Millionen auf 7,1 Millionen Euro. „Wir kriegen dafür viel zurück“, sagte Damm.
Auch die Digitalisierung geht nicht spurlos an der NOW vorüber. Neulich hat eine Firma Cyberattacken simuliert, um die IT-Sicherheit des Wasserversorgers zu erhöhen. Ganz neue Möglichkeiten bietet im nächsten Jahr die Verknüpfung von zwei Systemen. Dann werden die Rückmeldungen von Objekten mit den Sachdaten der Objekte gekoppelt.
Dr. Damm scharf angegriffen
Ein anonymer Brief, in dem der NOW-Geschäftsführer Dr. Jochen Damm denunziert wird, war bei der NOW-Verbandsversammlung nur kurz ein Thema. Verbandsvorsitzender Stefan Neumann sagte in seiner Begrüßung, dass der Verwaltungsrat sich des Themas angenommen habe. Ein erstes internes Prüfungsverfahren habe ergeben, dass der Geschäftsführer seinen Rechten und Pflichten vollumfänglich nachgekommen sei. Nach dem Abschluss des Verfahrens würden zunächst die NOW-Gremien und dann die Öffentlichkeit informiert. Und: Der Geschäftsführer genieße weiterhin „unser vollstes Vertrauen“.
Damm selbst sagte während der Versammlung nichts zu dem Brief – mit einer Ausnahme: Nachdem Damm den Wirtschafts- und Stellenplan 2023 vorgestellt hatte, bedankte er sich „für den Rückhalt in den letzten Wochen“. Dies könnte man auf den besagten Brief beziehen.
Das anonyme Schreiben stammt von Ende September. In dem Schreiben wird Damm unter anderem vorgeworfen, er habe „erschreckend wenig Ahnung von Wasserversorgung“ und „keine Erfahrung in der Führung eines Betriebs in der Größe der NOW“. Im Unternehmen herrsche eine „toxische Arbeitsumgebung“, die Personalfluktuation soll stark zugenommen haben, seitdem Damm am Ruder sei.
Dem Geschäftsführer wird in dem anonymen Brief weiter vorgeworfen, er habe Berufliches und Privates vermischt.
Mitte Oktober ging eine Info des Verwaltungsrates an die NOW-Belegschaft. Dann folgte eine Stellungnahme für die Presse, in der es heißt, „dass der Geschäftsführer seinen Rechten und Pflichten vollumfänglich nachkommt“ und weiterhin „unser vollstes Vertrauen“ genieße.
Der Verwaltungsrat wünscht sich laut Recherchen des Hohenloher Tagblatts eine professionelle Aufarbeitung des Falles. Ist es professionell, wenn die NOW-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter eine Solidaritätsnote für ihren Chef unterzeichnen sollen, ohne den Brief zu kennen? Ist es professionell, diejenigen, die nicht unterschreiben und sich so vielleicht per se verdächtig machen, in Einzelgesprächen regelrecht zu verhören? Die Liste mit den Unterzeichnern liegt übrigens aus. Datenschutz? Fehlanzeige. Warum macht der Personalrat da mit? Warum spricht der Geschäftsführer nicht mit der Belegschaft? Warum stellt er keine Anzeige gegen unbekannt und lässt Profis die Polizeiarbeit machen? Bei der NOW herrsche ein Klima des Misstrauens. Man wisse nicht mehr, mit wem man sprechen könne, heißt es. Man müsse ja befürchten, dass jemand gleich zum Vorgesetzten renne. Jens Sitarek
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