Bundeswehr in Niederstetten, Walldürn und Hardheim

Niederstetten: Pfarrer für 3000 Soldaten hört viele Sorgen

Er ist als Militärpfarrer für die Standorte Niederstetten, Hardheim und Walldürn zuständig. Stephan Aupperle hat ein offenes Ohr für die 3000 Soldaten.

Von 
Arno Boas
Lesedauer: 
Militärpfarrer Stephan Aupperle in seinem Büro in der Niederstettener Kaserne im Gespräch mit einem Soldaten. Der evangelische Geistliche ist zusammen mit einem katholischen Kollegen für die rund 3000 Soldatinnen und Soldaten in Niederstetten, Walldürn und Hardheim zuständig. © Arno Boas

Niederstetten. Seit zehn Jahren ist Stephan Aupperle evangelischer Militärpfarrer am Bundeswehr-Standort Niederstetten. Der 61-Jährige ist zusammen mit einem katholischen Geistlichen für die rund 3000 Soldatinnen und Soldaten an den Standorten Niederstetten, Hardheim und Walldürn zuständig. Die FN sprachen mit dem Theologen unter anderem darüber, wie sich seine Arbeit seit dem Ukraine-Krieg verändert hat. Und sie sprachen mit ihm über sein Ehrenamt im Vorstand der Stiftung Jüdisches Museum in Creglingen und den wachsenden Antisemitismus.

Stephan Aupperle ist ein Mensch, der gerne neue Herausforderungen annimmt und immer offen ist für Veränderungen. „Bei null anzufangen, reizt mich“, sagt der 61-Jährige. Vielleicht lässt sich so erklären, weshalb der einstige Kriegsdienstverweigerer seit zehn Jahren als Militärseelsorger am Bundeswehr-Standort in Niederstetten tätig ist. Einen Widerspruch kann der Geistliche darin nicht erkennen. Im Gegenteil: Er kennt das kognitive Dilemma zwischen persönlicher Friedensliebe und staatlichem Selbstverteidigungsrecht aus eigener Perspektive und hat so direkten Zugang zu den Soldaten, die diese Gewissenslast ja auch tragen müssten, wie Aupperle im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten erzählt.

Wie viele andere Militärpfarrer diente auch Stephan Aupperle nicht selbst beim Militär. Der aus Nürnberg stammende Geistliche absolvierte stattdessen seinen 18-monatigen Zivildienst in den Jahren 1984 und 1985 in einem christlichen Kibbuz im Norden Israels. Seine besondere Verbindung zu Israel war schon Anfang der 80er Jahre gewachsen, als er an deutsch-israelischen Jugendaustauschen teilnahm und diese Ende des Jahrzehnts auch leitete. Wie eng seine Verbindung zum Judentum auch heute noch ist, zeigt sich unter anderem an seinem ehrenamtlichen Engagement im Vorstand der Stiftung Jüdisches Museum in Creglingen. Ein schöneres Ehrenamt könne er sich nicht vorstellen. „Das Museum leistet eine ganz wichtige Arbeit“, sagt Stephan Aupperle, der sich „tief erschrocken“ zeigt über den gestiegenen Antisemitismus sowohl von links und rechts als auch von islamistischer Seite.

Sieben Jahre im Missionsdienst

Der studierte Sozialpädagoge bildete sich in sechs Jahren zum bayerischen Diakon aus und ging in die Missionsarbeit. In Papua-Neuguinea im Pazifik war er seit 1997 als kirchlicher Mitarbeiter zunächst auf einer Missionsstation beschäftigt, wo er unter anderem auch Seelsorge und Bibelstunden im Gefängnis anbot. Danach war er Leiter einer Schule für die Ausbildung ehrenamtlicher Gemeindeleiter. Um sich zu verständigen, lernte Stephan Aupperle melanesisches Pidgin, eine Art Behelfssprache, die nur aus rund 1.800 Wörtern besteht und die sich einst dadurch entwickelt hat, dass unterschiedliche Sprachen aufeinander trafen und man eine gemeinsame Verständigungsbasis brauchte. „Man kann da auch sprachschöpferisch sein“, meint Stephan Aupperle mit einem Augenzwinkern. Sieben Jahre lang – bis 2004 - wirkte Stephan Aupperle im Missionsdienst, dann stellte er sich die Frage: „Was kommt als Nächstes?“

Auf dem zweiten Bildungsweg wurde der Franke – inzwischen verheiratet mit seiner Frau Sabine und Vater dreier in Australien geborenen Töchter - schließlich Pfarrer und trat seine erste Stelle im unterfränkischen Ermershausen bei Hofheim in den Haßbergen an. Aus Ozeanien aufs flache fränkische Land in Deutschland: Das sollte nicht die letzte Neuorientierung bleiben. Nach zehn Jahren als Dorfpfarrer bewarb sich Stephan Aupperle 2015 auf die Stelle des Militärseelsorgers in Niederstetten. Sich auf eine völlig neue, fremde Aufgabe einzulassen, „das fand ich immer spannend“, so Stephan Aupperle. Seit zehn Jahren ist er nun also an den Standorten Niederstetten, Walldürn und Hardheim für rund 3000 Soldatinnen, Soldaten, Zivilisten und Familienangehörige zuständig, gemeinsam mit einem katholischen Seelsorger, der seinen Sitz in Walldürn hat. Die Ökumene spielt eine große Rolle. „Ich frage einen Soldaten, der vor mir sitzt, nicht, ob er katholisch oder evangelisch ist“. Er und sein katholischer Amtskollege würden sich gut ergänzen. Einmal im Monat findet an jedem Standort ein Gottesdienst statt, zweimal im Jahr wird dieser gemeinsam als ökumenischer Gottesdienst gefeiert.

Selbstverteidigungsrecht und Gewissenskonflikte

Gut erinnert sich Stephan Aupperle an die Zeit Mitte der 80er Jahre, den Nachrüstungs-Doppelbeschluss, die Demonstrationen in Bonn und Mutlangen gegen Atomwaffen. „Soldaten sind Mörder“ habe damals ein Teil der Friedensbewegung skandiert. „Der Staat hat ein Selbstverteidigungsrecht, und Soldaten, die diese Aufgabe übernehmen, können in Gewissenskonflikte geraten“. Ihnen in diesen schwierigen Momenten zu helfen, sei eine seiner wichtigsten seelsorgerischen Aufgaben. Dazu gehören ferner Gottesdienste, kirchliche Freizeiten und lebenskundlicher Unterricht, in dem es auch um berufsethische Fragen geht. In den Gesprächen schlägt sich der Ukraine-Krieg nieder, und die Fragen werden drängender, ob man als deutscher Soldat zur Verteidigung des Nato-Bündnisses irgendwann zur Waffe greifen müsse.

Auch Auslandseinsätze gehören zum Dienstauftrag eines Militärpfarrers. Stephan Aupperle war beispielsweise 2018/2019 in Mali, im Jahr 2022 im Irak und bereits zweimal auf einem Kriegsschiff. Mit der Fregatte „Baden-Württemberg“ ging es 2024/2025 für mehrere Monate durch den Pazifik und den Atlantik, um dann schließlich im Mittelmeer vor der Küste des Libanon die internationale UN-Mission „UNIFIL“ zu unterstützen. Sein letzter Einsatz liegt noch nicht lange zurück. Im Mai 2025 begleitete er die übende Truppe eine Woche lang bei der großen Nato-Übung in Litauen. Überhaupt Osteuropa: Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat viele scheinbare Gewissheiten auf einen Schlag weggewischt. „Gewaltsame Grenzverschiebungen in Europa sind wieder ein Thema, natürlich und besonders auch bei den Soldaten“, weiß der Geistliche aus vielen Gesprächen. Was ihn überrascht hat: Vor dem Ukraine-Krieg habe es pro Jahr im Schnitt einen aktiven Soldaten gegeben, der den Wehrdienst verweigern wollte. „Seit 2022 bei mir keinen mehr“.

Belastungspotenzial in der Truppe ist hoch

Das Belastungspotenzial in der Truppe sei hoch, vor allem auch im Auslandseinsatz, weiß der Seelsorger aus eigener Anschauung. Durch den Ukraine-Krieg sei die Schlagzahl noch höher geworden, hat Aupperle beobachtet. Bei den Heeresfliegern mit ihrem „technisch versierten Personal“, das ein „hochkomplexes System“ bedienen müsse, sei die Kameradschaft ein hohes Gut. Gerade angesichts der gestiegenen Arbeitsbelastung sei es umso wichtiger, dass den Soldaten Wertschätzung entgegengebracht werde. Die psychosoziale Versorgung in der Truppe habe ein starkes Gewicht, „ich bin wirklich begeistert, wie positiv die Führungsebene mit ihrem Personal umgeht“. Auch in der Bevölkerung habe das Ansehen der Soldaten zugenommen. „Die Menschen erkennen die Notwendigkeit einer Verteidigungsarmee mehr an, das hat die Akzeptanz erhöht“.

Ob Stephan Aupperle in einigen Jahren als Militärpfarrer in den Ruhestand geht? Eine Frage, die der Pfarrer nicht beantworten kann. Da ist ja seine Leidenschaft für Veränderungen, die ihn vielleicht noch einmal zu neuen Ufern aufbrechen lässt. Schließlich ist er erst 61 Jahre alt.

Mehr zum Thema

Veranstaltung der Citygemeinschaft

Bad Mergentheim: Nachtbummel am 12. September

Veröffentlicht
Von
Sascha Bickel
Mehr erfahren
Gedenkmarsch in Erinnerung an den Bauernkrieg

Creglingen: Bauernhaufen läuft nach Giebelstadt

Veröffentlicht
Von
Arno Boas
Mehr erfahren
Taubertal-Festival

Rothenburg: Musikereignis beginnt diesmal schon donnerstags

Veröffentlicht
Von
Arno Boas
Mehr erfahren

Redaktion Redakteur bei den FN

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke