Niederstetten. Das ist wahrscheinlich schon jedem mal passiert: Man glaubt sich von „ganz normalen“ Menschen umgeben – und plötzlich fühlt man sich wie mitten im Irrenhaus. Ob sinnfreie Diskussionen, groteske Situationen oder aberwitzige Verstrickungen: Die fest gefügten Grenzen zwischen vernünftig und durchgedreht verschwimmen manchmal erstaunlich schnell und man fragt sich: Was ist normal, was verrückt?
Schon vor mehr als 100 Jahren haben Wilhelm Jacoby und Carl Laufs diese philosophisch anmutende Frage in ein amüsantes Theaterstück verpackt, das heute noch genauso aktuell ist wie damals: „Pension Schöller“.
Im Sommer 2024 bringt das Niederstettener Freilichttheater im Tempele die rasante, hintersinnige Verwechslungskomödie auf die Bühne. Bilderstark, bunt und mit hinreißender Musik.
Ein echter Dauerbrenner
Der Wunsch, die heitere Boulevard-Posse auch einmal in Niederstetten zu spielen, treibt Theater-Intendantin Heidi Maedel schon lange um. „Das Stück liegt schon seit 20 Jahren in meiner Schublade“, erzählt sie im Gespräch mit den FN. Doch nie habe die für das Stück benötigte Besetzungsformation so richtig gestimmt. „Jetzt hat alles prima gepasst“, freut sich Maedel, die mit der Stückauswahl auch dem Wunsch vieler Zuschauer entsprechen wollte, wieder eine Komödie zu spielen.
Und was sind die Stärken des Stücks? Fasziniert hat Maedel an der „Pension Schöller“, die schon 1890 geschrieben wurde, dass die Thematik bis heute nichts an ihrem Reiz verloren hat. „Das ist auch der Grund, warum es immer noch gespielt wird, auch an den großen Bühnen“, ist die Intendantin überzeugt. Aktuell sei es unter anderem in Hamburg, am Staatstheater Cottbus, den Münchner Kammerspielen oder dem Staatstheater Mainz zu sehen.
Jede der Figuren in der temporeichen Situations- und Verwechslungskomödie hat liebenswert-kuriose Züge, die Zuschauer vor Augen führen, dass „Wahnsinn“ manchmal nur eine Frage der Perspektive ist.
Die Handlung ist so einfach wie amüsant: Alfred Klapproth, genannt Alf, ist Musiker und Schauspieler und träumt von einem eigenen Varietétheater. Das Geld dafür will er von seinem reichen Onkel, dem Oberforstmeister a.D. Philipp Klapproth bekommen. Doch der glaubt, dass der Neffe Medizin studiert, um später Neurologe zu werden. Mit dem Geld, so macht der Neffe dem Onkel weiß, will er ein psychiatrisch-neurologisches Institut eröffnen.
Wahnsinn im Wellnessresort
Der Onkel willigt ein, möchte aber, um Investitionsrisiken zu vermeiden, aber auch nicht ohne Sensationslust, eine vergleichbare Anstalt mit entsprechenden Insassen besuchen. Und damit hat Alf ein Problem – und muss improvisieren. Statt in eine Anstalt führt er den Onkel in das als Pension geführte Resilienz- und Wellnessresort Schöller mit seinen skurrilen Gästen. Begünstigt wird diese Idee durch die einmal monatlich stattfindende Motto-Soiree der Pension „Wellness, Selbstfindung und Kultur“. Der Onkel ist überzeugt und amüsiert sich prächtig. Doch dann bekommt er einige Tage später in seinem Forsthaus unerwarteten Besuch…
Regisseur Ulrich Schulz hat das Stück für die Tempele-Inszenierung bearbeitet, Text und Sprache aktualisiert und die Handlung in die heutige Zeit übertragen. Das scheint ihm sehr gut gelungen zu sein, denn bei einer ersten Leseprobe, für die das Ensemble am Wochenende in der Alten Schule zusammenkam, war jedenfalls das Gelächter der Schauspieler beim Lesen groß, wie Heidi Maedel berichtet.
Eine Woche zuvor hatte bereits eine erste musikalische Probe mit dem freischaffenden Komponisten und Musiker Oliver Krämer stattgefunden, der die musikalische Leitung in Niederstetten übernimmt. Auch 2024 gibt es wieder viel Musik im Tempele, die so abwechslungsreich ist wie nie. „Völlig quer Beet“, beschreibt Maedel die Musikauswahl, „sämtliche Musikrichtungen sind vertreten, von Klassik bis hin zu aktuellen Songs“.
Neue Gesichter im Ensemble
Neben Krämer gibt es neben dem bewährten und beliebten Stamm-Ensemble noch weitere neue Gesichter in Niederstetten: So liegt die Tontechnik 2024 in den professionellen Händen von Florian Zoll, die Regieassistenz übernimmt Jule Glück aus Weikersheim und das Schauspiel-Ensemble wird von Andreas Fischer-Klärle von dem Schäftersheimer Theaterverein „Doredräwer“ und Niklas Straka von der Studiobühne Bad Mergentheim ergänzt.
Kostümentwurf, Bühnenbau, Requisiten: schon längst ist die Theatercrew um Theatervereinsvorsitzende Heidi Maedel mit den Vorbereitungen und Planungen für die neue Saison beschäftigt. In ein paar Wochen werden dann schon die Nähmaschinen surren und in loser Folge die Lese- und musikalischen Proben beginnen.
Die „heiße Phase“ beginnt dann Ende Mai, bis sich dann am 10. Juli der Vorhang zur Premiere hebt. Zwölf Aufführungen wird es geben, die letzte Vorstellung ist am 28. Juli.
Auch 2024 werden wieder einige der Zuschauer ganz direkt in das Geschehen eingebunden. Sie dürfen auf der beschaulichen Terrasse der Pension Schöller an bequemen Tischen Platz nehmen und das lustige Treiben aus nächster Nähe verfolgen. FiT/mrz
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