Niederstetten. „Wir wollten eigentlich nur oben etwas umräumen“, erzählt Mediotheksleiterin Brigitte Mohr. Und dann überschlugen sich die Ideen, die von ihr und Kulturamtsleiterin Sandra Neckermann sowie den Mediotheks-Mitstreiterinnen Bärbel Reinhard, Roswitha Vollkommer und Renate Kurz kamen, regelrecht: eine Begegnungsecke muss her; der Zeppelin-Bereich ist viel zu zerfasert; Friedrich Witt kommt noch nicht richtig zur Geltung; und Gottlob Haag braucht eine richtige Leseecke...
Dann legten sie los, alle gemeinsam. Mit winzigem Etat: gerade mal 1000 Euro standen dem Team zur Mediotheks-„Generalüberholung“ vom Malern bis zu zahlreichen Umräum- und Einrichtungsaktionen zur Verfügung. Knapp – doch im Depot fanden sich unter anderem den Original-Zeppelinverstrebungen nachempfundene Halterungen, Regalböden und -seitenteile. Mit den seinerzeit auf Zuwachs und Veränderung eingekauften Materialien zauberte das Team eine einladend lichte Medienwelt. Zugekauft wurden nur ein paar neue Sitzelemente.
„Habt Ihr Bücher rausgeworfen?“ Die Frage erster Gäste, darunter der ehemalige Bürgermeister Kurt Finkenberger, in dessen Amtszeit das K.U.L.T. gebaut wurde, überraschte das Team kaum, denn alles wirkt jetzt luftiger. Die Antwort: „Nö – nur aktualisiert.“ Es sind die Regalinseln und die Umgruppierung des Museumsbereichs, die das Bild so verändern.
Kaffee-Ecke
Ruhe-, Lese- und Begegnungsinseln auf allen drei Etagen haben sie gestaltet, am Fensterband im Erdgeschoß ist an ein paar Tischen eine Kaffee-Ecke entstanden, von der aus Eltern ihre Kinder in der Lesestarter-Burg und am Bücher-Zug bestens im Blick behalten können. Ob die Burg neu sei, fragten sich selbst regelmäßige Mediotheksbesucher. Nein, ist sie nicht; sie hat nur die Regal-Tarnkappe abgestreift.
Seit dem Einzug des Zeppelinmuseums verwies die Halteleine der Bodenpersonalgruppe aufs Obergeschoss. Jetzt tut sie das mit noch mehr Recht, denn die Schautafeln, Vitrinen und Kleinexponate des Albert-Sammt-Museums sind jetzt komplett dort zu finden, wo auch das Zeppelin-Wandgemälde einen Größeneindruck des einst revolutionären Fluggeräts vermittelt. Faszinierend ist die Kartensammlung der Zeppelins-Post: Interessierte entdecken auf den Kartenrückseiten der so verwendeten Ansichten manch persönliche Zeile. Der 1889 in Niederstetten geborene Zeppelinkommandant und Niederstettener Ehrenbürger hätte seine helle Freude an der Neugestaltung.
Perfekter Platz
Hier oben hat jetzt der knapp 120 Jahre vor Sammt in Niederstetten geborene Komponist Friedrich Witt einen perfekten Platz gefunden. In stundenlanger Feinarbeit haben die Niederstettener Bücherdamen die Passepartouts für die Notenblätter und Texte geschnitten, die Interessierten Leben und Wirken des „großen Kleinmeisters“ – so beschrieb HofMusic-Fagottist Hans-Peter Vogel den 1770 geborenen Sohn des Jakobskirchen-Kantors – nahe bringen. Natürlich gibt’s auch Hörbeispiele. Mit Gottlob Haag (1926 bis 2008) ist ein weiterer Niederstettener Ehrenbürger vor gut drei Jahren hier oben in ein eigenes Kabinett eingezogen. Das ist nach dem Umzug in eine OG-Ecke jetzt noch heimeliger geworden. Gäste, die auch gern auf Haags altem Sessel Platz nehmen dürfen, können hier ungestört in seinen Werken und vielfältiger Sekundärliteratur schmökern – und selbstverständlich auch die „Stimme Hohenlohes“ hören.
Frischzellenkur
Einer kräftigen Frischzellenkur – nicht nur durch den neuen Anstrich – unterworfen wurde auch das Untergeschoss: Nichts ist mehr übrig vom alten Keller-Flair, eher fühlt man sich wie auf einem Dschungel- oder Untersee-Kurztrip. Hier lädt zwischen durch Rollen kurzfristig bedarfsgerecht umgruppierbaren Regalen ein großer Tisch zur Gruppenarbeit, kleine stehen unter anderem für Ausarbeitungen zur Verfügung, Lümmel-Ecken und „Chill-Lounge“ laden zu gemütlichen Schmöker-Stunden. Dass das Kinderkino und die Vorlese-Ecke weiter mit Begeisterung genutzt werden dürften, versteht sich von selbst.
Schon während des ersten Lockdowns sei deutlich geworden, wie wichtig die gezielte Orientierung an veränderten Bedürfnisse ist, so Sandra Neckermann: Nicht jedes Schulkind habe zuhause die Möglichkeit, den Lernstoff ganz in Ruhe zu erarbeiten, und Familien suchten nach Ideen zur kreativen Gestaltung der Coronaphase. Mit dem an der Außenwand der Mediothek aufgespannten „Kreativnetz“ kam das Team diesem Bedürfnis entgegen: Die formlos abpflückbaren Vorlese-, Ideen- und Basteltütchen sind beliebt. Brigitte Mohr ergänzt die Kreativnetz-Angebote regelmäßig. Das Netz bewährt sich inzwischen auch als Kommunikationsort für externe Angebote. Weiter ausbauen will das rührige Trüppchen künftig die „Mediothek der Dinge“, in der sich jetzt schon unter anderem Aktenvernichter, Beamer, Diascanner, Nähmaschine und Stricknadeln finden lassen: Nur selten verwendete Gerätschaften auszuleihen ist fürs Klima besser als permanente Neuanschaffungen, findet das in der Umgestaltung noch enger zusammen gewachsene Team. „Für uns und hoffentlich bald wieder für alle Nutzer ist die Mediothek zum Ort geworden, an dem Gedanken schweifen, Ideen sprießen und Initiativen wachsen,“ betont Sandra Neckermann. Am liebsten vorgestern würden sie mit einem Tag der offenen Tür eine rauschende Mediotheks-Revival-Party feiern. Wetten, dass es den Leseratten genauso geht?
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