Erneuerbare Energie - In Niederstetten nimmt der Anteil sauber produzierten Stroms kontinuierlich zu / Kriterienkatalog bewährt sich

Klare Regeln für Freiflächenfotovoltaik

Von 
Alexander Böltz
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25 103 Megawattstunden (MwH) Strom wurden in Niederstetten 2019 verbraucht. Aber Niederstetten bezog nicht nur, es gab auch zurück: 15 511 MwH wurden 2019 an erneuerbarer Energie erzeugt. Damit liegt die Stadt weit über Durchschnitt.

Niederstetten. Den Hauptanteil am Ökostrom lieferten in den letzten Jahren die Solarzellen auf Äckern, Wiesen und Dächern. Im Jahr 2019 zählte die Netze BW GmbH als Netzbetreiber im Raum Niederstetten 549 Solaranlagen. Sie erzeugten 10 642 000 KwH oder 10 642 MwH. Die Biomassekraftwerke lieferten 4361 MwH, aus der Wasserkraft kamen 88 MwH. Zum Vergleich: Ein Zwei-Personen-Haushalt verbraucht pro Jahr im Durchschnitt etwa 2,5 MwH.

Die größten Stromverbraucher waren (Stand 2019) die 66 Industriebetriebe im Stadtgebiet Niederstetten. Sie verbrauchten 58 Prozent des Stroms. Die 1751 Haushalte benötigten 17 Prozent, die 339 Gewerbebetriebe zehn Prozent und die 301 landwirtschaftlichen Anwesen 8,36 Prozent. Die Straßenbeleuchtung ist mit 0,6 Prozent dagegen ein „kleines Licht“.

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Stichwort Licht oder besser Tageslicht: Die Zahl der Solarmodule rund um Niederstetten wächst stetig. Vor allem Landwirte setzen auf erneuerbare Energien. Die Stadt Niederstetten hat eine Fläche von rund 10 400 Hektar. Davon sind allein über 6700 Hektar landwirtschaftlich genutzt. Kurz: Die Landwirte verfügen auf ihren Feldern, aber auch auf Scheunen und Stallungen über genügend Freiflächen für leistungsfähige Solaranlagen. In Wermutshausen entstand 2017 auf 3,2 Hektar der erste Solarpark in Baden-Württemberg auf benachteiligter landwirtschaftlicher Fläche. Es folgten unter anderem ein Bürger-Solarpark in Oberstetten sowie Freiflächen-Photovoltaikanlagen in Vorbachzimmern und Wildentierbach. In Pfitzingen sind weitere drei Hektar geplant.

Zubrot für Landwirte

Viele Landwirte sehen die Energieerzeugung als Zubrot, als Möglichkeit, ihre Familienbetriebe zu erhalten. Da ihre Produkte (Getreide, Futtermittel, Fleisch) seit Jahren im Handel kaum mehr kostendeckende Preise erlösen, suchten Landwirte lange die Lösung des Problems in der Steigerung der Produktion. Die Ställe wuchsen, zusätzliche Flächen wurden gepachtet oder gar gekauft. Die Investitionen zahlten sich aber selten aus. Die Preise blieben im Keller, die Arbeit der Landwirte wird weiter schlecht entlohnt.

Landwirt Gerhard Kümmerer, der bei Wermutshausen eine drei Hektar große Solaranlage betreibt, sieht im Solarstrom zum Beispiel eine Chance für seinen landwirtschaftlichen Familienbetrieb in Dunzendorf. Die Einnahmen helfen ihm, die preis-und witterungsbedingten Schwankungen, denen die Agrarindustrie unterliegt, auszugleichen.

Zuwachs begrenzt

Während besonders die Jahre mit heftigen Dürre- und späten Frostperioden für viele kleine bis mittlere bäuerliche Betriebe schwierig gewesen waren, sind seine Photovoltaikanlangen ohne große Leistungseinbußen gelaufen. „Alleine diese Fläche bringt mir so viel Ertrag wie 150 Hektar Ackerland ein.“, so Kümmerer gegenüber dem Photovoltaik-Netzwerk Heilbronn-Franken, das den Landwirt beratend begleitete. „Hier erzeugen wir 2,5 Millionen Kilowatt Strom“, erklärte Kümmerer, „das trägt bedeutend zum Betriebsergebnis bei.“

Dazu passt ein Zitat des Fernsehjournalisten und Buch-Autors Franz Alt. Er hat einmal gesagt: „Die Sonne schickt uns keine Rechnung“. Und im Jahr 2011 hat Alt überspitzt formuliert: „Landwirte können die Ölscheichs des 21 Jahrhunderts werden“. Die Zeit gab Alt Recht. Das Interesse und die Zahl der Investoren wuchs von Jahr zu Jahr. So sehr, dass der Gemeinderat der Stadt sich Anfang 2020 zu einem Kriterienkatalog für Freiflächen-Photovoltaikanlagen gezwungen sah. Ein Thema, das vor kurzem auch der Gemeinderat von Lauda-Königshofen aufgriff. Die Stadt Niederstetten hat bestimmt, dass in vier Jahren maximal 40 ha für neue Standorte ausgewiesen werden, pro Jahr maximal zwei Anlagen mit zusammen nicht mehr als zehn Hektar. Der Kriterienkatalog lässt keine Konzentration an einem Standort bzw. um eine Ortschaft herum zu. Er schreibt den Mindestabstand von der Straße (20 Meter) und vom Wald (50 Meter) vor. Und: Anlagen sind nicht erlaubt an Hanglagen in Tälern mit Landes- oder Kreisstraßen. Auch an den Rückbau der Solarflächen hat man in Niederstetten gedacht: Bei Stilllegung der Anlage bzw. Ende der Einspeisung hat der Rückbau innerhalb eines Jahres zu erfolgen.

Weiter heißt es: „Der Gemeinderat erteilt Genehmigungen von Freiflächen-Photovoltaikanlagen an Niederstettener Bürger und an bereits in Niederstetten ansässige Unternehmen. Bürgerbeteiligungen sind für Niederstettener Bürger möglich und wünschenswert und werden vorrangig genehmigt“. Damit wird eines forciert: Unternehmerisch geführte Anlagen müssen ihren Unternehmenssitz in Niederstetten haben. Oder anders gesagt: Da, wo der Strom erzeugt wird, sollen auch die Steuern dafür gezahlt werden. Da haben Verwaltung und Gemeinderat aus Erfahrungen mit Betreibern von Windkraftanlagen auf der Gemarkung gelernt.

Sichtschutz gewährleistet

Eine weitere Forderung in Niederstetten ist der durchgehende Sichtschutz bei Freiflächen-Solaranlagen. Er sei „zwingend erforderlich“ und muss durch Bepflanzung gewährleistet sein. Mit den Pflanzungen versteckt man nicht nur die Module, man schafft auch Rückzugsgebiete für Tiere und Insekten, vor und in den Anlagen. Denn die Module werden von Metallstützen getragen. Die sind in den Boden gerammt. Damit bleibt unter den Modulen Licht und Luft zum Grünen und Blühen. „Hier wird nicht gedüngt“, betont Kümmerer für seine Anlage. „Nur zweimal jährlich gemäht.“ Die ehemals landwirtschaftlich intensiv genutzte Fläche wird jetzt also biologisch bewirtschaftet.

Biogasanlage

Weitere Beispiele für alternative Energieerzeugung auf der Gemarkung Niederstetten sind das Nahwärmenetz in Streichental (ab Ende 2012 waren hier 14 Gebäude und drei Schweineställe angeschlossen) und die Biogasanlage in Rüsselhausen. Hier wurde aus einem Dorf ein energetisch nahezu autarker Wohnort. „Bioenergie Rüsselhausen GbR“ heißt die Betreibergesellschaft. Sie produziert seit 2014 nicht nur Strom, den sie ins öffentliche Netz einspeist.

Die Abwärme ihrer Biogasanlage plus eine Hackschnitzelanlage, die mit Holz aus den umliegenden Wäldern gespeist wird, liefert den an das 1,4 Kilometer lange Netz angebundenen Gebäuden Wärme. Eine Erweiterung des Wärmenetzes für das im Aschbachtal bei Markelsheim geplante Baugebiet „Rüsselhausen Ost“ mit seinen sieben Bauplätzen ist deshalb angedacht.

Außerdem sind bei Herrenzimmern im Windpark Hühnernest seit 2020 Windkrafträder in Betrieb. Sie erbringen eine Gesamtleistung von knapp 14 Mwh.

Sie fließen in die nächste Bilanz der Netze BW GmbH ein und verbessern damit weiter die Öko-Bilanz der Stadt Niederstetten.

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