Schillingsfürst

In der Geheimsprache „Jenisch“ wird aus einem Lehrer der „Duftschaller“

Kleines, aber feines Museum setzt sich für den Erhalt der vom Aussterben bedrohten Sprache ein. In die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen

Von 
Dieter Balb
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Schillingsfürst. Der Idealismus einiger Schillingsfürster für den Erhalt der jenischen Sprache trägt Früchte: Inzwischen ist jenisch als Sondersprache bei der Unesco als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Davon haben auch die Sprachwahrer in der Schlossstadt etwas, zumindest noch mehr Aufmerksamkeit, wenn es um den Erhalt einer faszinierenden Geheimsprache geht, die so gut wie ganz ausgestorben war.

Es ist auch eine Bestätigung für die ehrenamtliche Arbeit der beiden Lehrer Johannes Munique und Markus Löschel und ihr Engagement zur Etablierung eines kleinen Museums, das inzwischen auch überregional ein Echo erfahren hat. Und nun gewissermaßen als Krönung sogar die indirekte internationale Auszeichnung. Johannes Munique dazu: „Prof. Klaus Siewert, der wichtigste Sondersprachenforscher, erreichte bei der Unesco die Anerkennung der Sondersprachen in Deutschland als immaterielles Kulturerbe. In diesem Zusammenhang darf sich auch das Schilllingsfürster Jenisch so nennen!“ Laut Siewert seien das Museum und das Engagement wichtiger Teil der Argumentation zur Anerkennung gewesen, denn nur „lebendige Traditionen“ könnten den Titel erhalten. Das Museum wird nach wie vor nur durch Spenden und ehrenamtliche Arbeit geführt und erfährt viel Zuspruch. Darüber hinaus sorgen die Initiatoren dafür, dass Jenisch im Bewusstsein bleibt und sogar junge Leute wieder Spaß daran haben. Für die Kirchweih letzten September hatte man mit Sketchen und Liedern auf Jenisch das Publikum begeistert. Schon besuchen auswärtige Schulklassen aus anderen „Jenisch-Orten“ das Museum, außerdem sorgt es für mehr Vernetzung unter den Sprachforschern. So war der Verein Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein zu Besuch und so angetan, dass man seine Unterstützung zusagte. „Der lafer Ruch schurlt an jeden Boscher zsamm“ ist einer der überlieferten Jenisch-Sätze: Der geizige Bauer kratzt jeden Pfennig zusammen“ auf hochdeutsch. Doch es gibt eine ganze Reihe von Ausdrücken, die sich bis heute in unserer Alltagssprache wiederfinden, ohne dass man sich der jenischen Ursprünge bewusst ist: Diwern zum Beispiel für reden, der Kniefiesel als Geizhals, das „Lousen“ entspricht dem horchen, Model oder Meschli steht für das Mädchen, sollte es riechen, dann ist vom Muffen die Rede, der Schecherer (Händler) erinnert an das schachern, man gibt seiner Liebsten einen Schmetzer (Kuss) und manche Leute schnorren (betteln) gerne.

Nur die Kenner der Geheimsprache können freilich mit den speziellen Begriffen etwas anfangen. So wie mit Duftschaller für Lehrer, Gleis für Metzger oder Nepferizupfer für den Zahnarzt und der Sprausfetzer für den Zimmermann. Manche jenischen Begriffe kommen wie selbsterklärend daher, so meint der Trittlings-Pflanzer den Schuster, während der Grünrattel ein Förster ist oder mit Hitzling der Sommer als heiße Jahreszeit benannt wird.

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Wenn man vom Schillingsfürster Jenisch spricht, dann bezieht sich das auf jene Geheimsprache, auch Gauner-Sprache genannt, wie sie das fahrende Volk genutzt hat, das sich nach 1750 auf der Frankenhöhe rund ums Schloss ansiedelte.

Bis in die siebziger Jahre gab es noch Jenisch-Sprecher am Ort. Dann drohte das endgültige Aussterben dieser Sprachkultur. Doch Heimatfreunde, ein Stammtisch und Kerwe-Traditionen wie der Stupfl-Tanz sorgten dafür, dass die Erinnerung aufrecht erhalten wurde. Heute gibt es niemanden mehr, dem das Jenische noch orginär aus der Familie weitergegeben wurde. Solche Kultursprachen wurden nie schriftlich, sondern stets über Generationen hinweg mündlich überliefert. Ein Glücksfall, dass sich in jüngerer Zeit mit Johannes Munique und Markus Löschel zwei Lehrer mit viel Freude und Hartnäckigkeit des Themas angenommen haben. Ihre Initiative fand schließlich im 2021 eingeweihten kleinen Sprach-Museum sichtbaren Ausdruck, finanziert aus Spenden und Fördermittel.

Das inhaltliche Konzept ließ sich passend im so genannten „Theaterchen“ realisieren, ein schmuckes Nebengebäude des ehemaligen Amtsgerichts, das heute zum Haus der Heimat mit dem Ludwig-Doerfler-Museum und dem herrlichen Garten gehört. Der 1992 gestorbene Schillingsfürster Maler Ludwig Doerfler hatte selbst noch ganz gut jenisch gesprochen.

Generell ist zu unterscheiden zwischen der jenisch sprechenden Bevölkerung (Beispiel Schillingsfürst) und der ethnischen Volksgruppe der Jenischen, von denen es angeblich noch bis zu 100 000 vor allem im deutschsprachigen Raum geben soll. Die Ursprünge hängen mit Fürst Karl Albrecht I. zusammen, denn der warb 1757 auswärtige Handwerker an, Voraussetzung war, sie durften keine schwere Straftat begangen haben und mussten katholisch sein. Mit diesen Zuwanderern kam das Jenisch in die Schlossstadt. Ihr einstiges Wohngebiet ist bis heute noch als „schwarzes Viertel” bekannt. Einheimische wie Zugereiste, Maurer und Zimmerleute, Kesselflicker und Korbflechter fanden hier zusammen, häufig waren es die Ärmsten. Im „Frankemer Stupfl-Fasching” wird daran erinnert, dass ihnen der Igel als Delikatesse galt. Es ist kein streng wissenschaftliches, aber von den Initiatoren sehr fundiert und sachkundig eingerichtetes Sprachmuseum. An Informationen, Dokumenten, Bildern und Materialien mangelt es nicht. Wende-Tafeln mit Dörfler-Motiven, die auf der Rückseite den jenischen Begriff enthalten, bis heute gebräuchliche Formulierungen wie vom Leimen (reinlegen), über Moos (Geld) sowie Mores (Angst) bis zum verkohlen (lügen) oder dem abnibbeln (sterben), erschließen sich den Besuchern.

Die zwölf vom Rothenburger Karikaturisten Robert Hellenschmidt thematisch umgesetzten Zeichnungen mit ihren Jenisch-Sprechblasen führen wie ein roter Faden unterhaltsam durch das Museum. Rund 1700 Jenisch-Begriffe haben die beiden ehrenamtlich tätigen Lehrer nach aufwendiger Recherche gegenübergestellt. Johannes Munique dazu: „Der Vergleich mit den Glossaren aus Lützenhardt, Leinzell, Schloßberg, Pfedelbach und den Wortlisten aus dem Cochemer Loschen (von 1831) sowie von Kluge (1901) zeigt, dass es kein typisch Schillingsfürster Jenisch gegeben hat, aber dass man durch die Sprache mit rund fünfzig anderen Orten verbunden war!”

„Im kommenden Jahr werden wir unsere Ausstellung um ein Original des Kochemer Loschen, (Von Train 1831, erste umfassende Sammlung jenischer Lexeme) und eine Schillingsfürster katholische Bibel von 1763 erweitern“, sagt Munique. Schließlich mussten die Jenischen ja katholisch sein.

Für das 2025 anstehende Heimatfest plant man schon mehrere Beiträge. Das reicht vom Theaterstück und einer Jenisch-Gruppe im Festzug bis zu einem Symposium. Auch ist die Erweiterung der Multimedia-Einheit in Arbeit, um Jenisch beim Museumsbesuch auch in Ton und Bild zu erleben.

Und es gibt neuen Lesestoff. Munique: „Zu unseren zwei Büchern wird ein drittes kommen, das eine Wortliste Jenisch-Deutsch und erstmals mehrere heimatbezogene Geschichten, Lieder, Sprichwörter und Sketche auf Jenisch mit Übersetzung enthält“.

Autor Redakteur, Wort- und Bildjournalist, Video

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