Ein Wegweiser will verstanden sein

Die „Plänkschder Geographie“ hat so ihre Eigenheiten. In diesem Beitrag geht es um diverse Sichtweisen zum Ober- und Unterdorf und den Blick in die Welt, mit denen Ortskundige agieren, welche jedoch Neubürger oder Fremde vor ordentliche Herausforderungen

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Ulrich Kobelke befasst sich mit der „Plänkschder Geographie“. © Laurenco

Am Schwetzinger Hebel-Gymnasium gab es in den 1960er-Jahren einen Mathematiklehrer, der sich oft beklagte, „dass ständig wieder aufgewärmter Kohl die armen Lehrer tötet“ (Zitat: Juvenal 7,154: „Occidit miseros crambe repetita magistros“) – womit er wohl an die häufigen notwendigen Wiederholungen für etwas begriffsstutzige Schüler dachte. Aber so, wie es in der Schule ist und war, so ist das zu allen Zeiten auch bei den Menschen so – vieles kommt wieder aus dem Gedächtnis erst wieder zum Vorschein, wenn man es repetiert. Ober wie Wilhelm Busch im Buch „Max und Moritz“ der Witwe Bolte zuschreibt, dass sie vom „wieder aufgewärmten Kohl besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt!“

Die Gedanken zur „Plänkschder Geographie“ wurden auch schon des Öfteren publiziert oder bei diversen Schülertreffen rezitiert – doch für Nicht-Plänkschder, für Neubürger, vor allem aber für den, der des Kurpfälzer Dialekts nicht mächtig ist, bleiben manche Ausdrücke einfach immer rätselhaft. Deshalb im Anschluss an die diversen Sichtweisen zum Ober- und Unterdorf hier noch einmal diese früher veröffentlichten Gedanken:

Die Uhren gehen zwar in Plankstadt auch nicht anders als anderswo, aber wer von einem Plänkschder als Ortsunkundiger jemals mit den Grundbegriffen der Plankstädter Ortsbestimmungen vertraut gemacht wurde, dem wird danach der Kopf geschwirrt haben und ob er es richtig begriffen hat, sei dahingestellt. Will man jedoch jetzt in diese geographischen Geheimnisse etwas tiefer eindringen, so spielt der jeweilige Standort des Erklärenden oder Betrachters die wichtigste Rolle, das heißt, je nachdem, wo man in Plankstadt wohnt oder bei einer solchen Erklärung gerade steht, kommen natürlich andere Begrifflichkeiten zum Tragen. Bei den nachfolgenden Überlegungen wähle ich der Einfachheit halber den Standort Rathausplatz.

Vom Rathausplatz geht’s nunner zur Mehrzweckhalle

Bleiben wir zunächst im Ort selbst: Völlig klar, dass man in die Siedlung naus geht, während das direkt anschließende ehemalige Ausbesserungswerk schon driwwe (in Schwetzingen) liegt; zu den Sportplätzen, der Mehrzweckhalle, in die Gansweid oder Keesgrieb geht man nunner. Nunner ist auch ein Sammelbegriff für alle Richtungen, die vom Rathaus in nördlicher Richtung gehen, bedingt dadurch, dass es eben von der Oberflächenbeschaffenheit tatsächlich auch leicht abwärts geht; keine Frage also, dass es schon immer „im Waldpfad drunne“ oder „im Viehweg drunne“ hieß. Naus geht es zum ehemaligen Bahnhof, zum Friedhof oder zu den Bauernhöfen der Aussiedler, egal, ob diese nun im Jungholz oder im Alsheimer Weg liegen, genauso wie es „naus zum Hegenichhof“ (Patrick-Henry-Village) geht oder wie natürlich auch der Schießstand am Bruchhäuser Weg, die „Bellen“ oder das frühere „Dreckloch“ und das ehemalige „Dolle-Loch“ drauß liegen.

Vor geht es vom Rathaus bis zur evangelischen Kirche oder Kreuzgasse (Eisenbahnstraße/Eppelheimer Straße) – allerdings gilt für diese Orte je nach Standort auch drunne (drunne an der Kreizgass’) oder drowwe, während es zur katholischen Kirche vor oder nuff gibt; von der katholischen Kirche in Richtung Schwetzingen geht es schon wieder nauszus und ab dem Ortsende geht’s dann niwwer!

In den südlich gelegenen Ortsteil (Oberdorf) geht es – vom nördlichen Teil (Unterdorf) aus gesehen – meistens nuff und umgekehrt selbstredend nunner; die Bewohner des Unterdorfs wohnen drunne und die des Oberdorfs drowwe. Schwierig ist der Begriff hinnare einzuordnen; natürlich geht es in die Karl-Theodor-Straße hinnare, aber in der Beethoven-, Goethe-, den neuen Teilen von Schiller- und Bismarckstraße und Lessingstraße im Gewann Sandgarten wohnt man ebenso dahinne wie im Backoffegässl (Leonhardtsstraße) oder im Scipiogässel, wobei die sich an die Scipiostraße anschließenden Helmlingstraße bereits wieder drauß ist. Die Beurteilung, ob das Scipiogässel seinen Namen von „Gässchen“ oder von der angrenzenden Gewann „Gässeläcker“ ableitet, lassen wir an dieser Stelle mal außen vor.

In die Eisenbahnstraße geht man naus (allerdings erst ab Einmündung Luisenstraße, in den anderen Teil geht man eher vor) ebenso wie in den Brühler, Grenzhöfer, Wieblinger und Eppelheimer Weg – überhaupt alle Straßen, die aus dem Ort hinausführen.

Das Gebiet Krummgewann zwischen der Lessingstraße und Schwetzingen (Ring-, Berliner-, Josef-Fleuchaus- und Paul-Bönner-Straße) sowie die Gegend Spitzäcker und Schwetzinger Weg links, also um das Caritas-Altenzentrum liegen auch wieder drauß, was damit zusammenhängt, dass zurzeit der Entstehung der Begriffe diese Gebiete tatsächlich außerhalb des bebauten Ortsetters lagen. Dazu gehört auch der ganze Teil zwischen altem Ortskern und Eisenbahnersiedlung (Schwetzinger Weg rechts, Benzelgrund und Brühler Weg rechts). Die Neubaugebiete Altrott und Neurott liegen natürlich drunne wie auch das Industriegebiet, wobei hier auch schon mal drauß zu hören ist.

Verlässt man den Ort, wird es etwas einfacher: Niwwer geht es nach Schwetzingen, Oftersheim, Eppelheim, Ketsch, Brühl, Friedrichfeld, Wieblingen und Edingen, wobei allerdings zu beachten ist, dass es zum zwischen Plankstadt und Edingen gelegenen Grenzhof naus geht. Eine Besonderheit bietet auch der Schwetzinger Stadtteil Hirschacker, dorthin geht es nämlich, wie auch in die Schwetzinger Kaserne, nunner und geht es nach Brühl noch niwwer, so liegt der direkt anschließende Mannheimer Ortsteil Rheinau schon drunne, denn nach Mannheim geht es immer nunner und nach Heidelberg geht es nei (zum Beispiel ein Kranker liegt „drin in der Medizinische“); nach Wiesloch und Sandhausen niwwer, nach Hockenheim, Walldorf sowie in das gesamte „Rallieland“ (Gegend von Hockenheim bis Karlsruhe) geht es nuff (in Hoggene drowwe), was sich über Karlsruhe, Freiburg bis Basel fortsetzt, während es an den Bodensee und nach Bayern schon wieder nunner geht.

Nuff gelangen wir über Mannheim, Frankfurt und Hamburg an die Küste, während es in die Pfalz natürlich niwwer (driwwe iwwerm Rhei’) geht. Entsprechend wohnen natürlich die Menschen entweder driwwe, drowwe oder drunne! In die Landeshauptstadt Stuttgart fährt man – ja also eigentlich gibt es da gar keinen festen Begriff, vielleicht fährt man als eingefleischter Badener besser überhaupt nicht hin und hat deshalb auch bewusst oder unbewusst keine exakte Ortsbestimmung vorgenommen, wer weiß!

Von Plankstadt in die Welt – so funktioniert’s im Dialekt

Vom Plänkschder Rathausplatz ins europäische Ausland zu kommen ist ganz einfach: Nach Frankreich geht’s niwwer, ebenso nach England und die übrigen Beneluxländer. In die nordeuropäischen Staaten ganz klar nuff und nach Österreich und in die Schweiz geht’s nei (im Urlaub fahre ma ä bissel uff Ehschdreisch nei), während Italien, Griechenland und Spanien eher drunne zu orten sind, also muss man dorthin auch nunner (nunner ans Mittelmeer im Gegensatz zu nuff an die Nord- und Ostsee) fahren. Die Verwendung der Begriffe oben und unten für Norden und Süden (entsprechend den fast immer genordeten Landkarten), womit jeder Geographielehrer schon immer zu kämpfen hatte, hat sich hier unauslöschlich manifestiert.

In die weite Welt kommt man unter Zuhilfenahme der Plänkschder Geographiebegriffe auch ganz vortrefflich: in die USA niwwer (über den Atlantik) oder auch nei, nach Australien und Afrika nunner. In die osteuropäischen Länder geht’s niwwer (spielt da vielleicht die lange und strenge Abschottung eine Rolle?), für Ostasien hört man verschiedene Begriffe, sowohl niwwer als auch nunner. Diese relative Ungenauigkeit mag wohl damit zusammenhängen, dass diese Gebiete in früherer Zeit etwas außerhalb der Vorstellungs- und Gesprächswelt unserer Ahnen lagen.

Dass der Nordpol owwe und der Südpol unne liegen, versteht sich wohl von selbst. Bei solchen Fernziel-Bezeichnungen befindet sich der Plänkschder ja auch in bester Gesellschaft: Schon der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe benutzte in seinem „Westöstlichen Diwan“ den Begriff „weit hinten in der Türkei“!

So – alles begriffen? Es ist natürlich zu berücksichtigen, dass sich durch die Zuzüge und Bebauungen seit den 1960er-Jahren manche Begrifflichkeiten etwas verlagert und verändert haben. Bei den genannten Bezeichnungen ist das räumliche Denken des alten Plankstadts zugrunde zu legen und so wie sich die Sprache überhaupt immer im Wandel befindet, so geht es auch den Ortsbestimmungen innerhalb der Gemeinde. Ging man früher zur Post nunner (im ehemaligen Gasthaus „Zum Pflug“ genauso wie zuvor im Gebäude des früheren Polizeipostens in der Wilhelmstraße), so musste man danach zur Post naus (Süba-Gebäude Schubertstraße); aber auch zur Postfiliale heute in den Schwetzinger Weg (C-Fashion) geht’s naus, obwohl das ja eigentlich noch nahe beim Ortszentrum liegt. Drauß liegt also vor allem alles, was früher unbebaut war oder auch schon fast drauß lag und drin, das ist der unmittelbare alte Ortskern.

Auf die Sichtweise kommt’s an: Abweichungen sind daher möglich

Eine Besonderheit ist beim Rathaus festzustellen: Je nach Standpunkt im Ort gibt es natürlich vor oder nuff, wobei der Begriff nuff hier auch allgemeiner und nicht ausschließlich als reine Ortsbestimmung gesehen werden kann, nämlich im Sinne von „auf ein Amt, zu einer Behörde gehen“ (die do owwe uff’m Rothaus beschdimme grad was sie wolle). Wahrscheinlich spielte bei der Verwendung des Begriffs in diesem Sinne noch das vom alten Obrigkeitsstaat geprägte Denken unserer Vorfahren etwas mit.

Wie eingangs gesagt: Alles ist nur eine Frage des jeweiligen Standorts beziehungsweise der überkommenen Gewohnheiten. Wer am Sportplatz oder gar noch weiter drunne wohnt, sieht die Sache vielleicht aus ganz anderen Augen. Und wahrscheinlich gelten in unseren Nachbargemeinden wieder andere Sichtweisen – aber das macht ja den Reiz aus: Unser Kurpfälzer Dialekt und unsere Sichtweisen weisen von Ort zu Ort leicht abweichende Nuancen auf und doch sind wir in unseren Herzen Kurpfälzer und in unserer lokalen Verschiedenheit doch im Wesen vereint!

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