Schloßau. Schon der Scheidentaler Heimatdichter Wilhelm Trunk hatte eine kleine Liebeserklärung in Prosa für Schloßau veröffentlicht. Doch die heute 870 Schloßauer und Waldauerbacher selbst lieben ihr Dorf, denn es ist nicht nur ihre Heimat, sondern seit dem Ende des letzten Krieges auch zu einem liebenswerten Kleinod des Neckar-Odenwaldkreises geworden. Auch wenn es hier – durchschnittlich 511 Meter über Normalnull – immer ein Stück l kälter ist als anderswo.
Wie sehr die Schloßauer ihr Dorf lieben, wurde nur zu deutlich beim jüngsten grandios erfolgreichen Gemeinschaftsfest 750 Jahre Ersterwähnung Schloßau, die mit den Orten Kirchzell, Buch, Donebach, Mörschenhardt, Mudau und Preunschen als zur Burg Wildenberg gehörend in der Verkaufsurkunde vom 19. Mai 1271 des Ulrich von Dürn und seiner Gemahlin Adelheid an den Mainzer Erzbischof Werner von Eppstein aufgeführt war.
Thomas Müller, Archivar des Vereins Örtliche Geschichte Schloßau/Waldauerbach, hatte die Chronik des 2240 Hektar großen Dorfs (Waldanteil etwa 70 Prozent) mit viel Herzblut zusammengepuzzelt und dabei herausgefunden, dass sich der Ortsname – vermutlich aufgrund schlechter Handschriften und daher Lesefehlern – unglaublich oft geändert hat. Das ursprüngliche Slozzahe, vermutlich im achten Jahrhundert auf Initiative Karl des Großen gegründet, verdankt seinen Namen jedoch keinem Schloss, sondern dem Bach „Slozzah“, der heute als Mud bekannt ist und das althochdeutsche „ahe“ enthält, was fließendes Gewässer oder sprudelnder Bach bedeutet.
Liebevoll beschrieben
Liebevoll beschrieb Thomas Müller, dass Schloßau auf einem Höhenzug liegt, der sich vom Neckar über den 626 Meter hohen Katzenbuckel in nordöstliche Richtung bis zum Main erstreckt, am Rande von tief abfallenden Waldtälern und wieder steil ansteigenden Bergen nahe des Dreiländerecks von Baden-Württemberg, Bayern und Hessen auf der Wasserscheide zwischen Main und Neckar und auf den nährstoffarmen Böden des Buntsandsteins.
Wie fast alle Höhendörfer des Odenwalds, hatte auch Schloßau seinen Ursprung in der Form eines Waldhufendorfes, das beim Verkauf durch die einst einflussreichen und dann verarmten Herren von Dürn aus 24 Huben á 750 bis 1500 Ar in drei Häusergruppen am Schellberg, dem heutigen Kircheneck und rings um die „Weet“ bestand. Die Menschen in ihren einfachen Hütten lebten damals von dem, was die Natur hergab – von Beeren, der Jagd, etwas Getreideanbau, Pilzen und Fleisch aus dem eigenen Stall. Und in den folgenden 532 Jahren Mainzer Herrschaft unter der Verwaltung durch das Kloster Amorbach beanspruchte dieser Grundherr neben dem Grundzins auch den kompletten großen Zehnten und vom kleinen Zehnten die Hälfte, die andere Hälfte ging an die Pfarrei Mudau sowie eine ganze Reihe von Frondiensten.
Hohe Abgaben
Aufgrund dieser hohen Abgaben, aber auch des Anerbenrechts unter dem Slogan „Einer bekommt das Gut, die anderen nehmen den Hut“ änderte sich die äußere Form- und die Besitzverhältnisse der 24 Güter nur sehr langsam, lediglich entlang der Verbindungswege entwickelten sich allmählich weitere Güter. Erst ab etwa 1870 entwickelte sich dann zum Beispiel die ehemals Ernstthaler Straße, heute Kailbacher Straße. Dieser obere Dorfteil trägt im Volksmund den Namen „Houschd“.
Als erste Einwohnerzahl erfährt man 1495/96 von 110 Bürgern, die bis 1610 auf 250 anstieg und am Ende des 30-jährigen Kriegs auf vier Männer und etwa 20 Frauen und Kinder schrumpfte, auch aufgrund von zwei Pestpandemien.
Da sich diese Zahlen nur sehr langsam erholten, siedelte das Erzbistum Mainz Menschen aus Südtirol, der Schweiz und Italien in den Odenwald um, und so lebten 1803 schließlich 381 Seelen und 1895 dann 654, wenn auch nur von den drei „B“ für „Beeren“, „Besen“ und „Betteln“. Das überwiegend katholische Dorf gehörte einst zur uralten Mutterpfarrei Hollerbach, ab 1426 zu Mudau und ab 1864 nach der Zwischenlösung einer Gebetskapelle baute man 1860/64 eine eigene Pfarrkirche und zwei Jahre später ein Pfarrhaus und rund 30 Jahre später den Kirchturm. Heute gehört man „wieder“ zur Seelsorgeeinheit Mudau, also „alles schon mal da gewesen“.
Über die dörfliche Schulgeschichte fand Thomas Müller heraus, dass sie bis ins 19. Jahrhundert hinein zumeist eine private Einrichtung der Gemeinde war. Den Schulunterricht, der in der Stube eines Bauernhofes nur im Winter von Allerheiligen bis Ostern stattfand, erteilte im 17./18. Jahrhundert meist ein Handwerker oder ein Dorfbewohner, der Lesen und Schreiben konnte.
Schule seit 18. Jahrhundert
Ungefähr seit Beginn des 18. Jahrhundert bestand in Schloßau eine Schule. Der Lehrer wurde in Naturalien bezahlt, deren Höhe sich nach dem Besitz der einzelnen Bürger richtete. Das erste einstöckige Schulhaus wurde 1817 für 90 Schulkinder und dem Lehrer Joseph Anton Obernitz gebaut und 1877 durch ein neues für 146 Schüler mit zwei Lehrsälen und zwei Lehrerwohnungen ersetzt. Für Handarbeits- und Kochunterricht wurden dann noch private Räume im Forsthaus oder im Gasthaus Grüner Baum angemietet, und 1866 im heutigen Rathaus eine Strohflechtschule als erste Berufsschule eingerichtet. Aufgrund akuter Raumnot baute die Gemeinde schließlich 1964 für die 130 Schüler ein neues Schulhaus mit Turnhalle sowie 1971 ein integriertes Lehrschwimmbecken. Diese Schule wurde Anfang 1970 zur reinen Grundschule im Nachbarschaftsverband mit Schülern aus Schloßau, Waldauerbach, Ober- und Unterscheidental, Reisenbach und Ernsttal mit Waldleiningen, nachdem zunächst erst die achte und die neunte Klasse in die Mudauer Hauptschule musste. Heute besuchen etwa 50 Grundschüler die Schloßauer Schule.
Wie Thomas Müller weiter ausführte, war der Luxus, Lesen und Schreiben zu können über Jahrhunderte den reicheren Schichten und vor allem kirchlichen Berufen vorbehalten. Doch der Unmut der Bauern, die schufteten, um zu überleben, mündete nicht selten in einem Krieg. Hielten sich die Schloßauer noch beim Bauernkrieg 1525 zurück, so setzte ihnen der 30-jährige Krieg doch sehr zu. Es folgten Not und Armut und das brachte die Menschen zum Stehlen und Wildern. Hinzu kamen Naturkatastrophen wie die Vulkanausbrüche Laki Krater und Tambora oder Frost im August, was sich zur Badischen Revolution 1848/49 zuspitze.
Krieg beeinflusst Bürger
Rund 20 Jahre später beeinflusste der Deutsch-Französische Krieg und 1914/18 der Erste Weltkrieg auch die Bürger von Schloßau, wenn man auch einiges durch Selbstversorgung auffing. Es folgte die Weltwirtschaftskrise der Weimarer Republik, die im Zweiten Weltkrieg mündete, der in Schloßau bis 1942 ruhig verlief, doch durch die Stellung Eber am Waldrand Richtung Hesselbach, die zwar noch rechtzeitig gesprengt wurde, hinterließen die amerikanischen Truppen im März 1945 doch noch einige brennende Häuser.
Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten über 200 Heimatvertriebene aufgenommen werden, wobei etwa die Hälfte davon weiterzog, da ihnen Schloßau keine Existenz bot. Die erste Auswanderwelle erlebte das Dorf bereits Mitte des 19. Jahrhundert, als es viele der nicht erbberechtigten Kinder Schloßauer Familien in das gelobte Land zog.
Schon um 1870 und nach dem Zweiten Weltkrieg zog es die Männer in Städte wie Mannheim, Ludwigshafen, Heilbronn und Stuttgart. Mädchen und Frauen arbeiteten dort bei gut situierten Familien etwa ab 1900 in Stellung, um Geld zu verdienen.
Da der Pendlerverkehr sich verstärkte, wurde die Verkehrssituation ausgebaut. So hat Schloßau, wie andere Orte auch die Entwicklung vom klein- bis mittelbäuerlichen Ort zu einem Pendlerwohnort durchlaufen. 1960 gab es in Schloßau noch sehr viele landwirtschaftliche Betriebe, die meisten waren Klein- und Nebenerwerbsbetriebe. 30 Jahre später 1990 waren es noch neun.
Bekannt wurde Schloßau als Metropole der Holzhauer, denn fast alle Männer waren neben der Landwirtschaft als Waldarbeiter beschäftigt, die im fürstlichen Wald bei der Holzaufbereitung, der Waldkultur, beim Rindenschälen, bei Wegbauten und der Jagdunterstützung, alternativ auch in der Ökonomie oder der Brauerei in Ernsttal arbeiteten. Zeitweise waren mehr als 60 Personen im Wald beschäftigt, die Männer zum Holzeinschlag, die Frauen zur Kulturpflege aber auch bei der Heidelbeerernte. Seit 1911 fließt hier das Wasser aus den Leitungen, seit 1922 gibt es elektrischen Strom. 1935 erfolgte die Eingemeindung von Waldauerbach sowie von Mörschenhardt mit Ernsttal.
Während Waldauerbach bei Schloßau blieb, wurde Mörschenhardt 1945 wieder ausgemeindet. Zu erwähnen ist noch, dass der badische Ortsteil von Schöllenbach vom Jahre 1806 bis 1899 auch nach Schloßau eingemeindet war. Am 1. Januar 1975 verlor Schloßau seine Selbständigkeit und wurde der Gesamtgemeinde Mudau eingegliedert, und ist nach dem Kernort Mudau der zweitgrößte Ortsteil. Damals wehrten sich die Schloßauer Bürger dagegen. Schnell wurde noch die Leichenhalle gebaut und der Friedhof vergrößert, damit das überschüssige Geld der Gemeinde Schloßau verbraucht war.
Heute amüsieren sich Schloßauer und Mudauer nur noch über diese Geschichten, halten sie aber auch hoch.
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